Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

29.08.2021, 07:30 Uhr

Ja, Versender wollen doch nur unser Bestes und die Krankenassen glauben, alles besser zu wissen. Wie schön! Wer glaubt denn sowas! (Foto. Alex Schlebert)

Ja, Versender wollen doch nur unser Bestes und die Krankenassen glauben, alles besser zu wissen. Wie schön! Wer glaubt denn sowas! (Foto. Alex Schlebert)


Same Day Delivery, die Vor-Ort-Apotheken können’s, die EU-Versender wollen’s – und spannen Vor-Ort-Apotheken dafür ein. Warum nur machen Apotheken den Logistiker für Versender? Ach ja,   Versender machen „grundsätzlich etwas Gutes“ – sagt der Zur Rose-Chef Oberhänsli und freut sich schon, wenn die Patienten ihren QR-Code fürs E-Rezept abfotografieren und an seinen DocMorris-Versender schicken. Zu gut, oder? Und noch ein Aufreger: Die AOK Sachsen-Anhalt retaxiert, wenn Apotheken die Akutversorgung per Botendienst erledigen. Das ist die Willkür der Kassen – krass, oder?  

23. August 2021

Für Arzneimittel-Versender heißt das Zauberwort: Same Day Delivery (SDD), also die rasche Zustellung des Auftrags noch am selben Tag. Das würden sie gerne anbieten können. Mein liebes Tagebuch, da können wir Vor-Ort-Apothekers nur müde lächeln, SDD ist unser genuines Metier, bei uns gibt’s alles noch am selben Tag, entweder vor Ort sofort zum Mitnehmen oder der Kunde holt es sich ein paar Stunden später ab oder unser Botendienst bringt’s. Aber die Versandhäuser lassen nicht locker: Sie wollen Vor-Ort-Apotheken in ihre Dienste einspannen, die dann in ihrem Auftrag die Rezepte beliefern sollen, um sich dann auch mit Same Day Delivery zu brüsten. Allen voran DocMorris, der händeringend Vor-Ort-Apotheken sucht, die für ihn den Liefer-Fuzzi machen. Die Patientinnen und Patienten mögen doch bitte bei DocMorris bestellen und die Apotheke vor Ort darf’s dann von DocMorris Gnaden vorbeibringen. Und ja, es gibt sie, die Apotheken, die sich dem Diktat des EU-Versenders unterwerfen und für ihn den Logistiker machen. Nach Angabe von DocMorris sollen bereits 95 Apotheken mitmachen, sie seien mit der Gesundheitsplattform DocMorris Express vernetzt. Auch die Shop-Apotheke mit Sitz in den Niederlanden will mit einem schnellen Lieferdienst, genannt „Now“ glänzen. Sie verrät allerdings nicht, wie viele Vor-Ort-Apotheken bei ihr mitmachen, man hört nur, dass sie bereits in 13 Metropolregionen tätig sei. Wenn Vor-Ort-Apotheken den Logistiker machen, den Steigbügelhalter für die EU-Versender – was steckt dahinter? Ist das Torschlusspanik oder Hilflosigkeit oder ein Vabanque-Spiel: einfach mal mitmachen und schauen was passiert? Wir wissen es nicht, mein liebes Tagebuch.

 

