F.A.Z.-Bericht

Mutmaßlicher Millionenbetrug bei ARZ-Haan-Tochter

01.11.2023, 15:15 Uhr

Die FAZ erhebt in einem Bericht Betrugsvorwürfe gegen eine Tochter des ARZ Haan. (Foto: Screenshot DAZ)

Die FAZ erhebt in einem Bericht Betrugsvorwürfe gegen eine Tochter des ARZ Haan. (Foto: Screenshot DAZ)


Es liest sich wie ein Wirtschaftskrimi, was die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am heutigen Mittwoch über einen „mutmaßlichen Millionenbetrug mit Corona-Test-Rechnungen“ schreibt. Dabei wird ein Tochterunternehmen des Rechenzentrums ARZ Haan, die RZH, „als möglicher Akteur und gleichzeitig Geschädigter“ genannt. Es geht zwar nicht um systemrelevante Beträge, aber durchaus um unangenehme Fragen. Das ARZ Haan hat die Vorwürfe gegen die RZH bezüglich des angeblichen Abrechnungsbetrugs bereits zurückgewiesen.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (F.A.Z.) berichtet heute über eine eigene Recherche zu einem mutmaßlichen Millionenbetrug. Hier zunächst eine Kurzfassung der Geschichte, wie sie sich nach Angaben der F.A.Z. zugetragen haben könnte.

Schwere Vorwürfe gegen WDS

Ausgangspunkt ist die WDS GmbH in Dortmund, die vor allem Pflegekräfte schult und berät und in der Pandemie groß bei Corona-Tests eingestiegen sei. Zur Finanzierung dieses immer größer werdenden Geschäfts soll die WDS Rechnungen an das Abrechnungsunternehmen RZH verkauft haben, das eine hundertprozentige Tochter des Apothekenrechenzentrums ARZ Haan ist. Die RZH soll diese Rechnungen im Rahmen einer Factoringfinanzierung übernommen haben, also Geld dafür gezahlt haben. Dabei bestehe der Verdacht, dass darunter reine Scheinrechnungen waren. Die Rechnungen sollen nicht mit Verträgen oder Auftragsbestätigungen belegt worden sein. Die F.A.Z. wirft zudem die Frage auf, ob Mitarbeiter der RZH dies wussten und der WDS sogar angeboten hätten, dass die WDS Scheinrechnungen einreichen könne. Nach Darstellung der F.A.Z. könnte sogar ein früherer Finanzvorstand der ARZ Haan davon gewusst haben. Er habe das Unternehmen inzwischen verlassen und bestreite alle Vorwürfe.

Es liege eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Dortmund gegen einen früheren Geschäftsführer der WDS vor. Darin wird diesem vorgeworfen, über 17 Monate hinweg Scheinrechnungen im Gesamtwert von 15,16 Millionen Euro eingereicht zu haben. Diese Anzeige habe zu einem Ermittlungsverfahren geführt. Die F.A.Z. schreibt außerdem, dass sich ein Hinweisgeber bei der Finanzaufsicht Bafin über den Umgang mit den Rechnungen beschwert habe. Die RZH habe die Werthaltigkeit der Rechnungen kaum hinterfragt und selten versucht, das Geld einzutreiben. Vor dem Ende des Jahres 2021 sollen Rechnungen sogar storniert und auf andere Empfänger umgeschrieben worden sein. Denn sonst wäre zum Bilanzstichtag aufgefallen, dass die Zahlungen überfällig waren. Die F.A.Z. verweist in diesem Zusammenhang auf das Ergebnis des ARZ-Haan-Konzerns für 2021 mit einem Rekordgewinn von 10,4 Millionen Euro vor Steuern. Der Gewinn wäre deutlich geringer ausgefallen, wenn die von der WDS übernommenen Forderungen in Höhe von damals 9 Millionen Euro als uneinbringlich abgeschrieben worden wären.

