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Ausbildung: Welchen Beitrag leistet die Klinische Pharmazie?

Seit dem 1. Oktober 2001 gilt die novellierte Approbationsordnung. Zentrale Änderung ist die Einführung der Klinischen Pharmazie als fünftes Prüfungsfach. Auf dem Workshop "Profilbildung in der Pharmazeutischen Ausbildung: Welchen Beitrag leistet die Klinische Pharmazie?" am 28. und 29. September in Marburg diskutierten etwa 60 Teilnehmer die Erwartungen der Öffentlichkeit und der Beteiligten im Gesundheitssystem an die Apothekerausbildung sowie die zukünftige Rolle des Apothekers im Gesundheitswesen. Der Workshop knüpfte an die Marburger Workshops von 1995 und 1998 sowie die Bonner Workshops in den Jahren 1999 und 2000 an. Erstmalig wurde der Workshop von vier pharmazeutischen Gesellschaften, deren Arbeitsschwerpunkte im Bereich der Klinischen Pharmazie liegen, zusammen ausgetragen. Beteiligt waren die Deutsche Gesellschaft für Klinische Pharmazie, die Arbeitsgemeinschaft Klinische Pharmazie in der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG), der Ausschuss Klinische Pharmazie der ADKA und die Deutsche Sektion der ESCP.

Am ersten Tag des Workshops wurden die Erwartungen der Gesellschaft und der Fachöffentlichkeit an den Apotheker in Form von Podiumsdiskussionen erörtert, an denen neben Apothekern aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen auch ein Arzt und ein Patient teilnahmen. Am zweiten Tag wurde die Umsetzung des Fachs Klinische Pharmazie an den Hochschulen und der Beitrag der Klinischen Pharmazie zum zukünftigen Profil der Pharmazie in Arbeitsgruppen herausgearbeitet und anschließend im Plenum vorgestellt. Den Abschluss der Tagung bildeten die Mitgliederversammlungen der vier Gesellschaften, zu denen jeweils auch die Mitglieder der anderen Gesellschaften Zugang hatten.

In seiner Einführungsrede betonte Dr. R. Radziwill, Fulda, dass durch die Novellierung der Approbationsordnung vor allem Fächer übergreifendes Denken und verantwortungsvolles Handeln gefördert werden soll. Die Pharmazie soll sich stärker am Patienten orientieren. Der Apotheker sollte sich in Zukunft zusätzlich zu logistischen Fragestellungen der Arzneimittelversorgung zu einem Controller und vor allem Gesundheitsmanager in Partnerschaft mit Ärzten und anderen Heilberuflern entwickeln. Die Apotheker müssten sich aktiv in die Disease-Management-Projekte mit einbringen.

Entwicklung der novellierten Approbationsordnung

Einen Überblick über die langwierigen Schritte bis zur aktuellen Novellierung der Approbationsordnung gab Prof. Dr. K. W. Glombitza, Universität Bonn. Die 1934 erlassene Approbationsordnung hatte bis zu einer Neuordnung im Jahre 1971 Bestand gehabt. Wegen allgemein beklagter Mängel der Neuordnung wurde Anfang der 80er-Jahre eine Arbeitsgruppe, bestehend aus verschiedenen Personen aus Politik, Hochschule und Fachverbänden einberufen, die eine Intensivierung der praktischen Ausbildung und eine Verlängerung des Studiums auf 8 Semester forderte. Außerdem sollten die Fächer Pharmakologie, Physiologie, Anatomie und instrumentelle Analytik eingeführt oder gestärkt werden. Die Vertreter der Kultusministerien meldeten Zustimmungsvorbehalte gegen eine Verlängerung der Ausbildung an. Die EG-Richtlinie 85/432 forderte eine mindestens fünfjährige Ausbildung, davon 8 Semester an der Universität. In letzter Minute setzte die Bundesrepublik im Juli 1989 diese EG-Richtlinie um.

Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hatte 1985 einen beratenden Ausschuss für die pharmazeutische Ausbildung eingesetzt. Dieser verlangte eine Mindestausbildung von 3000 Präsenzstunden an der Universität und – bezogen auf die Situation in Deutschland – eine Kürzung der Chemie zugunsten der Pharmakologie und medizinischen Fächer. Die theoretische Ausbildung sollte einen Anteil von mindestens 50% und die Praktika einen Anteil von mindestens 35% haben. Die Einrichtung eines Wahlpflichtfaches und die Anfertigung einer eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit von 6 Monaten Dauer wurden gefordert.

Die Bundesregierung hatte 1994 die Fachkreise aufgefordert, zur Aktualität der Ausbildungsreform von 1989 Stellung zu nehmen. Eine knappe Mehrheit der deutschen Professorenschaft lehnte 1995 die vom Beratenden Ausschuss der EU empfohlenen Umschichtungen ab. Der von der Bundesregierung im März 1996 vorgelegte Bericht stellte fest, dass die Ausbildungsinhalte der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) und ihre Gestaltung nicht den Anforderungen an eine aktuelle Apothekerausbildung entsprechen, und rief eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag zu einer Aktualisierung der AAppO ein. Nach acht Sitzungen lagen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe vor, mit folgenden wesentlichen Änderungen der Ordnung von 1989:

  • Kürzung des Anteiles der Praktika zugunsten von Vorlesungen und Seminaren,
  • Aufnahme der Klinischen Pharmazie als neues Prüfungsfach,
  • Reduktion des Anteiles der chemischen Disziplinen zugunsten der medizinischen und pharmakologischen,
  • Einführung eines Wahlpflichtfaches,
  • Gliederung des Inhalts der Ausbildung in die Stoffgebiete A bis K ohne Benennung von Veranstaltungen und Zuordnung von Scheinen.

Nach Meinung von Glombitza war eine Verschiebung der Ausbildung in Richtung Medizinische Fächer/Pharmakologie/Klinische Pharmazie im Vergleich mit anderen Ländern unbedingt notwendig. In Deutschland war die Chemie bislang mit einem Anteil von 46% an der Ausbildung gegenüber durchschnittlich 30% in anderen europäischen Staaten deutlich überrepräsentiert. Dagegen lag die Pharmakologie deutlich unter dem europäischen Durchschnitt, und das Fach Klinische Pharmazie gab es überhaupt nicht.

Erwartungen der Gesellschaft an den Apotheker des 21. Jahrhunderts

In der ersten Podiumsdiskussion, die Dr. R. Radziwill, Fulda moderierte, wurden die Erwartungen der Gesellschaft an den Apotheker des 21. Jahrhunderts von Vertretern des öffentlichen Gesundheitswesens, den Kostenträgern, den Ärzten und Patienten sowie der Standesvertretung dargestellt und in der anschließenden Podiumsdiskussion erörtert.

Dr. E. S. Dietrich, Leiterin des Referates Heil- und Hilfsmittel der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Köln, ist der Meinung, dass Ärzte und Apotheker mit der bestehenden Zusammenarbeit durchaus zufrieden sein können. Ablehnend steht die KBV laut Dietrich der Diagnostik in Apotheken sowie dem Hinterfragen ärztlicher Verordnungen durch den Apotheker gegenüber. Eine wichtige Rolle wird die Leistung des Apothekers bei der Reduktion der Arzneimittelkosten, im Rahmen der integrierten Versorgung und in Qualitätszirkeln spielen. Weitere Kooperationsmöglichkeiten sieht Dietrich bei der ganzheitlichen Betreuung der Patienten, in der Pharmakoökonomie und in der Betreuung von Selbsthilfegruppen. Die Apotheker sollte in die Bewertung von Arzneimitteln mehr Wissen einbringen.

