Retaxation

Akutversorgung per Bote – geht das?

Stuttgart - 26.08.2021, 07:00 Uhr

Schließt eine Akutversorgung die Botendienstlieferung eines Arzneimittels aus? Die AOK Sachsen-Anhalt sagt ja, rechtlich scheint sie aber keine Grundlage zu haben. (Foto: matiasdelcarmine / AdobeStock)

Schließt eine Akutversorgung die Botendienstlieferung eines Arzneimittels aus? Die AOK Sachsen-Anhalt sagt ja, rechtlich scheint sie aber keine Grundlage zu haben. (Foto: matiasdelcarmine / AdobeStock)


Darf ein Arzneimittel der Akutversorgung dienen und dann per Botendienst gebracht werden? Die AOK Sachsen-Anhalt sieht in der gleichzeitigen Akutversorgung und Verbringung auf jeden Fall einen unüberwindbaren Widerspruch – und hat eine Apotheke deswegen retaxiert.

Die Apotheke hatte im Mai 2020 je eine Buprenophin-Verordnung und ein Venlafaxin-Rezeot sowohl mit der Sonder-PZN für eine Akutversorgung (02567024 mit dem Faktor 5) wie auch mit der für den vergüteten Botendienst bedruckt. Zur Erinnerung: Seit 22. April 2020 dürfen Apotheke aufgrund der  SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung (SARS-CoV-2-AMVersVO) Botendienste mit der Krankenkasse abrechnen, zunächst waren dies 5 Euro netto (5,95 Euro inklusive USt.) pro Lieferort und Tag, ab dem 1. Oktober wurde die Vergütung auf 2,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer gekürzt. Ziel des Botendienstes war, das Infektionsrisiko durch reduzierte Kontakte zu verringern.

Nun begründet die AOK Sachsen-Anhalt ihre Absetzung damit, dass ein „Botendienst bei Akutversorgung unzulässig“ sei. Doch ist es umgekehrt überhaupt zulässig, eine Apotheke deswegen zu retaxieren? Dieser Frage gingen die Retaxexperten des DeutschenApothekenPortal (DAP) nach. Gibt es eine Vorschrift, die den Botendienst bei Akutversorgung ausschließt?

Keine Vorschrift verbietet Akutversorgung über Botendienst

Dem DAP ist eine solche Regelung nicht bekannt. „Eine Vorschrift oder Vereinbarung, die den Botendienst in direkten Zusammenhang mit einer Akutversorgung stellt oder den GKV-Kassen gar Retaxationen erlaubt, wenn beide Versorgungsfälle gleichzeitig erforderlich werden, existiert nicht“, erklärt das DAP. In den Augen des DAP sei eine solche Regelung auch „widersinnig“. Schließlich träten in jeder öffentlichen Apotheke häufiger Fälle auf, in denen sowohl eine Akut-/Notversorgung als auch die Zustellung über den Botendienst zum Patienten gleichzeitig erforderlich werden.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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8 Kommentare

AOK hat Recht

von Hans Olo am 27.08.2021 um 9:18 Uhr

"Schließlich träten in jeder öffentlichen Apotheke häufiger Fälle auf, in denen sowohl eine Akut-/Notversorgung als auch die Zustellung über den Botendienst zum Patienten gleichzeitig erforderlich werden."

Wirklich? Wo? Wann? Wie sieht das denn aus? Hab ich noch nie gesehen. Wer denkt sich denn sowas aus? Wie ist das denn zu rechtfertigen?
Bote: AM war nicht vorrätig, wurde bestellt und wird dann geliefert.
Akut: RABATT war nicht vorrätig, Patient wurde mit aut-idem AM versorgt. Und zwar IN DER APOTHEKE! SOFOT! Wie kann man hier denn argumentieren, man bringt das AM dann nach Hause? Was ist daran denn noch AKUT?

Die KK hat Recht hier zu retaxieren. Bote und Akut geht gar nicht.

