Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

06.02.2022, 07:30 Uhr

Es geht los: Apotheken impfen gegen Covid-19. Ein tolles Engagement! 

Es geht los: Apotheken impfen gegen Covid-19. Ein tolles Engagement! 


Immer weniger Apotheken. Ein neuer trauriger Rekord: Ende des vergangenen Jahres gab es insgesamt nur noch 18.461 Apotheken. Wo liegen die Ursachen? Der Rückgang geht weiter, wo wird das enden? Wie wird sich das E-Rezept auf die Apothekenzahlen auswirken? Ein Medienthema: der Covid-19-Impfstart in Apotheken ab nächster Woche. Rund 600 Apotheken gehen an den Start. Und viele laufen sich schon warm. Ein tolles Signal: Impfende Apotheken sind ein Beitrag für den Weg aus der Pandemie. Das Aufreger-Thema der Woche: der Nacht- und Notdienst – brauchen wir eine Reform?

31. Januar 2022

Für viele Apothekerinnen und Apotheker war es wie ein kleines Weihnachtsgeschenk, als das Bundesgesundheitsministerium im Dezember die für 1. Januar 2022 geplante Einführung des E-Rezepts verschoben hat. Und ja, mein liebes Tagebuch, es wäre ein kleines Fiasko geworden, wenn am Einführungstermin stur festgehalten worden wäre. Wobei, an den Apotheken hätte es nicht gelegen, sie hatten sich bestens vorbereitet. Doch Arztpraxen waren längst nicht alle im Stande, E-Rezepte auszustellen, z. B. wegen Problemen mit der Praxissoftware. Und überhaupt, da gibt es noch einige ungeklärte Fragen bei der Verarbeitung der E-Rezepte, beispielsweise für Zytostatikaverordnungen. Und so wird denn auch die Verschiebung des Einführungstermins auf unbestimmt von den meisten Apothekerinnen und Apothekern als „absolut richtig“ (83%) und als „eher richtig“ (7%) eingestuft, wie eine aktuelle Apokix-Umfrage des Instituts für Handelsforschung Köln zeigt. Froh über die Verschiebung ist man natürlich auch wegen der drohenden Abwanderung vieler Verordnungen an die EU-Versender, eine der größten Sorgen beim Thema E-Rezept. Die Sorge ist nicht unbegründet. Die Arzneiversandhäuser an der deutsch-niederländischen Grenze scharren schon ungeduldig mit den Hufen – oder sollte man besser sagen, sie rasseln mit den Säbeln? Denn sie werden alles daransetzen, die deutschen Patientinnen und Patienten zu belämmern und zu bestürmen, mit allen Mitteln und auf allen Ebenen. Ein mehrere millionenschwerer Etat steht dafür bereit. Mein liebes Tagebuch, hat unsere  kleine Vor-Ort-Apotheke da überhaupt eine Chance? Sie hat! Und mehr als das, wenn sie ihre Stärken jetzt richtig einsetzt. Und das sind vor allem die Attribute persönlich und digital, die unsere Vor-Ort-Apotheken ausspielen können – aus beiden Welten das Beste: die Nähe, persönlich da zu sein, verbunden mit Empathie und Emotion, außerdem die Schnelligkeit der Belieferung (Botendienstlieferung), die persönliche Freundlichkeit und natürlich auch alle digitalen Dienste wie Online-Rezeptbestellung, Online-Shop und telepharmazeutische Beratung. Mein liebes Tagebuch, wenn die Vor-Ort-Apotheken das richtig einsetzen, haben die Versandhäuser wenig Chancen, auf keinen Fall mehr als bisher.