Der Streit um den Anschluss an die Telematik-Infrastruktur (TI) für Konnektoren des Anbieters Red Medical geht in die nächste Runde. Es konzentriert sich auf die Frage: Müssen Apotheken-Softwareanbieter ihre Warenwirtschaftssysteme an Konnektoren anschließen, die nicht von ihnen selbst vertrieben werden und die in einem Rechenzentrum stehen? Und dadurch vielleicht finanzielle Vorteile bieten? Konkret streitet sich zurzeit der Konnektoren-Anbieter Red Medical, der eine „Konnektorenfarm“ betreibt, mit mehreren Softwarehäusern, allen voran Pharmatechnik. Also, mal auf den Punkt gebracht: Die Apotheken-Softwarehäuser möchten, dass die Apotheken das gesamte Computer-Equipment, die Hardware, auch bei ihnen kauft, Prinzip: Alles aus einer Hand. Mein liebes Tagebuch, kann man verstehen, man verdient ja auch am Hardwareverkauf – aber funktioniert so die Welt? Red Medical hat bereits rechtliche Schritte unternommen, um seine Interessen durchzusetzen. Außerdem will dieses Unternehmen auch das Bundesgesundheitsministerium und die Gematik als Aufsichtsbehörde einspannen und Druck auf die Softwarehäuser machen. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich die „Interoperabilität“ gefordert, will heißen: Es sollen informationstechnische Anwendungen von verschiedenen Anbietern miteinander zusammenarbeiten können, ohne den Datenaustausch zu behindern. Damit soll auch der Wettbewerb unter den Anbietern solcher Geräte und Anwendungen gefördert werden. Mein liebes Tagebuch, wir werden sehen, wie dieser Streit weitergeht. Red Medical bittet seine Kunden, die Entwicklung abzuwarten, man habe noch bis Januar 2022 Zeit.

24. August 2021

Noch immer sitzen viele Apotheken auf Beständen von Grippeimpfstoffen, die sie in der vergangenen Saison aus der Nationalen Reserve des Bundes gekauft haben, aber in der Saison 2020/21 nicht mehr losgeworden sind, da die Nachfrage stagnierte. Ihre Hoffnung auf Entschädigung könnte bald in Erfüllung gehen. Das Bundesgesundheitsministerium lässt wissen, dass eine Rückerstattung per Verordnung geregelt werden soll: Bis zu 16 Mio. Euro sollen an die Apotheken ausgezahlt werden. Wie viel eine Apotheke zurückbekommt, richtet sich „nach der Anzahl der von den Apotheken nicht abgegebenen Impfstoffdosen und dem Apothekeneinkaufspreis je Dosis“, heißt es. Abgewickelt werden soll die Rückzahlung über den Deutschen Apothekerverband: Die Auszahlung soll dann über den Nacht- und Notdienstfonds laufen. Näheres dazu wird man in Kürze erfahren. Und, mein liebes Tagebuch, wie klingt das? 16 Millionen sind nicht die Welt, aber vielleicht bringen sie ein bisschen Verlustausgleich.

 

Endlich, es kann losgehen: Die Apotheken können nun auch Genesenenzertifikate ausstellen. Das Robert Koch-Institut hat die Funktion auf seinem Server freigeschaltet. Das DAV-Portal ist für diese Aufgabe laut ABDA bereits seit vergangener Woche gerüstet, eine Handlungshilfe für Apotheken steht bereit. Mein liebes Tagebuch, da steht dem Zertifizieren der Genesenendokumente doch nichts mehr im Weg – wenn man es denn anbieten will. 6 Euro gibt’s pro Zertifikat, abgerechnet wird über die Apothekenrechenzentren. Mein liebes Tagebuch, das hört sich doch geschmeidig an. Ich denke, die Vor-Ort-Apotheken sollten es tun und der Bevölkerung diesen Service bieten – EU-Versender sind da außen vor.

 

Auch darauf haben wir schon lange gewartet: auf einen medizinischen Messenger-Dienst. Ab Sommer 2022 soll es so weit sein: der „Telematik-Infrastruktur-Messenger“, kurz TI-Messenger, soll dann an den Start gehen. Zum Verständnis: Dieser Dienst zum Austausch von Infos und Kurznachrichten soll praktisch so eine Art „WhatsApp“ für die Ärzte- und Apothekerschaft“ werden. Es soll dabei keine Rolle spielen, welchen Messenger die Apothekerin und der Arzt benutzen, solange diese unterschiedlichen Messenger einen vorgegebenen Gematik-Standard für ein sicheres Übermittlungsverfahren verwenden. Die verschiedenen Messenger sollen also untereinander kommunizieren können. Mein liebes Tagebuch, also spätestens dann, wenn dieser TI-Messenger läuft, dann schalten wir in den Apotheken das Fax ab. Versprochen!