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AW: AOK hat Recht

von Eimerle Oho am 27.08.2021 um 10:31 Uhr

Sorry, Herr Hans Olo, aber aus der PRAXIS kommen Sie wohl nicht... nur ein paar Beispiele aus der Praxis:
Palliativ-Versorgung (teils auch am Wochenende, oder sind Sterbende keine Menschen?)
Akut-Versorgung immobiler Patienten (natürlich könnten die auch ein paar Wochen auf den Versand warten oder auf das irgendwann lieferbare Rabattarzneimittel)
Personen mit Akut-Bedarf in Quarantäne (aber vermutlich haben Sie, Herr Olo, die letzten anderthalb Jahre im Keller-Home-Office verschlafen)
etc.
Das passiert täglich. Es geht im oben geschilderten Fall um ein starkes Schmerzmittel. Vielleicht sind Sie so stark oder kräftig, dass Sie nichts aus der Bahn wirft - im Normalfall freut sich jeder Schmerzpatient auf das Medikament, dass so schnell wie irgend möglich zu ihm kommt.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie NIE darauf angewiesen sein werden! Ansonsten lassen Sie uns einfach nur vernünftig unsere Arbeit machen: Patienten schnell und gut zu versorgen. Und was die Kranke Kasse hier veranstaltet, das geht gar nicht. Die sollen wieder in hier warmes Home-Office kriechen und die Patienten und Leistungserbringer in Frieden lassen.
Danke.

Wo ist das Problem?

von T. La Roche am 26.08.2021 um 10:59 Uhr

Man sieht, dass das Nichtrabatt-AM eh schon in Bestellung ist und in 30 Minuten vom Großhandel geliefert wird. Rabatt-AM kommt erst in 3-4 Stunden oder noch später aus Verbund oder erst am nächsten Mittag, weil nachts keine BTM geliefert werden.
Schmerzpatient muss nicht 30 Minuten warten...es wird nach Hause geliefert.

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Betrug und kriminelle Abzocke!

von Thomas Eper am 26.08.2021 um 10:45 Uhr

Bin mal gespannt, ob jemand in Deutschland in der Lage ist diesen Skandal der betrügerischen Abzocke der Apotheken zu beenden!?

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AW: Betrug und kriminelle Abzocke

von Thomas Kerlag am 28.08.2021 um 8:52 Uhr

Sind Sie ahnungslos oder was anderes?

Gegensatz?

von Karl Friedrich Müller am 26.08.2021 um 10:28 Uhr

warum sollte sich das widersprechen, Akutversorgung und Botengang?
Dringend benötigt und gleich gebracht! Das macht erst recht Sinn!
Wahrscheinlich kann das nur ein Versender abrechnen
Die Kassen nehmen die geringste Chance wahr, uns zu schaden, Zechprellerei zu betreiben

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Retaxationen

von Schlenker am 26.08.2021 um 9:17 Uhr

Für mich ist die Frage - wann hört das endlich überhaupt auf mit den Retaxationen ?- wir haben mittlerweile Personalmangel bei unserem pharmazeutischen Personal, schaffen es gerade noch die normale Arbeit zu bewältigen - keine Entlastung in Sicht - es werden immer noch nicht mehr Apotheker ausgebildet etc etc. Warum kann man uns Apotheken nicht endlich entlasten ? Wo ist die ABDA, LAV und LAK, um uns politisch vor den Retaxationen zu befreien ? Wir brauchen nicht mehr Bürokratie sondern weniger, damit wir die normale Arbeit in Zukunft noch bewältigen können, ohne Angst davor zu haben, aufgrund von Retaxationen auch noch für die ganze Arbeit nicht bezahlt zu werden....wenn es nicht bald wieder attraktiver wird als Selbstständiger zu arbeiten, dann wird es unsere Apothekenwelt -so wie wir sie kennen- sowieso bald nicht mehr geben...sehr schade.....

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neue Tricks

von Ralf Schabik am 26.08.2021 um 8:11 Uhr

war doch absehbar: Die Corona-Erleichterungen haben in den Apotheken dazu geführt, dass endlich mal wieder Pragmatismus Einzug halten konnte. Dabei ist der eine oder andere Rabattvertrag unter die Räder gekommen. Dass sich die Kassen mit diversen Tricks entgangene Einnahmen zurückholen, war zu erwarten. Diese menschenverachtende Frechheit der AOK Sachsen-Anhalt ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, die mittlerweile zunehmend im Briefkasten landen ...

Die Kassen und ihre Retaxstellen hatten ja während der Zeit im Couch-Office genügend Zeit, sich neue Repressalien auszudenken ... während die Leistungsträger an der Virenfront das Leben aufrecht erhalten haben ...

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