1. Februar 2022

So soll’s mit der PCR-Testung weitergehen: Nicht nur Personen in sensiblen Bereichen haben Anspruch auf einen PCR-Test. Der Anspruch nach § 2 für Infizierte wird auch auf Personen ausgedehnt, die sich noch nicht in Absonderung befinden. Allerdings heißt es auch, dass künftig nach einem positiven Schnelltest erstmal nicht mehr getestet wird, nur nach individueller Entscheidung – und hier kommen dann neue Priorisierungsregeln ins Spiel. Anspruch auf einen PCR-Test haben dann z. B. eher ältere Personen oder Personen mit schlechtem Gesundheitszustand und erhöhtem Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf bei einer Coronavirus-Infektion. Der Grund für die eingeschränkten Tests liegt an der derzeitigen hohen Infektionslage und der hohen Auslastung der Testlabore. Mein liebes Tagebuch, jetzt stellt sich nur noch die Frage, wer die vielen PCR-Tests machen soll. Können Apotheken mit entsprechender Ausstattung helfen? Ja, schon, aber nicht für 30 Euro pro Test, wie bisher vorgesehen war. Aber da ist ja auch Bewegung in diese Frage gekommen: Der Referentenentwurf zur Änderung der Corona-Testverordnung sieht nun eine Vergütung pro PoC-NAT-Test von 43,56 Euro vor für Apotheken und andere Leistungserbringer. Mal abgesehen, wie man auf diese schräge Zahl kommt – mit einer Vergütung von 43,56 Euro sind Apotheken, die bereits ein PCR-Gerät haben, möglicherweise eher dabei. Man sollte aber auch wissen, dass diese Vergütung ab 1. Februar gilt und bis Ende März 2022 befristet ist, also gerade mal zwei Monate währen soll.

Niedersachsen geht da einen anderen Weg: Dort möchte man Apotheken aktiv für PCR-Tests gewinnen. In diesem Bundesland erhalten Apotheken einen ordentlichen Zuschuss, wenn sie sich ein PCR-Testgerät anschaffen. Bis zu 80 Prozent des Kaufpreises soll eine Apotheke erstattet bekommen, pro Apotheken stehen bis zu 3000 Euro zur Verfügung, lässt das niedersächsische Ministerium wissen. Ob dieser Anreiz der einen oder anderen Apotheke genügt, ein teures PCR-Testgerät anzuschaffen? Ob man vernünftige PCR-Geräte für unter 5000 Euro bekommt?

2. Februar 2022

Interessanter Aspekt, der bisher nicht oder nur am Rande zur Sprache kam: die immensen Müllberge an medizinischem Abfall durch die Corona-Pandemie! Laut WHO sollen es bereits 200.000 Tonnen sein an schlecht entsorgten Schutzanzügen, Test-Kits und Impfutensilien. Und da sind die Riesenmengen an Schutzmasken für den Privatgebrauch noch nicht mit eingerechnet. Viele Gesundheitseinrichtungen seien nicht in der Lage gewesen, ihren Müll fachgerecht zu entsorgen. Mein liebes Tagebuch, was für ein gigantischer Verbrauch von Plastik und Kunststoffen. Immerhin sind Plastiktüten mittlerweile verboten.

 

Man kann es auch so sehen: Eigentlich gibt es nur noch 13.718 Apotheken in Deutschland – hinzukommen dann noch knapp 5000 Filialen, so dass man zum Ende des vergangenen Jahres insgesamt 18.461 Apotheken zählte. Das sind rund 300 weniger als Ende 2020. Mein liebes Tagebuch, ein neuer trauriger Rekord. Und es gibt noch keine Anzeigen, dass der Abwärtstrend zum Stillstand kommen wird. Wie die ABDA mitteilt, liegt die Apothekendichte in Deutschland bei nur 22 Apotheken pro 100.000 Einwohner und damit deutlich unter dem Durchschnitt in der Europäischen Union. Wo soll das enden? Auf welchem Niveau wird sich die Apothekenzahl einpendeln? Werden wir in zehn Jahren bei 15.000 Apotheken, also 10.000 Hauptapotheken plus 5000 Filialen liegen? Aber vor allem: Was sind die Gründe für den ständigen Rückgang? Personalprobleme und damit auch keine Nachfolgerin, kein Nachfolger für die Betriebsübernahme, vermutet die ABDA-Präsidentin. Ja sicher, das mag ein wichtiger Faktor sein. Aber auch die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen sind nicht unbedingt so sonnig und einladend, dass junge Menschen mit großer Zuversicht in die öffentliche Apotheke gehen, geschweige denn, sich mit einer Apotheke selbstständig machen wollen. Arbeitsplätze in der Industrie, aber auch im Krankenhaus sind finanziell und inhaltlich für viele verlockender. Wer als junger Pharmaziestudierende die Apothekenszene, die Diskussionen um Bürokratie in Apotheken und um die ausbleibende Honoraranpassung mitverfolgt, überlegt sich zweimal, ob er diesen Arbeitsplatz zu seinem Arbeitsplatz machen will. Wenn der Apothekenschwund gestoppt werden soll, wenn unsere Arzneiversorgung nicht noch weiter in die Hände von EU-Versendern abrutschen muss sich was tun, mein liebes Tagebuch, aber rasch!