Dies wurde von K. Bürkner, Pharmaziereferentin des Berliner Gesundheitssenators unterstützt, die die Hauptaufgabe des Apothekers im Gesundheitsschutz und der Gesundheitsförderung sieht. Hier kann der Apotheker vor allem Verantwortung bei der Einhaltung der einschlägigen Regeln im Umgang mit Arzneimitteln, dem Qualitätsmanagement und dem damit verbundenen Risikomanagement zeigen. Er sollte sich als Anwalt des Patienten zeigen.

Dr. med. A. Kirschbaum, Chirurg im Frankfurter Nordwest-Krankenhaus, wies auf die heute bestehende unterschiedliche Rolle des Apothekers im Krankenhaus und im ambulanten Bereich hin. Gerade im niedergelassenen Bereich wäre mehr Arzneimittelinformation für Ärzte durch den Apotheker wichtig. Jedoch sei ein Kompetenzmangel bei den Apothekern festzustellen. Im Idealfall könnte der Apotheker dem Arzt als Partner zur Seite stehen, was im Krankenhaus oft Routine ist. Das Berufsbild eines Klinischen Pharmazeuten sei aber bei seinen Kollegen noch weitgehend unbekannt. Kirschbaum sieht die Zukunft des Apothekers in der Qualitätssicherung und Budgetkontrolle.

Dass die Orientierung zum Patienten in Zukunft eine immer größere Rolle spielen wird, machte H. Paulus, Diabetiker aus Marburg, im Hinblick auf den Versandhandel deutlich. Wenn sich die Apotheke nicht von anderen Absatzkanälen unterscheide, sei ihm egal, woher er seine Arzneimittel bekomme: "Hauptsache sie sind qualitativ gut und bezahlbar." Er erwartet vom Apotheker vor allem Kompetenz und eine hohe Beratungsqualität. Hierzu gehören insbesondere Informationen, die er vom Arzt nicht erhält. Exemplarisch nannte Paulus Hinweise zur Diabetiker-Fußpflege. Als belastend werden die hohen Zuzahlungen für Medikamente empfunden. Paulus hofft auf eine stärkere Vernetzung zwischen den Beteiligten im Gesundheitssystem, bei dem der Patient innerhalb des Netzwerkes weitergeleitet wird.

Die Perspektive der Krankenversicherungen wurde von Prof. Dr. G. Glaeske, Professor für Arzneimittelversorgungsforschung, Bremen, vertreten. Nach seiner Auffassung sollte der Apotheker eine öffentliche Stimme im Gesundheitswesen übernehmen. Dazu gehören eine professionelle Informationsweitergabe über Arzneimittel und das Aufmerksammachen auf Defizite in der Arzneimittelversorgung. Darüber hinaus kommt ihm eine bedeutende Rolle als Mittler zwischen Arzneimittelhersteller (Industrie) und Verordner (Ärzteschaft) zu.

Allerdings fehlen im bestehenden System die Rahmenbedingungen, um die veränderte Rolle des Apothekers einzugliedern. Vor allem die Bereiche Prozess- und Ergebnisqualität seien noch stark verbesserungswürdig. Glaeske bemängelte, dass insbesondere die Apotheker selbst wichtige Veränderungen im Gesundheitssystem verhinderten, wie beispielsweise die integrierte Versorgung und Disease-Management. Das Ansehen der Apotheker bei den Krankenkassen sei generell schlecht.

Nach Meinung von Dr. M. Schulz, Leiter des Zentrums für Arzneimittelinformation und pharmazeutische Praxis (ZAPP) der ABDA, Eschborn, fehlen qualifizierte Apotheker in vielen Bereichen des Gesundheitswesens. Die ABDA befürworte daher eine Förderung von Forschung und Lehre im Bereich der Arzneimittelanwendung. In Zukunft werden nach Meinung von Schulz die Bereiche Molekularpharmakologie, Pharmakoepidemiologie und -ökonomie und Pharmazeutische Betreuung immer wichtiger werden. In der Ausbildung sollten verstärkt Medizin- und Pharmaziestudenten gemeinsam unterrichtet werden.