25. August 2021

„Was wir machen, ist grundsätzlich etwas Gutes“ – Vorsicht, mein liebes Tagebuch, wer so etwas sagt, den sollte man erstmal kritisch beäugen. Klingt irgendwie nach dem früheren Google-Verhaltenscodex und Unternehmensmotto „Don’t be evil“ (sei nicht böse) – Google hat dieses Motto übrigens 2018 aus seinem Codex entfernt. Grundsätzlich etwas Gutes zu machen – das glaubt (nun ja, vielleicht auch die ABDA? Aber die tönt nicht so) der Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli. Gesagt hat er es auf der Veranstaltung „Gesundheit digital – Meilensteine für eine digitale Medizin“ des health innovation hub (hih), bei der auch ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening dabei war. Großes Thema war u. a. das E-Rezept. Positiv stehen dem E-Rezept beide gegenüber, Oberhänsli und Overwiening, aber mit anderen Intentionen. Overwiening sieht im E-Rezept keine Bedrohung, sondern Vorteile, z. B. keine formellen Fehler, vereinfachte Abrechnung, sichere Patientendaten. Und ja, E-Rezept bedeutet nicht Versand. Allerdings müsste noch die Kundschaft von den Vorteilen des E-Rezepts überzeugt werden. Wie wahr! Auch für Oberhänsli bringt das E-Rezept nur Vorteile, wie er wissen ließ. Allerdings versuchte er, die ihm zugeschriebene Aussage, sein Unternehmen wolle in den nächsten fünf Jahren den Marktanteil im Rx-Markt von derzeit 1 Prozent auf 10 Prozent erhöhen, zu relativieren: Das E-Rezept solle den Rx-Anteil sicher steigern, aber auf eine Zahl wolle er sich nicht festlegen. Mein liebes Tagebuch, ist das „das grundsätzlich Gute“? Vielleicht noch nicht ganz, denn Oberhänsli träumt auch von einer Plattform, die mehrere Player verknüpft und damit Mehrwert für die Patienten generiert. Sein „gutes“ Petitum: Lassen Sie uns doch diese Plattformen – es wird ja nicht nur eine sein – letztlich gemeinsam anstreben und bitteschön das Feld nicht denjenigen überlassen, die wirklich niemand will, damit meine ich Amazon und Konsorten“. Mein liebes Tagebuch, das klingt ein bisschen wie aus dem Märchen mit dem Wolf im Schafspelz. Denn schon in seinen weiteren Ausführungen wird der Zur Rose-Chef deutlicher: Während die ABDA-Präsidentin eindringlich davor warnt, dass die Kunden auf die Idee kommen könnten, ihren ausgedruckten QR-Code fürs E-Rezept  nicht in die Apotheke zu tragen, sondern abzufotografieren und an DocMorris zu senden (Overwiening: So einen Bruch dürfe man nicht zulassen), feixt Oberhänsli ganz unverhohlen: "Warum denn nicht?“, nur her mit den QR-Codes. Mein liebes Tagebuch, so viel zum grundsätzlich Guten.

