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Die Zeiten der „Apotheker mit Villa und Porsche“ sind vorbei – die „Wir-sehen-rot-Kampagne“ habe es der Öffentlichkeit zeigen können. Meint die ABDA und freut sich über die erfolgreiche Kampagne mit mehr als 1000 Instagram-Fotos. Ob Lauterbach davon etwas mitbekommen hat, ist fraglich. Er hat alle Hände voll zu tun, dass er seine 16 Gesetzesinitiativen, unter ihnen das Apothekenreform-Gesetz, noch vor der Sommerpause ins Kabinett bekommt. Ein Honorarplus für Apotheken hat er mit Sicherheit nicht vorgesehen. Die FDP dagegen kennt die Sorgen und Nöte der Apotheken, sagt sie, kann aber nichts versprechen. Schon klar. Aber: Keine Honoraranpassung heißt keine Gehaltserhöhung für Apothekenmitarbeiter heißt mehr Apothekenschließungen. Die ABDA hat’s da einfacher, sie verordnet sich einfach wieder eine Beitragserhöhung. Anything goes.
29. April 2024
Schluss mit „Wir sehen rot“, also mit dieser ABDA-Kampagne. Es war ein Erfolg. Sagt die ABDA. Einer der Gradmesser: die Anzahl der eindrucksvollen und kreativen Bilder der rot gekleideten Apothekenteams und ihrer roten oder schwarzen Schaufenster und mehr als 1000 Fotos auf Instagram. Und natürlich die Berichte in den Medien, meist positive. Es sei gelungen, die Patientinnen und Patienten für die Lage der Apotheken zu sensibilisieren, auch wenn manche sich wunderten, dass ausgerechnet die Apotheken protestieren. Die ABDA meint dazu, die Apothekers müssten die Öffentlichkeit aufklären, um ein Umdenken zu erwirken: Die Zeiten der „Apotheker mit Villa und Porsche“ seien lange vorbei. Mein liebes Tagebuch, wie dürfen wir das denn verstehen? Warum und wie müssen die Apothekerinnen und Apotheker die Öffentlichkeit aufklären? Sollen sie ihrer Kundschaft sagen, dass sie ihren Porsche verkaufen mussten und nun in einer Dreizimmer-Wohnung leben? Sollte nicht besser unsere Öffentlichkeitsarbeit dafür sorgen, dass ein realistisches Bild des Apothekerberufs in die Öffentlichkeit transportiert wird? Ein Bild der vielfältigen Aufgaben unseres Berufs, Aufgaben, die zeigen, dass es nicht nur die Übergabe der Arzneischachtel ist, sondern viel, viel mehr. Und und vor allem die Aufgaben in Richtung mehr Arzneimitteltherapiesicherheit. Apropos erfolgreiche Kampagne, was sagt eigentlich Lauterbach dazu? Sagt er überhaupt was?
Der Bundesgesundheitsminister hat sich nicht zur Kampagne geäußert. Er kämpft derzeit noch mit 16 Gesetzesinitiativen, die er vor der Sommerpause, also bis zum 5. Juli ins Bundeskabinett bringen will. Eine dieser Initiativen ist – genau – das Apothekenreform-Gesetz. Wie zu vernehmen war, solle der Referentenentwurf „in Kürze“ in die Ressortabstimmung. Mein liebes Tagebuch, die Apothekenwelt wartet schon eine gefühlte Ewigkeit auf eine Reform – um endlich Klarheit darüber zu haben, was er wirklich vorhat, und um dann endlich in die Diskussion einzutreten und sich über das parlamentarische Verfahren dagegen zu wehren. Laut einer internen Liste des Bundesgesundheitsministeriums soll der Referentenentwurf für das Apothekenreform-Gesetz noch vor der Sommerpause ins Kabinett – allerdings stehen da noch einige weitere Gesetzesvorhaben auf dieser Liste mit eben diesem Vermerk: „Ziel: Kabinett vor Sommerpause“. Ob es die Apothekenreform bis dahin schafft? Und wenn ja, dann könnte eine Reform wohl erst im Herbst oder gegen Ende des Jahres in Kraft treten. Das zieht sich hin – und bis dahin werden Hunderte von Apotheken für immer schließen.