Erwartungen an die neue Apothekerausbildung

In einer weiteren Podiumsdiskussion wurde unter der Moderation von Prof. Dr. U. Jaehde, Universität Bonn, die Frage: "Welche Ausbildung braucht der Apotheker?" von Pharmazeuten aus Offizin, Krankenhaus, Industrie und Hochschule, vertreten sowohl durch Hochschullehrer als auch durch Studenten, erörtert.

G. Carstens, Apothekenleiter aus Hannover, sieht die Hauptaufgabe des Offizinapothekers darin, beratungsbedürftige und beratungswillige Patienten zu identifizieren. Pharmazeutisches Fachwissen ist Voraussetzung für eine adäquate Beratung. Zusätzlich erlangen soziale Kompetenz und die Fähigkeit zur erfolgreichen Kommunikation nach seiner Einschätzung einen immer größeren Stellenwert. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die breite Masse der Pharmaziestudenten später in der Offizinapotheke tätig ist, müssen diese Fähigkeiten bereits in der Ausbildung gefördert werden. Nur dann kann das in der Ausbildung angeeignete akademische Wissen der Gesellschaft zugute kommen.

Im Krankenhaus wurden die traditionellen Bereiche des Apothekers wie Logistik, Eigenherstellung und Analytik durch die Etablierung von Servicebereichen erweitert, so Dr. A. Bär, Krankenhausapotheker aus Roth. Arzneimittelinformation, klinische Ernährung, Therapeutisches Drug Monitoring und zentrale Einrichtungen für die Zubereitung von Zytostatika und anderen aseptischen Zubereitungen gehören heute zum pharmazeutischen Spektrum im Krankenhaus. Mit diesen neuen Arbeitsfeldern wurde neben der Kooperation des Apothekers mit der Pflege und der Ärzteschaft vor allem eine direkte Betreuung des Patienten und seiner Therapie im Krankenhaus aufgebaut. Die Zukunft des Krankenhausapothekers und somit der Erhalt dieser neuen Patienten-orientierten Leistungen erfordert die Einbindung der Öffentlichkeit.

Hierzu gehört unter anderem, dass der Klinische Pharmazeut für den Patienten im Behandlungsteam auf der Station präsent ist und dass die individuellen Patientenbesonderheiten, z. B. Unverträglichkeiten, Allergien, die Eintritts- und Entlassungsmedikation durch den Pharmazeuten betreut werden.

Im Umfeld der knappen Ressourcen werden nur Serviceleistungen überleben, deren Wirtschaftlichkeit belegt werden kann. Die Kunden des Krankenhausapothekers, die Ärzteschaft und die Patienten, werden daher über die Zukunft der klinisch-pharmazeutischen Dienstleistungen entscheiden. Für die Ausbildung bedeutet dies, dass die Praxis der Klinischen Pharmazie weit mehr als bisher einbezogen werden muss. Erfahrungen aus Holland und Großbritannien können hier eine wertvolle Hilfe sein.

Dr. H. G. Schäfer, Boehringer Ingelheim, Biberach, machte auf die Defizite in der Ausbildung in Bezug auf die klinische Forschung und Entwicklung in der pharmazeutischen Industrie aufmerksam. Die Anzahl klinischer Studien hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. 25 bis 50% aller klinischer Studien sind wissenschaftlich fehlerhaft oder zumindest unzureichend, da schon Fehler beim Studiendesign gemacht werden. Die für eine effiziente Arzneimittelentwicklung notwendigen Grundlagen in Pharmakokinetik und Pharmakodynamik werden bisher im Studium der Pharmazie und während der Promotion nicht ausreichend vermittelt. Um den wachsenden Bedarf zu decken, werden Absolventen aus anderen Naturwissenschaften (Biologen, Statistiker) und Mediziner eingesetzt. Doch gerade in diesem Bereich der pharmazeutischen Industrie bringt der Pharmazeut im Vergleich zu anderen Akademikern die besten Voraussetzungen mit. Aus den Themengebieten des Fachs Klinische Pharmazie ist für die klinische Forschung/ Entwicklung der Bereich Arzneimittelinformation und klinische Studien wichtig. Klinische Pharmakokinetik und Pharmakokinetik/-dynamik (PK/PD)-Modelling sieht Schäfer auch in der novellierten Approbationsordnung weiterhin unzureichend implementiert.

