Berichte

DPhG: Zweiter Workshop zur Ausbildung im Fach Klinische Pharmazie

Da die Einführung der Klinischen Pharmazie an den Universitäten und die Inhalte dieses Faches zurzeit intensiv diskutiert werden, veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft Klinische Pharmazie der DPhG am 23. und 24. Juni den zweiten Workshop zur Ausbildung im Fach Klinische Pharmazie in Bonn. Die Veranstaltung, organisiert von Dr. C. Kloft, Berlin, und Dr. M. Kassack, Bonn, wurde durch die Dr. August und Dr. Anni Lesemüller-Stiftung sowie die Bayer Vital AG finanziell unterstützt. Knapp 70 Teilnehmer aus der Hochschule (Dozenten und Studenten) sowie praktisch tätige Apotheker aus dem Krankenhaus, der Industrie und den Standesorganisationen diskutierten Konzepte zum Inhalt und zur Organisation von Lehrveranstaltungen, um einen Leitfaden zur Umsetzung der Klinischen Pharmazie in der Ausbildung zu erarbeiten.

Während der letzten Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft im November 1999 wurde die Notwendigkeit gesehen, weiter über die Umsetzung des Fachs an den Universitäten zu diskutieren, um rechtzeitig zur Einführung der neuen Approbationsordnung für das Fach realistische Konzepte erarbeitet zu haben. Auf der Basis der Ergebnisse des ersten Workshops im September letzten Jahres (s. DAZ 1999 Nr. 42, S.4057) sollten für ausgewählte Themengebiete Vorgaben für Lehrveranstaltungen erarbeitet werden. Als Einstieg dienten Vorträge von Referenten aus den USA, England und den Niederlanden über die dort gemachten Erfahrungen mit der Klinischen Pharmazie in der Lehre.

USA: direkter Patientenkontakt in der Klinik

Professor W. Riffee, der Dekan der pharmazeutischen Fakultät an der Universität von Florida in Gainesville, berichtete zunächst über die Entwicklung des Pharmaziestudiums an seiner Universität. Ausgehend von dem Gedanken, welche Anforderungen die Gesellschaft heute an den Apotheker stellt, wurde das Pharmaziestudium grundlegend geändert. Heute beginnt das Studium mit den "Basic sciences", im Laufe des Studiums rücken jedoch die so genannten "Clinical sciences" zunehmend in den Vordergrund. Professor H. Derendorf, ebenfalls aus Gainesville, ist vielen Apothekern und Studenten aufgrund seiner häufigen Vortragsreisen in Deutschland und wegen des Lehrbuchs "Pharmakokinetik" hinlänglich bekannt. Er gab einen Überblick über die verschiedenen Angebote für Pharmaziestudenten. Die Pharmazie in Gainesville besteht aus Medicinal Chemistry, Pharmacodynamics, Health Care Administration, Pharmaceutical Practice sowie Pharmaceutics. Außerdem beinhaltet das Studium nur wenige Übungen im Labor; dagegen wird ein Schwerpunkt auf klinisch-pharmazeutische und medizinische Fächer wie Physiologie, Krankheitslehre und Pharmakotherapie gelegt. Professor P. Doering, der in Gainesville das Arzneimittelinformationszentrum leitet, beschrieb die praktischen Unterrichtsveranstaltungen, die einen großen Teil des Hauptstudiums ausmachen. Die Studenten durchlaufen im letzten Studienjahr verschiedene Stationen im Krankenhaus wie Pädiatrie, Onkologie, Innere Medizin usw. Später besteht die Möglichkeit zur Spezialisierung in einem bestimmten Fachgebiet. Eine weitere wichtige Station ist das Arzneimittelinformationszentrum, wo sowohl andere Heilberufler als auch Patienten zu Fragen der Arzneitherapie beraten werden. Insgesamt zeigte sich, dass sich das Pharmaziestudium in den USA fundamental von der deutschen Apothekerausbildung unterscheidet. Viele Ausbildungsteile sind sehr empfehlenswert, da der Patient hier im Mittelpunkt des Interesses steht. Sicherlich lässt sich einiges in Deutschland nicht umsetzen, da wir die Pharmazie primär als naturwissenschaftliches Fach verstehen und dementsprechende Kenntnisse im Grundstudium vermittelt werden müssen.

England: Übungen zur Patientenberatung

Katja Taxis berichtete über ihre Erfahrungen an der School of Pharmacy der University of London. Im Allgemeinen ist das Pharmaziestudium vom Aufbau in England eher mit dem in Deutschland vergleichbar. Im Hauptstudium nehmen dann Übungen zur Belieferung einer Verschreibung (in England ist das Auseinzeln üblich), zur Herstellung und zur Beratung einen breiten Raum ein. Das College of Pharmacy ist mit zwei Lehrkrankenhäusern vernetzt, auf die Studenten für Praktika verteilt werden können. Im Unterschied zur Ausbildung in den USA nimmt aber in England der direkte Patientenkontakt in der Klinik einen geringeren Raum ein. Dafür werden in Übungen zur Beratung Kenntnisse und Fertigkeiten für das Gespräch mit dem Patienten vermittelt.