30. April 2024
Ob Apotheken ein Honorar für den Sichtbezug (Substitutionsmitteleinnahme unter Aufsicht) im Rahmen einer Substitutionstherapie) bekommen, ist nicht einheitlich geregelt. Und hängt davon ab, ob die jeweilige Krankenkasse mit dem Deutschen Apothekerverband im Rahmen regionaler Versorgungsverträge eine Vergütung dafür ausgehandelt hat. Der Deutsche Apothekerverband hat sich vor Kurzem mit dem AOK-Bundesverband auf eine Mustervereinbarung über den Sichtbezug in Apotheken geeinigt: Es gibt 5,49 Euro (umsatzsteuerbefreit, ohne Kassenabschlag) je verordneter Einzeldosis, abzurechnen über eine Sonder-PZN. Es ist allerdings nur eine unverbindliche Mustervereinbarung, die als Vorlage für Verträge auf Bundes- und Landesebene mit den Kassen dienen kann. In den Verträgen ist dann noch zu regeln, ob Arztpraxis oder Apotheke das Honorar für den Sichtbezug erhält. Also, da gibt’s Arbeit für die Verbände und Kassen: aushandeln!
Das Verhältnis zwischen Apothekers und der FDP ist ein eher wankelhaftes. Früher, ja früher musste sich die FDP sogar als „Apotheker-Partei“ beschimpfen lassen. Lang ist’s her. Danach gab’s Zeiten, wo diese Partei sich von den Apotheken abwandte und allzu liberale Gedanken für Apotheken verfolgte. Und nun: Sie ist in der Ampel das gelbe Licht. Die FDP könnte die Partei in der Ampel sein, die sich möglicherweise für das Existenzielle der Apotheken einsetzen könnte – sprich Honorarerhöhung, Senkung des Kassenabschlags und Skonti. Zumindest gibt es in diese Richtung Anzeichen aus den Reihen der FDP, z. B. aus Thüringen, Baden-Württemberg und Hessen. Die ABDA ist jedenfalls dran an der FDP. Sie war mit einem Stand auf dem FDP-Bundesparteitag in Berlin zugegen, auf dem FDP-Chef Christian Lindner seine Partei auf die „Wirtschaftswende“ einschwor. Die ABDA-Präsidentin habe auf diesem Parteitag viele „intensive“ Gespräche über das von Lauterbach geplante Apothekengesetz führen können, teilte die Standesführung mit. Reaktionen aus der FDP lassen zumindest erkennen, dass Sorgen und Nöte der Apotheken angekommen sind. Die in der Bundestagsfraktion für Apothekenthemen zuständige Abgeordnete Kristine Lütke erklärte z. B., man wolle sich für „das wirtschaftliche Auskommen der Apothekerinnen und Apotheker“ einsetzen. Mein liebes Tagebuch, wir werden sehen, inwieweit sich die FDP-Landesverbände durchsetzen können und bis zur Spitze vordringen. Und in die Ampel hinein.
2. Mai 2024
Immerhin, bei der Obfrau der FDP-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss, Kristine Lütke, ist es angekommen: „Im Apothekensektor gibt es viel zu tun“, stellt sie im DAZ-Interview fest. Und im weiteren Verlauf des Gesprächs benennt sie die Punkte, bei denen es klemmt: E-Rezept-Technikprobleme, Sorge vor Retaxationen, schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen, zu wenig „Beinfreiheit“ für die Apotheken vor dem Hintergrund der Lieferengpässe, zu viel Bürokratie – „dazu wünsche ich mir konkrete Vorschläge vonseiten der ABDA“, fügt sie noch an. Wie recht sie doch hat, die FDP-Obfrau. Die konkreten Vorschläge wünschen sich viele, aber sie kommen nicht. Immerhin, Lütkes Worte klingen nach viel Verständnis für Apotheken. So sagt sie auch, dass man noch über vieles aus dem Eckpunktepapier mit den Koalitionspartner werde diskutieren müssen, z. B. über die Apotheken light, über den sinnvollen Einsatz der Telepharmazie und über innovative Ideen. Und ja, ihre Fraktion will sich die Vergütungssystematik der Apotheken „genau anschauen und überlegen“, wie wir ihnen helfen können. Sie kennt auch den Vorschlag des FDP-Landesverbands Thüringen für eine Honoraranpassung, „allerdings kann ich zu diesem Zeitpunkt keine Versprechungen machen, was einzelne Werte betrifft“. Klar, kann sie nicht. Und ob am Ende des Tages dann überhaupt etwas pro Vor-Ort-Apotheke mit Hilfe der FDP um die Ecke kommt – ehrlich gesagt, so richtig überzeugend klingt das alles nicht.
