Einordnung zu Vorwürfen gegenüber ARZ-Haan-Tochter

Behaupteter Schaden durch Gewinne reichlich gedeckt

Süsel - 03.11.2023, 17:50 Uhr

Das ARZ Haan ist in den Schlagzeilen. Aber Grund zur Sorge müssen Apotheken in diesem Fall nicht haben. (Foto: ARZ Haan)

Das ARZ Haan ist in den Schlagzeilen. Aber Grund zur Sorge müssen Apotheken in diesem Fall nicht haben. (Foto: ARZ Haan)


Leistungsfähige Rechenzentren sind eine existenzielle Voraussetzung für die Arbeit der Apotheken. Darum sehen Apotheker bei Meldungen über Rechenzentren sehr genau hin - auch jetzt bei den Vorwürfen gegen eine Tochtergesellschaft des ARZ Haan. Doch der angeblich drohende Schaden wäre locker durch Gewinnvorträge gedeckt, stellt DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn in einer ersten Einordnung fest.

Nach den Erfahrungen mit der AvP-Insolvenz reagiert die Apothekenwelt empfindlich auf jede negative Nachricht zu einem Rechenzentrum. Darum sorgt die Meldung über einen mutmaßlichen Betrugsfall bei der RZH, einem Tochterunternehmen des ARZ Haan, für viel Aufmerksamkeit. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (F.A.Z.) hatte über mutmaßliche Scheinrechnungen berichtet, die von der RZH im Rahmen von Factoringfinanzierungen übernommen worden seien. Nach Angaben der F.A.Z. soll es dazu eine Anzeige und ein Ermittlungsverfahren geben. Das ARZ Haan hat die gegen die RZH gerichteten Vorwürfe in Bezug auf Abrechnungsbetrug zurückgewiesen.

Mögliche Schäden in Relation zur Bilanz sehen

Es verbietet sich in diesem Stadium, solche Vorwürfe zu kommentieren. Doch eine Frage muss gestellt werden: Was kann das für die Apotheken bedeuten? Das ist keine juristische Frage, sondern eine nötige wirtschaftliche Einordnung. Es geht nicht um die Vorwürfe, sondern um den möglichen Schaden, also um Zahlen und Bilanzen. Dabei können selbstverständlich nur die Zahlen berücksichtigt werden, die in der bisherigen Veröffentlichung behauptet werden. Bei diesen Zahlen fällt vor allem eines auf: Der genannte Betrag ist für die Arbeit eines großen Rechenzentrums nicht entscheidend und für das System nicht relevant. Nach Angaben der F.A.Z. geht es um Rechnungen über insgesamt 15,16 Millionen Euro, die sich auf zwei Jahre verteilen sollen. Ob jetzt überhaupt noch ein Schaden besteht, bleibt offen. Doch selbst wenn bei der RZH eine Wertberichtigung in dieser Höhe nötig werden sollte, wäre das aus den bestehenden Gewinnvorträgen locker zu finanzieren. Der ARZ-Haan-Konzern weist zum Jahresende 2022 in seinem Eigenkapital Gewinnvorträge von 53 Millionen Euro aus. Dann gäbe auch eine einmalige Abschreibung von 15 Millionen Euro keinen Anlass für irgendwelche Sparmaßnahmen, die das Geschäft berühren könnten. Es ginge auch nur um Positionen aus der Vergangenheit, aber nicht um die Zukunft. Das würde also die laufende Arbeit nicht beeinflussen. Mit dem Abrechnungsgeschäft des Mutterunternehmens hätte es ohnehin nichts zu tun. Denn es geht hier nicht um Abrechnungsgelder der Apotheken. Das ist der wichtigste Aspekt für die Apotheken.

Geschäftsbetrieb und Abrechnungsgelder unterscheiden

Die Noventi, der Marktführer unter den Apothekenrechenzentren, hatte im September für das Geschäftsjahr 2022 einen Verlust von 133 Millionen Euro auf Konzernebene gemeldet. Hier gab es allerdings nie einen Vorwurf, irgendjemand könnte in betrügerischer Absicht gehandelt oder sich persönlich bereichert haben. Der Verlust beruht auf einer großspurigen Expansionsstrategie, die inzwischen ausdrücklich beendet wurde. Dabei geht es aber um deutlich mehr Geld als in der Recherche der F.A.Z. zur ARZ-Haan-Tochter RZH. Bei der Noventi hatte das Eigenkapital zunächst nicht ausgereicht, um den Verlust vollständig zu decken. Allerdings hatte eine Kapitalerhöhung der Eigentümer im Frühjahr für frisches Geld gesorgt, und die Noventi verweist auf große stille Reserven. Außerdem korrigierte die Noventi ihre Strategie und setzte neue Vorstände ein. Sparmaßnahmen im Geschäftsbetrieb können durchaus Konsequenzen für die Apotheken haben, wenn beispielsweise eine Warenwirtschaftssoftware nicht weitergeführt wird oder Mitarbeiter abgebaut werden und damit vertraute Ansprechpartner fehlen. Dabei geht es aber „nur“ um die Gestaltung der Zusammenarbeit und um die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, nicht um Abrechnungsgelder. Das ist entscheidend für die Apotheken.

