Interview mit der Schweizer Apothekerin Pharmama

Impfen in der Apotheke: Erfahrungen aus der Schweiz

Stuttgart - 13.11.2018, 07:00 Uhr

In der Schweiz dürfen ausgebildete Apotheker seit 2015 impfen. (c / Foto: Pharmama)

In der Schweiz dürfen ausgebildete Apotheker seit 2015 impfen. (c / Foto: Pharmama)


„Bei akuten Impfreaktionen? Da machen wir dasselbe wie die Ärzte“

DAZ.online: Gegner argumentieren, Apotheker könnten nicht eingreifen, wenn es tatsächlich mal eine akute Impfreaktion gibt. Teilen Sie die Bedenken oder fühlen Sie sich ausreichend vorbereitet?

Pharmama: Die akute Impfreaktion ist der anaphylaktische Schock. Er tritt zum Glück wirklich selten auf. Und wenn, machen wir nichts anderes, als die Ärzte in diesem Fall auch tun: Patient hinlegen, Adrenalin geben, die Sanität anrufen und den Kreislauf aufrechterhalten, bis der Rettungsdienst kommt und den Patienten ins Spital bringt. Wir haben eine Ausbildung für solche Notfälle gemacht und machen mindestens alle Jahre wieder die entsprechenden Schulungen. Wichtig ist hier auch die Vorbereitung. Eine anaphylaktische Reaktion hat meist vorher schon Warnzeichen, zum Beispiel Probleme bei bisherigen Impfungen oder Medikamentenallergien. Und darauf achten wir bei der Abklärung, ob wir impfen können, besonders. Wir wurden ja von Ärzten ausgebildet, einer davon hat tausende Impfungen am Tropeninstitut (Reisemedizin) gemacht. Selbst dort ist das nur insgesamt dreimal aufgetreten, und da bestand auch schon vorher der Verdacht, dass das passieren könnte. Deshalb haben sie die jeweiligen Patienten gleich im Spital geimpft und nicht im Institut.

DAZ.online: Gab es bei Ihnen schon mal einen Zwischenfall?

Pharmama: Nein, zum Glück nicht. Bisher ist noch nicht einmal jemand ohnmächtig geworden, weil sie (oder er, es sind anscheinend meist junge Männer, bei denen das passiert) Angst vor der Spritze hatte. Die Synkope kommt um einiges häufiger vor als der anaphylaktische Schock, ist aber harmlos.


Impfen ist eine Stärkung unserer Kompetenzen und dient durchaus auch dazu, unser Ansehen in der Bevölkerung weiter zu verbessern.“

Pharmama, Bloggerin und impfende Apothekerin aus der Schweiz


DAZ.online: Finden Sie, dass es sich für Apotheker lohnt, zu impfen – finanziell, aber auch aus anderen Gründen, zum Beispiel, weil es die heilberufliche Kompetenz stärkt?

Pharmama: Finanziell dürfte es noch etwas dauern, bis sich meine Ausbildung refinanziert hat, aber es ist eine Stärkung unserer Kompetenzen und dient durchaus auch dazu, unser Ansehen in der Bevölkerung weiter zu verbessern. Außerdem finde ich es toll, dass wir damit ein wirklich funktionierendes Werkzeug zur Gesundheitsprophylaxe in die Hand bekommen und die Durchimpfungsrate sich dadurch verbessern wird.

DAZ.online: Kann man da für die Schweiz sogar schon etwas dazu sagen?

Pharmama: Nach dem was ich gelesen habe, hat sich zumindest bei der Grippeimpfung die Impfquote schon verbessert. Für den Rest ist die Statistik noch ausstehend.

DAZ.online: In Deutschland kommen die Ärzte ja, sobald Apotheker weitere Kompetenzen fordern, reflexartig mit dem Dispensierrecht. In der Schweiz gibt es das ja vielerorts ohnehin. Wie hat sich das Impfrecht der Apotheker auf das Verhältnis zu den Ärzten ausgewirkt?

Pharmama: Auch dazu habe ich einen Blogpost geschrieben: Politische Geschenke an Apotheke und Arzt? Impfen und Selbstdispensation.“

Die Selbstdispensation gibt es (schon länger) in einigen Kantonen. Auch hier ist das unterschiedlich geregelt, ob der direkte Verkauf der Medikamente durch die Ärzte erlaubt ist oder nicht. Leider hat sich gezeigt, dass nach Einführung der Selbstdispensation die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheke schlechter wird – immerhin sieht da der Arzt den Apotheker auf einmal als Konkurrenz. Man kann sich vorstellen, dass das mit dem Impfen auch so ist. Diesmal „nimmt“ halt umgekehrt der Apotheker dem Arzt einen Teil der Arbeit ab. Andererseits: Wir sind sehr eingeschränkt darin, wen wir impfen dürfen, nämlich erst ab 16 Jahren. Das bedeutet, die Kinderärzte behalten die Patienten. Dasselbe gilt für Frauenärzte: Schwangere impfen wir nicht. Unterschiedlich wird das bei chronisch Kranken gehandhabt: Wir dürfen Leute unter Blutverdünnern nicht impfen. Wer regelmäßig zum Arzt geht, bei dem kann der Arzt weiterhin impfen. Für die hat das außerdem den Vorteil, dass das dann die Krankenkassen bezahlen.

Ich selber habe bisher keine Reklamationen der umliegenden Ärzte gehabt betreffend Impfungen bei uns. Das könnte auch daran liegen, dass die mit den Patienten, die sie haben, schon gut ausgelastet sind.

Impfpflicht

Vakzination

Impfpflicht

DAZ.online: Hat sich das Impfrecht darauf ausgewirkt, wie die Bevölkerung die Apotheker sieht, oder ist es noch zu früh, das zu sagen?

Pharmama: Viele wissen das mit dem Impfen in der Apotheke noch immer nicht. Aber die Reaktionen, die ich in der Apotheke habe bis jetzt, sind durchgehend positiv. Ein paar waren enttäuscht, weil ich nicht alles impfen darf. Und ein, zwei sind dann trotzdem lieber zum Arzt gegangen, weil es sicher von der Krankenkasse übernommen wird.

DAZ.online: Würden Sie sich noch mehr heilberufliche Kompetenz für Apotheker wünschen?

Pharmama: Ja. Das kommt aber auch. Ich darf jetzt schon einiges mehr als die deutschen Apotheker: Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten im Ausnahmefall ohne Rezept, Vorbezüge, Dauerrezepte (und verlängern derselben), impfen, Wunden verarzten, Zecken entfernen, Triage (eigentlich fällt das schon unter Diagnose) wie Hautprobleme erkennen. Wichtig ist, dass das angemessen vergütet wird. Auch bei uns zahlen die Krankenkassen noch lange nicht alles, aber wenn wir nachweisen können, dass das einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der Patienten hat, wird auch das kommen.

DAZ.online: Vielen Dank für das Gespräch!



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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