3. Mai 2024
Die Apothekengewerkschaft Adexa hat den Gehaltstarifvertrag mit der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein (TGL) zum 31. Dezember 2023 gekündigt, ein neuer Abschluss steht noch immer aus. Das heißt, seit Ende 2023 warten die in Apotheken Beschäftigten auf einen Tarifabschluss für das Jahr 2024. Da breitet sich Frust und Unverständnis aus. Zwar besteht der bisherige Tarifvertrag weiter, solange es keinen Anschlussvertrag gibt, aber das ist kein Trost, vor allem nicht für alle diejenigen, die den PKA-Beruf ergreifen: Der bisherige Tarif für sie liegt jetzt nämlich unter dem Mindestlohn von 12,41 Euro. Hier sind die Arbeitgeber gefordert nachzubessern. Mein liebes Tagebuch, die Lage bei den Gehältern ist vertrackt: Die Arbeitgeber verweisen darauf, dass die aktuellen finanziellen Rahmenbedingungen keinen Spielraum für Tariferhöhungen hergeben. Die Apothekengewerkschaft weiß zwar, dass die wirtschaftliche Lage mancher Apotheken wirklich nicht gut ist, so Adexa-Vorstand Andreas May, man setze sich daher seit langer Zeit im Gesundheitsministerium für eine angemessene Erhöhung und Dynamisierung ein. Aber für einen Stillstand bei den Gehältern hat er kein Verständnis. Mein liebes Tagebuch, richtig, wenn die Gehälter der Apothekenmitarbeitende keine Anpassung erfahren, können sich die Verbände und Kammern die Nachwuchskampagnen sparen: Es spricht sich unter den Berufsanfängern schnell herum, wenn Apotheken die Arbeit mit zu niedrigen Gehältern entlohnen. Die Folge: immer weniger Personal für die Apotheken, das Apothekensterben beschleunigt sich. Es ist eine Spirale abwärts. Auch vor diesem Hintergrund muss sich mit Lauterbachs Apothekenreform etwas bewegen in Richtung eines Plus beim Apothekenhonorar. Und was die TGL betrifft, so Tanja Kratt, die bei Adexa für die Tarifpolitik zuständig ist, gebe es keine plausible Begründung, warum die Tarifgehälter und der Urlaubsanspruch in Nordrhein schlechter sein sollten als im übrigen Bundesgebiet.
Während die Apotheken seit über zehn Jahren und eigentlich schon seit 20 Jahren für eine wirkliche Honoraranpassung kämpfen, hat es ihre Berufsvertretung einfacher: Sie erhöht mal eben die ABDA-Mitgliedsbeiträge. Für 2024 waren diese Beiträge beispielsweise im Durchschnitt um rund satte 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Und für 2025 wird bereits die nächste Erhöhung angekündigt, dieses Mal sollen es voraussichtlich nur 2,4 Prozent sein – wobei zunächst allerdings die Rede von durchschnittlich 6,5 Prozent war. Dann hatte man wohl noch mal nachgerechnet und schichtet ein bisschen um: Ein Überschuss aus 2023 soll nun dazu verwendet werden, die Beitragserhöhungen in Grenzen zu halten. Wie hoch am Ende die Beiträge dann definitiv steigen werden, darüber wird die ABDA-Mitgliederversammlung dann im Juni entscheiden. Eine Beitragserhöhung werde notwendig, weil die Erträge der wirtschaftenden Töchter in geringerem Ausmaß in den ABDA-Haushalt fließen sollen als bisher. Diese Erträge sollen nämlich dafür verwendet werden, um Rücklagen für künftige Investitionen in die Immobilien in Berlin und Eschborn zu schaffen. Tja, mein liebes Tagebuch, ob das alles noch so zeitgemäß ist in Zeiten von Apothekensterben, verweigerten Honoraranpassungen für Apotheken, geplanten Apothekenreformen mit Light-Apotheken, Inflation und Energiekrisen? Müsste es nicht auch für eine ABDA mindestens eine Stufe kleiner gehen? Brauchen wir wirklich noch so eine aufgeblähte Organisation, deren Standing in der Politik zu hinterfragen ist?
9 Kommentare
Reform
von Karl Friedrich Müller am 05.05.2024 um 14:44 Uhr
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AW: Reform
von Karl Friedrich Müller am 05.05.2024 um 14:55 Uhr
3% 2002 1,9% 2023
von Dr. Hardt am 05.05.2024 um 10:08 Uhr
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Beitragserhöhungen der ABDA
von Dr.Diefenbach am 05.05.2024 um 9:43 Uhr
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Sichtweise der Politik
von Ulrich Ströh am 05.05.2024 um 9:25 Uhr
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Porsche
von T Kerlag am 05.05.2024 um 8:49 Uhr
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AW: Ergänzung
von Stefan Haydn am 06.05.2024 um 11:53 Uhr
3. Mai 2024
von Bernd Haase am 05.05.2024 um 8:45 Uhr
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von Anita Peter am 05.05.2024 um 8:27 Uhr
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