 

Letzte Woche hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Krauß eine stundenweise Vertretungsbefugnis für PTA ins Spiel gebracht, um Personalengpässe in Apotheken zu überbrücken. Der Bundesverband PTA ist hoch erfreut über diese Idee, die ABDA not amused. In ihrem regelmäßig stattfindenden Live-Talk auf Facebook macht ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening deutlich, was sie von diesem Vorschlag hält: Nichts. Die ABDA lehne auch eine stundenweise Vertretungsbefugnis für PTA kategorisch ab. Mein liebes Tagebuch, bei allem Verständnis, dass auch mal eine Apothekerin, ein Apotheker z. B. in einer Landapotheke „mal gschwind“ eine kleine Besorgung erledigen möchte und den Laden der PTA überlässt: Wir dürfen das nicht zulassen. Ich kann da Overwiening nur zustimmen: Es kann jederzeit zu Nachfragen oder Interventionen kommen, wo man ein profundes pharmazeutisches Wissen braucht, damit Patienten gut versorgt werden. Außerdem, mein liebes Tagebuch, wie rasch würde sich so eine „stundenweise Vertretungsbefugnis“, die im Prinzip nicht zu kontrollieren ist, ausweiten. Auch die Bundesapothekerkammer hat sich mittlerweile gegen den Vorschlag des CDU-Politikers Krauß gestellt: „Wir lehnen die stundenweise Vertretung von Apothekerinnen und Apotheker durch PTA als nicht zielführend ab.“

26. August 2021

Der Aufreger der Woche: Die AOK Sachsen-Anhalt retaxiert eine Apotheke, die eine Buprenorphin-Verordnung und ein Venlafaxin-Rezept sowohl mit der Sonder-PZN für eine Akutversorgung als auch mit der für den vergüteten Botendienst bedruckt. Was ist daran auszusetzen, was ist da nicht zulässig? Nichts, mein liebes Tagebuch, es ist die Willkür der Krankenkasse, die einfach davon ausgeht, dass ein „Botendienst bei Akutversorgung unzulässig“ sei. Krass, oder? Wo steht das geschrieben? Nirgends. Das Deutsche Apothekenportal, ein Dienst der sich mit Retax auskennt, sagt klipp und klar: „Eine Vorschrift oder Vereinbarung, die den Botendienst in direkten Zusammenhang mit einer Akutversorgung stellt oder den GKV-Kassen gar Retaxationen erlaubt, wenn beide Versorgungsfälle gleichzeitig erforderlich werden, existiert nicht“, eine solche Regelung sei auch „widersinnig“. Vollkommen richtig, mein liebes Tagebuch, gerade Arzneimittel, die in der Akutversorgung benötigt werden (z. B. starke Schmerzmittel), müssen doch so rasch wie möglich zu den Patienten gelangen. Wir müssen uns gegen solche Kassenwillkür wehren! Aber sofort!

27. August 2021

Und nochmal muss der Deutsche Apothekerverband ran: bei den sogenannten Hash-Codes. Es sind die 40-stelligen Ziffernfolgen, die die Apotheken seit dem 1. Juli für Cannabis-Verordnungen und Substitutionsarzneimittel aufs Rezept drucken müssen. Diese Codes verlinken das Papierrezept mit den elektronisch übermittelten Abrechnungsdaten, die an die Kassen übermittelt werden. Die Vorgaben zur Umsetzung dieser Hash-Codes seien allerdings unpräzise und missverständlich gewesen, sagen die Softwarehäuser, und konnten daher nicht korrekt umgesetzt werden. Die Folge: fehlerhaft bedruckte Rezepte, die die Krankenkassen nun den Apotheken zurückschicken. Die Verbände der Softwarehäuser und Rechenzentren (ADAS und VDARZ) sprechen sich daher für eine Friedenspflicht mit den Krankenkassen aus: Der Deutsche Apothekerverband möge doch eine Friedenspflicht für solche Rezepte beantragen, die fehlerhaft bedruckt sind. Mein liebes Tagebuch, das wird sich doch machen lassen!   



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Apo-Apo Feind, Arzt-Arzt Phalanx

von Thomas Kerlag am 29.08.2021 um 9:30 Uhr

Wenn sich einer so hilflos fühlt, dass er sich dem Oberhansl zum Fraß vorwirft soll er lieber gleich
zumachen, anstatt andere zu gefährden

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