WDS-Insolvenz mit schneller Wendung

Das nächste Kapitel beginnt im September 2022, als die WDS Insolvenz anmeldete. Dabei soll die RZH Forderungen in Höhe von 16 Millionen Euro angemeldet haben, darunter die erwähnten 15,16 Millionen Euro aus mutmaßlichen Scheinrechnungen, so die F.A.Z. Der Insolvenzverwalter habe diese Forderungen jedoch bestritten. Der Streit soll mit einer neuen Wendung beendet worden sein. Denn die ARZ Consulting, ebenfalls eine Tochtergesellschaft der ARZ Haan, kaufte die insolvente WDS. Die ARZ Haan habe aber in der Außendarstellung nicht auf das vorherige Insolvenzverfahren der WDS hingewiesen.

Im Zusammenhang mit ihren Recherchen wirft die F.A.Z. auch die Frage auf, welche Kontrollmaßnahmen die Apotheker- und Ärztebank getroffen hat. Denn diese ist Miteigentümerin und Kreditgeberin der ARZ Haan. Die F.A.Z. weist auch auf die große Bedeutung der Rechenzentren für das Funktionieren des Gesundheitswesens hin und leitet daraus ab, dass eine intensive Kontrolle angebracht sei.

ARZ Haan: WDS soll Pflegemarkt erschließen

Das Apothekenrechenzentrum ARZ Haan hat bereits auf die Vorwürfe reagiert. Die Stellungnahme liegt der Redaktion vor. Die ARZ Consulting habe die WDS demnach im April 2023 übernommen, „um ihr Portfolio im Bereich Pflege zu erweitern“. Dies sei im Rahmen eines Insolvenzplans mit Kapitalschnitt erfolgt. Dabei seien Anteile in Höhe von 500.000 Euro durch die ARZ Consulting erworben worden. Die Forderungen der Gläubiger seien gemäß Quote bedient und das Insolvenzverfahren aufgehoben worden. Diese Übernahme sei für die ARZ Haan ein strategisch bedeutsamer Schritt, weil die Pflege „ein spannender und chancenreicher Markt“ sei. Dabei sei über 70 Fachkräften die Weiterbeschäftigung garantiert worden. Die erfreuliche Entwicklung der WDS seit der Übernahme zeige, dass dies „strategisch wie wirtschaftlich“ der richtige Schritt gewesen sei, erklärt die ARZ Haan.

Betrugsvorwurf bezüglich RZH zurückgewiesen

Die im F.A.Z.-Beitrag gegenüber der RZH erhobenen Vorwürfe in Bezug auf Abrechnungsbetrug weist die ARZ Haan zurück. „Es liegen uns dazu keinerlei Hinweise oder gar Beweise vor“, erklärt die ARZ Haan. Auch der Verdacht, Rechnungen seien storniert und umgeschrieben worden, sei nicht korrekt. „Sämtliche Forderungen sind in den Jahresabschlüssen der ARZ-Gesellschaften korrekt ausgewiesen“, betont die ARZ Haan. Sollten sich Vorwürfe gegen ehemalige WDS-Verantwortliche erhärten, werde die ARZ Haan „natürlich vollumfänglich zur Aufklärung beitragen und etwaige Ansprüche geltend machen“. Die ARZ Haan weist darauf hin, dass im Zuge der Neustrukturierung der WDS alle seinerzeit Verantwortlichen nicht mehr im Unternehmen seien. Weiter erklärt die ARZ Haan: „Sämtliche Prozesse innerhalb der WDS sind den in der gesamten ARZ Haan üblichen Standards angepasst worden.“ Dort werde nach denselben verbindlichen Regeln und Anweisungen wie in der ganzen Unternehmensgruppe gearbeitet. Die ARZ Haan erklärt, die Ergebnisse der Gruppe in den vergangenen Jahren seien „hervorragend“ gewesen. Die Eigenkapitaldecke und die Liquiditätsposition seien stark, die Gruppe befinde sich auf Wachstumskurs.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.