Spezieller Problemfall AvP

Ganz anders ist das alles bei der AvP Deutschland, die bekanntermaßen seit Jahren insolvent ist. Der Insolvenzverwalter hat schon bald nach Beginn seiner Arbeit auf offenbar betrügerische Handlungen hingewiesen, die auch die Abrechnungsgelder betrafen. Es fehlen also nicht nur Mittel des Unternehmens, sondern auch Abrechnungsgelder in großer Höhe. Der Fall ist so komplex, dass auch nach Jahren die Schadenshöhe nicht feststeht. Abrechnungsgelder und Mittel des Unternehmens wurden nicht getrennt. Daraufhin sind die Apotheker mit ihren Forderungen aus den Abrechnungen zu Gläubigern des insolventen Unternehmens geworden. Auch die Ansprüche der einzelnen Apotheken können den verbliebenen Mitteln nicht zugeordnet werden. Diese Herausforderung wird mit dem mittlerweile angenommenen Vergleich umschifft. Die entscheidenden Probleme für die Apotheken bei der AvP sind die Vermischung von Unternehmens- und Abrechnungsgeldern und die ungünstige Rechtsstellung der Apotheken bei der Forderungsabtretung ohne aufschiebende Bedingung. Das alles betrifft nur die AvP und ist nicht auf andere Rechenzentren zu übertragen. Doch der Problemfall AvP hat dafür gesorgt, dass die Apotheker jetzt genau hinsehen, wenn es um Rechenzentren geht.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Nicht passender Hinweis auf AVP- Pleite

von Hermann Vogel am 06.11.2023 um 16:01 Uhr

Die ausführlichen Wiederholungen des Autors durch Herrn Stephan (?) verdienen Anerkennung und Würdigung.
Schnelle Übernahmen von insolventen Unternehmen sind komplex und verursachen ggf. im Nachgang juristische Fragestellungen. Dem ist Rechnung zu tragen.
Dass der (gerichtlich bestellte) Insolvenzverwalter die Übernahme der WSD abgesegnet hat, sollten die Unschuldsvermutungen gegenüber der ARZ Haan bzw. der deutschen Apotheker und Ärztebank nicht mindern!
Es ist aber irreführend („Fake-News“), in diesem Zusammenhang Begriffe wie „to big to fail“ und den AVP-Skandal zu nennen! Letzterer verursachte einen Schaden im dreistelligen Millionenbereich. Übrigens, die in der Angelegenheit „WSD-Übernahme“ genannten ca. 15 Millionen entsprechen ungefähr 25% des nachweislichen Eigenkapitals der ARZ Haan.
Merke: Keine staatlichen Hilfsgelder haben im Jahr 2020 die von der AVP geschädigten Apotheken gerettet, sondern die sofortige Hilfe der ARZ Haan und andere Apothekenrechenzentren, sowie schnelle und unkomplizierte Darlehn - auch von der deutschen Apotheker und Ärztebank!

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AW: Nicht passender Hinweis auf AVP- Pleite

von Stephan am 06.11.2023 um 19:36 Uhr

Es mag noch unbedenklich sein, dass ihnen die einzige Analogie zur AVP (nämlich fehlende Kontrollmechanismen) nicht klar wird. Bedenklich ist hingegen ihr offensichtliches Rechtsverständnis in Bezug auf potenziell strafrechtlich relevante Handlungen.