Niederlande: Klinische Pharmazie erst am Ende des Studiums

Den Aufbau des Pharmaziestudiums in den Niederlanden beschrieb Professor J.H. Glerum aus Utrecht, der es verstand, das Thema mitreißend zu beschreiben. Während der ersten drei Jahre des sechsjährigen Studiums werden, vergleichbar mit der Situation in Deutschland, die wissenschaftlichen Grundlagen vermittelt. Der Großteil des vierten Jahres wird durch Arbeit in einer Forschungsgruppe abgeleistet. Daneben sind Kurse zu belegen und eine Literaturrecherche durchzuführen. Vor der Approbation muss der Student dann noch zwei Jahre praktisch gearbeitet haben. Während dieser Zeit werden auch Kurse in Klinischer Pharmazie besucht, in denen Themen wie klinische Studien, klinische Pharmakokinetik, Ernährung usw. behandelt werden. Großer Wert wird auch auf die Präsentation in Form von Referaten gelegt. Abschluss bildet die Ausrichtung einer Fortbildungsveranstaltung für niedergelassene Apotheker, bei der die Studenten ein Spezialgebiet auf hohem Niveau in einem Vortrag oder Poster darstellen müssen. Professor Glerum führte aus, dass die Klinische Pharmazie auf den Kenntnissen der anderen Fächer aufbaut und daher am Ende des Studiums angesiedelt sein muss.

Klinische Pharmazie an deutschen Universitäten

Im Anschluss berichtete Professor U. Jaehde, Universität Bonn, kurz über die Ergebnisse des ersten Workshops zur Ausbildung in Klinischer Pharmazie, der im September letzten Jahres ebenfalls in Bonn stattfand. Dort wurden bereits erste Konzepte zur inhaltlichen Gestaltung von Lehrveranstaltungen, Einführung neuer Lernmethoden, Qualifikation des Lehrpersonals und Umsetzung an den Universitäten erarbeitet, die die Grundlage für die Diskussionen in den Arbeitsgruppen auf diesem Workshop darstellten. Danach folgten acht Kurzvorträge zu derzeitigen Lehrveranstaltungen in Klinischer Pharmazie an verschiedenen Universitäten in Deutschland, Lehrmethoden sowie speziellen Themengebieten und Projekten. Dr. S. Amann berichtete von der Vortragsreihe Klinische Pharmazie in München, die seit dem Sommersemester 1999 von Krankenhausapothekern aus dem Gesprächskreis Klinische Pharmazie durchgeführt wird. Die Vorträge decken ein breites Spektrum der Arbeitsgebiete von klinisch-pharmazeutisch tätigen Apothekern ab. Es ist bemerkenswert, dass die Veranstaltung von Krankenhausapothekern selber ohne große Unterstützung durch die Universität aufgebaut worden ist. Frau Priv.-Doz. I. Krämer liest seit 1996 eine Vorlesung mit einer Semesterwochenstunde zur Klinischen Pharmazie in Mainz. Schwerpunkte der Veranstaltung sind Onkologie, Infektiologie, Blutprodukte und Therapie mit Antikoagulantien. An der Universität Bonn wird neben einer Vorlesung und dem Kurs in Klinischer Pharmazie eine Vorlesung "Pharmakoepidemiologie und Pharmakoökonomie" angeboten. Inhalte sind unter anderem die Arzneimittelanwendungsforschung, Disease Management und Evidenz-basierte Medizin, berichtete Dr. I. Schubert. Im Rahmen des Kurses "Klinische Pharmazie" an der Freien Universität Berlin werden Fälle aus der pharmazeutischen Praxis in Kleingruppen bearbeitet. Anhand von Recherchen, so Dr. J. Brüggmann, sollen die Studenten z.B. mögliche Interaktionen und Therapieverbesserungen erarbeiten und dies anschließend vor dem gesamten Kurs präsentieren. Dr. O. Frey, Heidenheim, berichtete über seine Erfahrungen mit dem Pharmakokinetik-Programm Pharkin 3.0, mit dem man Blut- oder Plasmakonzentrationszeitverläufe visualisieren kann. So lässt sich z.B. die Änderung eines pharmakokinetischen Parameters wie der Clearance Ärzten, Pflegepersonal oder Studenten gut veranschaulichen und damit das Verständnis für pharmakokinetische Probleme wecken. Dr. M. Römer, Leverkusen, stellte dar, welche Defizite Studenten aus der Sicht der Industrie bei Einstieg ins Berufsleben haben und welche Änderungen in der Ausbildung aus seiner Sicht notwendig wären.

Marburger Projekt

T. Steimle, Marburg, E. Christmann, Aachen, und Dr. R. van Gemmen, Freiburg, berichteten über Projekte zur Pharmazeutischen Betreuung. Neben einer Veranstaltung im Rahmen des Fertigarzneimittelseminars an der Universität Marburg werden im Praktischen Jahr Wochenendseminare und Projektgruppen angeboten. Weitere Informationen zu dem Marburger Projekt können im Netz unter http://www:pharma-care.de gefunden werden. Zur intensiveren Diskussion ausgewählter Themenbereiche und deren Umsetzung in der Lehre wurden fünf Arbeitsgruppen gebildet: Dosisindividualisierung und TDM, Klinische Studien, Ernährungstherapie, Pharmakotherapie sowie Pharmazeutische Betreuung und Pharmakoepidemiologie/-ökonomie. Die Gruppen erarbeiteten Vorschläge, die dann im Plenum vorgestellt und intensiv diskutiert wurden. Aus den Ergebnissen soll dann zusammen mit den Ergebnissen des ersten Workshops ein Leitfaden zur Umsetzung der Klinischen Pharmazie in der Ausbildung zusammengestellt und in Kürze veröffentlicht werden. Alles in allem war es eine sehr konstruktive Veranstaltung, die sich durch die gute Qualität der Präsentationen und ein hohes Engagement aller Teilnehmer auszeichnete.

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