Prof. Dr. R. Süverkrüp, Universität Bonn und General Secretary der European Association of Faculties in Pharmacy (EAFP), forderte auch für das Pharmaziestudium die Umsetzung der Deklaration von Bologna vom Juni 1999, in der Rektoren von europäischen Hochschulen ein einheitliches dreijähriges Grundstudium (Bachelor), zwei Jahre Hauptstudium (Master) und drei Jahre Aufbaustudium (Promotion) vorschlugen. Durch die einheitliche Studiendauer und ein einheitliches Bewertungssystem für die Lehrveranstaltungen würde die Mobilität für Lehrkörper und Studierende ermöglicht. Nach Süverkrüp muss es der Hochschule gelingen, die Lust am Lernen zu wecken und die Fähigkeit zu Teamarbeit und Kommunikation zu fördern. Notwendig ist dafür eine frühe Eigenverantwortlichkeit und Problemorientiertes Lernen (POL). Ein einheitliches Studium für alle Pharmazeuten, das zur Aufnahme des Berufs befähigt, sollte erhalten bleiben. Darauf aufbauend könnte eine Spezialisierung durch Aufbaustudiengänge erfolgen.

Für die beiden Pharmaziestudierenden Anna Mattenklotz und Susanne Quellmann, Universität Bonn, ist das Ziel des Studiums die Ausbildung zum Arzneimittelexperten. Hierfür sind wissenschaftliche Grundlagen erforderlich. Allerdings fehlt der Praxisbezug insbesondere im Grundstudium, da dort die Bedeutung des wissenschaftlichen Stoffes kaum eingeschätzt werden kann. Die Relevanz für die Praxis stellt sich erst später heraus und sollte früher herausgearbeitet werden.

Sie wünschen sich mehr eigenverantwortliches Arbeiten bereits im Studium, frühzeitiges POL und die Einführung in wissenschaftliches Arbeiten. Die Studentenschaft warnt davor, im Zuge der Erweiterung der Lehrpläne um das Fach Klinische Pharmazie lediglich die Lehrveranstaltungen umzubenennen. Um die Wochenstundenzahl trotz neuer Lehrinhalte konstant zu halten, sollten nach Meinung der Studierenden Stunden im Bereich chemischer Praktika gestrichen werden.

Arbeitsgruppen

Am zweiten Tag wurden Arbeitsgruppen gebildet, in denen die Teilnehmer intensiv über die Umsetzung der Klinischen Pharmazie an den Hochschulen, den Nutzen der Klinischen Pharmazie und den Beitrag der Klinischen Pharmazie zum Profil der Pharmazie diskutierten.

Einrichtung der Klinischen Pharmazie an kleineren Instituten

Die von Prof. Dr. S. Elz, Regensburg, moderierte Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit der Einrichtung, der Klinischen Pharmazie an kleineren Instituten. Ein "kleineres Institut" wurde dabei von der Arbeitsgruppe durch eine Minimalausstattung von 5 Professuren definiert, an dem eine Umwidmung vorhandener Professuren ebenso wenig möglich sei wie die Neuschaffung von Professuren. Prinzipiell kommen daher als Lehrkräfte für das Fach Klinische Pharmazie zum einen an der Universität beschäftigte Wissenschaftler (beispielsweise Nachwuchswissenschaftler mit dem Qualifikationsziel Habilitation, kompetente Vertreter der 4 klassischen Fächer, Dozenten aus der medizinischen Fakultät), zum anderen externe Lehrpersonen (Krankenhausapotheker, Offizinapotheker, Industrieapotheker sowie ausländische Klinische Pharmazeuten) als Gastdozenten in Frage.