Unterschiedliche Blickwinkel der FAZ und der DAZ

von Stephan am 05.11.2023 um 9:23 Uhr

Den Artikel der FAZ basierend auf dem vorliegenden Artikel der Deutschen Apothekerzeitung als "Fake News" abzutun, wie im vorherigen Kommentar geschehen, wird der Sache nicht gerecht. Es erschließt sich nicht, wie der Autor des vorherigen Kommentars zu diesem Schluss kommt. Die beiden Artikel behandeln den Sachverhalt um die WDS und den ARZ Konzern aus vollkommen unterschiedlichen Blickrichtungen.
Der Autor des FAZ-Artikels bezieht sich auf konkrete Unterlagen, die Teil eines Ermittlungsverfahrens sind.
Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass der Artikel der FAZ nicht zum Thema hat, ob der Konzern die Verluste würde tragen können. Das wird an keiner Stelle in Zweifel gestellt. Auch wird nirgendwo ein Zusammenhang zur Rezeptabrechnung der ARZ Service GmbH (bitte Gesellschaften richtig recherchieren, und die Übernahme erfolgte auch nicht durch die ARZ Haan AG, sondern durch die weitere Tochter ARZ Consulting GmbH!) "konstruiert"?!?
Was der Artikel der FAZ aber zum Thema hat, ist, dass eine Abschreibung in Höhe von 9 Mio. Euro Ende 2021 oder von über 15 Mio. Euro Ende 2022 das Jahresergebnis auch auf Konzernebene erheblich belastet und gegenebfalls sogar zu einem Verlustausweis geführt hätte (was selbstredend nicht zwangsläufig in einer Insolvenz mündet). Insbesondere da dieser Einschlag in das Ergebnis dann auf Abschreibungen auf Forderungen in genannter Höhe gegenüber einem einzigen Kunden zurückzuführen gewesen wäre, hätte man sich auf Seiten der ARZ wohl mit unangenehmen Fragen der Aktionäre, des Aufsichtsrats und auch des Wirtschaftsprüfers konfrontiert gesehen. Mit Blick auf die im Artikel der FAZ genannten möglichen Ursachen des hohen Forderungsbestands (mögliche Beteiligung eigener Mitarbeiter des ARZ Konzerns an einem groß aufgezogenen Rechnungsbetrug, mindestens aber das völlige Versagen der internen Kontrollen, wie sonst hätte eine WDS ansonsten einen so hohen Stand an Verbindlichkeiten gegen der RZH aufbauen können) wollte man diese Fragen offensichtlich nicht beantworten und hat daher nach Auswegen gesucht.
Auch die potenziell durch den Konzern ergriffenen Maßnahmen thematisiert der Artikel der FAZ mit der möglicherweise vorgenommenen Umschreibung überfälliger Rechnungen (was übrigens den Tatbestand der Bilanzfälschung erfüllen würde, sollte sich dieser Verdacht erhärten) und dem Ausscheiden des ehemaligen CFOs im Dezember 2022. Zumindest mit Blick auf die im FAZ Artikel dargestellte zeitliche Koinzidenz der Ereignisse wirkt der durch den Konzern proklamierte Grund für die Trennung doch arg konstruiert. Sollte hier doch ein Zusammenhang bestehen hätte der Konzern die Aktionäre, die breite Öffentlichkeit und den Aufsichtsrat getäuscht, um eigene Verfehlungen zu verschleiern.

Die im FAZ Artikel erhobenen Vorwürfe werfen zumindest ein zweifelhaftes Bild auf den Ungang mit eigenen Verfehlungen. Sollten sich die erhobenen Vorwürfe erhärten, wäre dies durchaus ein handfester Skandal, der intern wie extern mit allen Konsequenzen aufzuarbeiten ist.

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AW: Unterschiedliche Blickwinkel der FAZ und

von Hermann Vogel am 06.11.2023 um 21:18 Uhr

Muss die Weiterführung der ehemals insolventen WSD als negativ angesehen werden? Fehlerhafte Abrechnungen jeglicher Art sind selbstverständlich inakzeptabel. Im Fall der WSD die Credit Suisse und die AVP-Pleite (vergleichend) zu nennen, bleibt aber unverständlich.
Ob nicht funktionierende und/oder nicht vorhandene Kontrollmechanismen das Fehlverhalten von Mitarbeitern im Falle der WSD ermöglicht oder zugelassen haben bzw. ob strafrechtlich relevante Vorgänge hier stattgefunden haben, müssen jetzt Staatsanwaltschaft und Gerichte klären. Das Rechtsverständnis von Außenstehenden ist diesbezüglich irrelevant.

F.A.Z.- Bericht = Fake-News?

von Hermann Vogel am 04.11.2023 um 0:07 Uhr

Die Berichterstattung der F.A.Z. zu diesem Thema wirft folgende Frage auf:
„Warum wird hier ein nicht existierender Zusammenhang zwischen der (vielleicht problematischen) strategischen Übernahme der WSD durch die Konzern-Mutter ARZ Haan AG und der davon völlig unabhängigen Rezeptabrechnung durch die ARZ Haan GmbH bewusst konstruiert? Waren die eigenen Recherchen der F.A.Z. wirklich seriös und vollständig?
Liest man die „Recherche und Aufarbeitung“ von Dr. Müller-Bohn aufmerksam durch, kann man anschließend den Artikel in der FAZ eigentlich nur noch als „Fake-News“ einordnen. Warum der Autor hier gezielt Meinungsmache gegen apothekereigene Unternehmen betreibt, verwundert.
Übrigens, hat sich nicht genau dieses Redaktionsteam kurz vor dem Apothekertag 2023 auch dafür hergegeben, die Apothekenpläne von Minister Karl Lauterbach ohne Rücksprache mit den Apothekern in den Medien zu platzieren. Mit journalistisch verantwortungsvoller Berichterstattung kann man zukünftig bei der F.A.Z. wohl nicht mehr rechnen!

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