 

Da wurde, wie es so schön heißt, ein Exempel statuiert: Das Amtsgericht im rheinland-pfälzischen Landstuhl hat einen Mann wegen Urkundenfälschung zur einer dreimonatigen Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Er hat in einer Apotheke einen gefälschten Impfpass vorgelegt, den er zuvor von einer Vermittlerin für solche gefälschten Dokumente gekauft hatte. Möglich wurde diese Verurteilung, weil die Apotheke die Fälschung bemerkt (abgelaufene Chargennummer!) und daraufhin die Polizei eingeschaltet hatte. Mein liebes Tagebuch, so soll es sein. Und dennoch ist das alles nicht selbstverständlich, denn noch steht in solchen Fällen die Frage im Raum, ob sich die Apothekenangestellte womöglich selbst strafbar gemacht hat, weil sie  gegen ihre Schweigepflicht verstoßen hat. Aber da hat sich das Amtsgericht deutlich zu der Auffassung geäußert, die sich allgemein bereits bei zahlreichen Ermittlungsbehörden und offenbar in weiten Kreisen der Politik durchgesetzt hat: Selbst wenn die Schweigepflicht verletzt wurde, so war dies doch gerechtfertigt. Denn solche Personen, die mit gefälschten Pässen am öffentlichen Leben teilnehmen wollen, stellen „eine Dauergefahr für Leib und Leben sowie für das Schutzgut der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsfürsorge dar“. Wer so etwas meldet, befindet sich in einem Notstand, der sich rechtfertigen lässt. Mein liebes Tagebuch, das gibt doch erstmal Sicherheit für die Apotheke. Ob die Strafe – drei Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung – in diesem Fall abschreckende Wirkung auf die Fälscherszene hat, sei dahingestellt. Aber vielleicht schon eher auf Personen, die ein gefälschtes Dokument bewusst verwenden wollen.

3. Februar 2022

Die Vorbereitungen in den Apotheken, die ab nächster Woche gegen Covid-19 impfen, laufen auf Hochtouren. In dieser Woche konnte diese Apotheken erstmals für sich selbst die Covid-19-Impfstoffe bestellen. Rund 600 Apotheken werden wohl an den Impfstart gehen. Laut Bundesgesundheitsministerium haben sie knapp 25.000 Dosen geordert (40 Vials pro Apotheke waren möglich). Mein liebes Tagebuch, o.k. diese Zahlen sind noch recht überschaubar, aber 25.000 Impfungen mehr sind besser als keine Impfungen. Und mit Sicherheit sind unter den Impfwilligen solche Personen, die ohne den Apothekeneinsatz keine Impfung oder keine Boosterung wahrgenommen hätten oder zumindest nicht jetzt. Und das ist nur der Anfang, denn an vielen Orten laufen noch die Schulungen, außerdem werden eine Reihe von Apothekerinnen und Apothekern, die bereits geschult wurden oder schon vor einiger Zeit die Schulung für die Grippeschutzimpfung absolviert haben, hinzukommen. Also, da tut sich schon bald noch mehr. Insgesamt soll eine vierstellige Zahl von Apotheken impfbereit sein, laut ABDA-Mitteilung. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir dass mindestens die Hälfte der Apotheken impfen werden – das wird ein schöner Beitrag sein auf dem Weg raus aus der Pandemie.