Für die Umsetzung wurden 5 Modelle präsentiert:

  • Bei den Modellen 1 bis 3 werden bei anteiliger Belastung aller pharmazeutischer Fächer zwei ganze Wissenschaftlerstellen umgewidmet. In Kooperation mit Krankenhausapothekern werden so die Kernbereiche der Lehre abgedeckt. Im Bereich Krankheitslehre und Arzneimitteltherapie ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Pharmakologie und den medizinischen Fachdisziplinen anzustreben, beispielsweise durch "Bedside-Teaching". Für den Prüfer im 2. Staatsexamen wird gefordert, dass er Klinischer Pharmazeut ist. Die Modelle unterscheiden sich durch die räumliche und organisatorische Anbindung der zu schaffenden "Abteilung für Klinische Pharmazie" - an die Krankenhausapotheke (Modell 1), - an eine vorhandene Organisationseinheit in der Pharmazie, z. B. Institut, Wissenschaftliche Einheit, Lehrstuhl (Modell 2), bzw. - eine eigenständige Abteilung unter dem Dach der Pharmazie (oder der entsprechenden Fakultät), die eng mit anderen Bereichen der Pharmazie und Krankenhäusern kooperiert (Modell 3).
  • In Modell 4 werden die Lehrbeiträge von Vertretern aus den 4 klassischen Fächern, je nach lokaler Kompetenz, geliefert.
  • Modell 5 läuft unter Federführung des Pharmakologielehrstuhls einer naturwissenschaftlichen Fakultät.

Bei den Modellen 4 und 5 werden Lehraufträge an Externe, z. B. an Krankenhausapotheker, vergeben. Als Prüfer kommen bei diesen beiden Modellen während der Übergangszeit bis 2011 auch Pharmakologen mit Kompetenz in Klinischer Pharmazie und qualifizierte Hochschullehrer der anderen Fachdisziplinen in Betracht.

Da ohne klinisch-pharmazeutische Wissenschaftler keine Forschung etabliert werden kann, sind die Modelle 4 und 5 als Übergangsformen anzusehen, die möglichst schnell in eines der Modelle 1 bis 3 überführt werden sollten.

Ausbildung der Dozenten in Klinischer Pharmazie

Über die Ausbildung der Dozenten für die Lehre im Fach Klinische Pharmazie wurde in der Arbeitsgruppe von Dr. R. Radziwill, Fulda, und Dr. K. Taxis, Tübingen, diskutiert. Zuerst wurden den Lehrveranstaltungen im Fachgebiet Klinische Pharmazie die verschiedenen Unterrichtsformen zugeordnet, in der Regel Seminare bzw. Vorlesungen mit Übungen. Auch die Zusammenfassung von Klinischer Pharmazie, Pharmakotherapie, Krankheitslehre und Epidemiologie/ Pharmakoökonomie zu einem koordiniert unterrichteten Fach wurde diskutiert.

Aufgabe der für das Fach Klinische Pharmazie wissenschaftlich qualifizierten Professoren soll die Koordination und Gestaltung des Fachgebietes sein, d. h. die Etablierung einer klinisch-pharmazeutischen Forschung und Patienten-orientierten Lehre. In den Lehrveranstaltungen sollen neben den Professoren in Anlehnung an Erfahrungen aus Großbritannien Praxis-Dozenten und Lehrbeauftragte tätig sein. Praxis-Dozenten können insbesondere die Darstellung und Besprechung von Fällen aus der Praxis übernehmen oder direkt am Krankenbett lehren. Lehrbeauftragte können eingesetzt werden, um Spezialgebiete abzudecken.

