Rückblick von DAZ-Redakteurin Diana Moll

Meine Themen des Jahres – Nachhaltigkeit, Kinder und Affenpocken

Stuttgart - 30.12.2022, 07:00 Uhr

Was waren Ihre Themen des Jahres 2022? (Fotos: IMAGO / Independent Photo Agency Int. | benitojuncal, FotoHelin, Tobias Arhelger /  AdobeStocke | Kahrmann /  DAZ)

Was waren Ihre Themen des Jahres 2022? (Fotos: IMAGO / Independent Photo Agency Int. | benitojuncal, FotoHelin, Tobias Arhelger /  AdobeStocke | Kahrmann /  DAZ)


Zwei DAZ-Redakteurinnen und ein DAZ-Redakteur haben Ihnen diese Woche bereits ihre Themen des Jahres 2022 vorgestellt. DAZ-Redakteurin Diana Moll rundet den pharmazeutischen Jahresrückblick heute ab. Dabei geht es um Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Verunreinigungen, aber auch um Kindergesundheit, Affenpocken und das Thema Abnehmen – allerdings nicht im Sinne einer Neujahrsdiät. 

1. Umwelt und Nachhaltigkeit

Seit dem 1. Januar 2022 sind Plastiktüten in deutschen Apotheken Geschichte. Das Thema Nachhaltigkeit und Umwelt scheint 2022 für die Gesundheitsberufe aber erst richtig an Fahrt aufgenommen zu haben. Ganz konkret wurde das zum Beispiel, als die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) im Januar praktische Hinweise zum Umgang mit Diclofenac-Gel gab, um dessen Eintrag in unsere Gewässer zu reduzieren.

Im Oktober veröffentlichte die EU-Kommission zudem einen Legislativvorschlag für die Überarbeitung der kommunalen Abwasserrichtlinie, wonach die – in Umweltdiskussionen häufig als notwendig erwähnte – vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen künftig über zwei Industriezweige finanziert werden soll: die Pharma- und die Kosmetikindustrie. Pharmaverbände halten das Vorhaben für verfassungswidrig. 

Neben der Pharmaindustrie haben sich auch die Apotheken vor Ort auf dem Deutschen Apothekertag mit dem Umweltschutz und damit dem Klimawandel auseinandergesetzt – und nicht allzu offen für Veränderungen gezeigt. Die geführten Diskussionen waren eher ernüchternd. Die Geschäftsführerin Pharmazie der ABDA, Dr. Christiane Eckart-Lill, zeigte sich angesichts der großen Zustimmung, mit der das DAT-Motto im Vorjahr beschlossen worden war, „irritiert“, dass man einerseits nichts beschließen wolle, bei dem die Apothekerschaft selbst keinen Handlungsspielraum habe, auf der anderen Seite aber auch immer Gründe gefunden würden, warum die Apotheker jetzt nicht selbst aktiv werden könnten. 

Erste S1-Handlungsempfehlung zu klimabewusster Arzneimittelverordnung veröffentlicht

Klimaschonend inhalieren

Vielleicht haben die Menschen noch nicht ausreichend begriffen, dass Umweltschutz nicht die Kirsche auf der Sahne ist, sondern der Tortenboden, ohne den alles andere den Halt verliert. Denn auch die das Jahr 2022 intensiv prägenden Lieferengpässe haben am Ende mehr mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu tun, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Das machte dieses Jahr zumindest ein strukturierter Dialog auf EU-Ebene mit den verschiedenen Akteuren der Arzneimittel-Lieferkette deutlich. Die Entwicklung umweltfreundlicher und effizienter Herstellungsverfahren – in denen weniger fossile Rohstoffe, Lösungsmittel und Energie verbraucht werden – würde die Versorgungssicherheit auch dahingehend verbessern, dass Abhängigkeiten von Drittländern reduziert werden, hieß es (Stichworte: Krieg und Pandemie). 

Immerhin: Seit 2022 gibt es eine erste „S1-Handlungsempfehlung zu klimabewusster Arzneimittelverordnung“. Sie bietet Apotheker:innen eine Übersicht über klimafreundliche Inhalatoren, sodass schon heute in der Beratung konkret damit begonnen werden kann, Nachhaltigkeit zu fördern.

2. Kinderarzneimittel

Das Thema Versorgungssicherheit lässt Apotheker:innen seit Herbst dieses Jahres insbesondere an Fieber- und Antibiotika-Säfte denken – also Kinderarzneimittel. Als die DAZ-Redaktion im April 2022 mit der Serie „Die Top-12-Kinderarzneistoffe“ begann, war noch nicht klar, dass beispielsweise der Artikel „Ibuprofen für Kinder – wann und in welcher Darreichungsform?“ am Ende des Jahres zu den meistgelesenen Artikeln gehören würde.

Das RSV-Infektionsgeschehen bei Kleinkindern hat früher begonnen als vor der Corona-Pandemie

Die Welle rollt

Doch nicht nur die Texte zu Paracetamol, Ibuprofen und Co. fanden großen Anklang, beispielsweise auch der Text über Salbutamol für Kinder wurde zahlreich geklickt. Denn Atemwegsinfekte haben im Herbst und Winter 2022 leider insbesondere die Pädiatrie fest im Griff. RSV- und Influenza-Wellen – aber auch COVID-19 – haben die Versorgungssicherheit (bei Darreichungsformen) für Kinder auf eine harte Probe gestellt, in vielen europäischen Ländern wird zudem mit einer ungewöhnlich hohen Zahl an Scharlach-Erkrankungen gerungen. War seit Beginn der Corona-Pandemie vor allem der Gesundheitsschutz der Älteren unserer Gesellschaft in den Fokus gerückt, war das Jahr 2022 also stärker als sonst von der Pädiatrie geprägt.