 

Wie können die Patienten in Zukunft ihr E-Rezept einlösen? Klar, per ausgedrucktem QR-Code, das ist der Token, der als Schlüssel zum E-Rezept dient, das auf einem zentralen Server liegt. Die elegantere Lösung ist die Gematik-App – der Arzt schickt den Token in die App auf dem Smartphone des Patienten, der dies dann in der Apotheke vorzeigt. Das wird allerdings wohl erstmal nicht allzu vielen Patienten möglich sein, denn zum einen muss ihr Smartphone NFC-fähig sein, zum andern benötigen sie eine NFC-fähige eGK (elektronische Gesundheitskarte). Aber da gibt’s doch noch was, mein liebes Tagebuch! Genau, eine dritte Möglichkeit wird darin bestehen, dass ein E-Rezept in der Apotheke auch mittels der eGK vom Server abgerufen werden kann – man braucht also kein Smartphone dafür. Diese Möglichkeit stand in den letzten Monaten noch gar nicht so sehr im Fokus, obwohl sie doch für viele eine ungemein praktische Lösung darstellt. Aber es tut sich was: Laut Gematik liegt die Spezifikation, also das technische Konzept für diese Lösung, zur Prüfung beim Bundesgesundheitsministerium. Und wenn das BMG sein O.K. gibt, muss diese Lösung technisch noch umgesetzt werden. Mein liebes Tagebuch, kann wohl noch dauern, sollte aber nicht so stiefkindlich behandelt werden wie bisher, denn für viele Menschen ohne Smartphone-Affinität wäre der Einsatz ihrer eGK doch eine ideale Lösung.

4. Februar 2022

Apotheken-Nachtdienst, Apotheken-Notdienst – mein liebes Tagebuch, das sind gigantische Reizwörter. Solange ich Apotheker bin und das ist schon eine Zeitlang, kann ich mich erinnern, dass wir Apothekers damit irgendwie schon seit einer gefühlten Ewigkeit im Clinch liegen. Von der Forderung, diese Special Services am besten gleich abzuschaffen über die Forderung nach „gerechter“ Entlohnung bis hin zu „ohne geht gar nicht“ war schon alles da gewesen und kommt immer wieder hoch. Wie positionieren wir uns eigentlich im Jahr 2022 zum Nacht- und Notdienst? Im Zeitalter der Digitalisierung und der EU-Versender? Und das vor dem Hintergrund des Nacht- und Notdienstfonds? Das wäre doch echt wieder mal eine Diskussionsrunde wert. Angestoßen hat das Thema ein Leserbrief der Zwickauer Apothekerin Daniela Hänel, erste Vorsitzende der  Freien Apothekerschaft. Sie hat den Brief bereits breit gestreut, nicht nur bei Apothekerkammern und -verbänden, sondern auch in die Politik. Hänel beklagt in ihrem Brief nicht nur, welche  Herausforderungen der Notdienst an die Apothekeninhaberinnen und -inhaber persönlich, organisatorisch und finanziell stellt, sondern macht auch konkrete Vorschläge, welche Reformen nötig sind, bevor „wir weitere Vor-Ort-Apotheken in der Fläche verlieren“. Ganz klar, der Nacht- und Notdienst müsse besser vergütet werden, so ihre Forderung,  die telefonische Beratung könnte zum Teil über eine einheitliche Servicenummer laufen, den Dienst könnten weniger Apotheken ausführen und es es könnte steuerliche Vorteile geben, um nur einige ihrer Vorschläge zu nennen. Mein liebes Tagebuch, sicher alles diskussionswürdig. Was man allerdings in alle Betrachtungen und Reformwünsche miteinfließen lassen sollte: Den Nacht- und Notdienst kann kein Versender machen, das ist etwas, was nur die Apotheke vor Ort kann – wir haben damit also auch ein Stück weit eine besondere Position. Und wir sollten die Möglichkeit der Digitalisierung ausloten – wie lassen sich diese Dienste besser steuern, ankündigen, was lässt sich zentralisieren, automatisieren, telepharmazeutisch abwickeln? Mein liebes Tagebuch, das Nachtdienst-Thema könnte das Zeug haben, mal breit diskutiert zu werden.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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