3. Kosmetik, Hilfsstoffe und Verunreinigungen

Doch nochmal zurück zum Thema Umweltschutz – der ja nicht nur bedeutet, dass Menschen der Umwelt keine schädlichen Stoffe zuführen, sondern auch selbst keinen giftigen Substanzen ausgesetzt werden. Mitunter ist das ein Grund, warum die DAZ-Redaktion bereits im Jahr 2021 die Kosmetik-Serie „Was ist drin“ begonnen hat. Passend zum „Umwelt-Jahr 2022“ ging es dann im April 2022 auch direkt um „rifffreundliche“ Sonnencreme und die Frage, ob mineralische UV-Filter besser für die Umwelt sind. Einiges an Aktualität gewann das Thema potenziell gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe von Apotheken-Kosmetik dann noch dazu, als 2022 immer wieder Kosmetik-Rückrufe über die AMK veröffentlicht wurden. Dahinter steckte eine Veränderung der Kosmetikverordnung, die seit März 2022 beispielsweise neben dem Duftstoff Lilial auch Zink-Pyrithion in Kosmetika verbietet.

Während in diesen Fällen also ein abschließendes Urteil zur Bedenklichkeit mancher Inhaltsstoffe gefällt wurde, ist die Diskussion rund um die Bedenklichkeit des Hilfsstoffs Titandioxid – zumindest was Arzneimittel angeht – noch nicht abgeschlossen. Hinsichtlich Nanomaterialien bestehen grundsätzlich noch viele Unsicherheiten, nicht nur in Bezug auf Titandioxid.

Immer noch nicht abgeschlossen ist auch die Nitrosamin-Krise, die im Sommer 2018 begann. Und auch hier könnten – wie 2022 bekannt wurde – Hilfsstoffe eine größere Rolle spielen als bislang gedacht. Denn seit 2022 ist klar: Hersteller müssen auch an sogenannte Wirkstoff-Nitrosamine als mögliche Verunreinigung von Arzneimitteln denken – Ursache sollen Nitrite sein, die in Spuren in Hilfsstoffen vorkommen.

4. Affenpocken / MPox

Als sich im Mai 2022 die Meldungen über Infektionen mit Affenpocken häuften, fürchtete sich so manche vor der nächsten Pandemie nach dem Vorbild der Coronakrise. Vergleichbar mit der Corona-Pandemie ist der Ausbruch zwar zum Glück nicht, dennoch hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Affenpocken-Ausbreitung zur Notlage mit internationaler Tragweite erklärt. 

Auch diese Krise war zunächst von Engpässen geprägt. Als die Ständige Impfkommission (STIKO) im Juni 2022 erstmals zur Impfung gegen Affenpocken riet, gab es noch nicht genügend Impfstoff. Zudem wurde der Affenpocken-Impfstoff Imvanex erst Ende Juli in der EU zugelassen. Zuvor war der Impfstoff auf EU-Ebene nur zum Schutz von Erwachsenen gegen Menschenpocken zugelassen gewesen. 

Im November gab die STIKO dann bekannt, dass die begonnenen Affenpocken-Impfungen mit dem MVA-Impfstoff (Modified Vaccinia Ankara, Jynneos/Imvanex) ab sofort komplettiert werden können. Es soll ausreichend Impfstoff ausgeliefert worden sein. Mittlerweile empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) außerdem statt der Bezeichnung „Monkeypox“ oder Affenpocken die Kurzform „Mpox“ zu verwenden. Für ein Jahr könnten aber beide Namen noch nebeneinanderstehen, bevor nur noch Mpox verwendet werden soll.

5. Abnehmen mit Arzneimitteln?

Und auch beim letzten Thema des Jahres 2022 steht leider nochmal ein Engpass im Mittelpunkt – allerdings einer der anderen Art: Im Oktober informierte die AMK darüber, dass für Semaglutid im Handelspräparat Ozempic Lieferengpässe bestehen. Es war von einer unterbrochenen Lieferkette und einer höheren Nachfrage als vorgesehen die Rede. 

Schon im September 2021 hatte die DAZ berichtet, „was Liraglutid, Semaglutid und Tirzepatid bei der Gewichtsreduktion leisten können“. Daraus geht hervor, dass die Inkretin-Analoga zunehmend in den Fokus einer Gewichtsabnahme gerückt sind, obwohl sie ursprünglich zur Behandlung von Menschen mit Typ-2-Diabetes entwickelt worden waren.

Das hat 2022 dann offenbar auch die breite Masse mitbekommen, sodass die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) im November dazu mahnte, „GLP-1 Rezeptor-Agonisten nicht als Lifestyle-Therapie im Eigengebrauch“ einzunehmen. Vor allem in den USA soll Ozempic sehr stark im Off-Label-Use zur Gewichtsreduktion verwendet werden, weil viele Prominente wie Elon Musk den Einsatz in sozialen Medien bewerben, erklärte Professor Harald Schneider, Sprecher der Sektion Angewandte Endokrinologie der DGE aus München und Landshut.

Wie viele andere Lieferengpässe ist jedenfalls auch dieser noch nicht behoben. Erst am 23. Dezember meldete die AMK, dass die Lieferverzögerung bei Ozempic „bis voraussichtlich Mitte Januar 2023“ anhalten soll. Allerdings soll nur die 1-mg-Dosierung betroffen sein, 0,5 mg und 0,25 mg seien lieferbar.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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