Auch Doktoranden sollen bei Tutorien und Seminaren eingesetzt werden, zum Beispiel bei der Betreuung der Bearbeitung von Fallbeispielen. Lehrinhalte sollen durch die klassische Vorlesung und durch POL, Rollenspiele und Lernen durch direkten Patientenkontakt am Krankenbett oder im Hörsaal vermittelt werden. Praxis-Dozenten und Lehrbeauftragte sollten neben wissenschaftlichen Qualifikationen (zum Beispiel belegt durch Promotion und Publikationen) langjährige Patienten-bezogene klinisch-pharmazeutische Tätigkeiten nachweisen. Dies wird auch für die Professoren im Fach Klinische Pharmazie für wünschenswert angesehen.

Didaktische Qualifikationen, um die in der Pharmazie bisher wenig eingesetzten Lehrformen wie das POL erlernen zu können, kann man bisher in anderen Fachgebieten zum Beispiel der Medizin oder im Ausland (vor allem in angelsächsischen Ländern) erwerben. Es ist daher notwendig, auch in Deutschland innerhalb der Pharmazie Angebote auf diesem Gebiet aufzubauen (durch Hochschulen und/oder die ABDA/BAK). Es wurde für wünschenswert gehalten, bei Stellenbesetzungen sowohl auf akademische als auch auf didaktische Qualifikationen zu achten.

Einbindung des Patienten in die Ausbildung

Die Arbeitsgruppe von H. Kreckel, Gießen, diskutierte anhand der grundsätzlichen Fragestellung, ob der Patient die Aufgaben des Apothekers überhaupt wahrnimmt, die Möglichkeiten einer Einbindung des Patienten in die Ausbildung. Der angehende Apotheker würde so schon frühzeitig die Bedürfnisse und Sichtweise des Patienten kennen lernen, was für die Sozialkompetenz und Kommunikationsfähigkeit im späteren Berufsalltag von grundlegender Bedeutung ist. Dazu muss das Fach Klinische Pharmazie Eingang in das Gesamtkonzept der pharmazeutischen Ausbildung finden, u. a. in Form einer Kooperation mit der medizinischen Fakultät.

Zusätzlich müssten Elemente wie POL, Qualitätsmanagement und Kommunikationswissenschaft berücksichtigt werden. Es bedarf breiter Absprachen und einer sachgerechten Vorbereitung, beispielsweise in Form von Rollenspielen. Doch müssen zunächst die zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Beitrag der Klinischen Pharmazie zum Profil der Pharmazie

Die Arbeitsgruppe von Dr. C. Kloft, FU Berlin, erarbeitete den Beitrag der Klinischen Pharmazie zum Profil der Pharmazie. Zunächst präsentierte die Gruppe das gegenwärtige Bild des Apothekers aus eigener Sicht, aus Sicht der Fachöffentlichkeit und der Gesamtöffentlichkeit. Trotz unterschiedlicher Erwartungen wird der Apotheker aus allen Blickwinkeln "eigentlich" als verantwortungsvoller Arzneimittelfachmann angesehen, der "eigentlich" eine hohe Qualität bietet. Seine Kompetenz wird jedoch nicht stark genug nach außen vermittelt.

Bei Erhalt der Kernkompetenz im Umgang mit Arzneimitteln als Produkt soll sich der Apotheker zukünftig in allen Bereichen der Arzneimittelanwendung besonders in der Arzneimitteltherapie beim individuellen Patienten profilieren. Er sollte als Kompetenzzentrum für Sammlung, Bewertung und Weitergabe von Arzneimittelinformation an Arzt, weitere Gesundheitsberufler und Patienten anerkannt sein. Im künftigen Profil sollte er sich als Entscheidungsträger und Partner in der Arzneimitteltherapie für Patient, Arzt und allen am Gesundheitswesen Beteiligten positionieren sowie Präsenz in den entscheidenden Entscheidungsgremien zeigen.

Dazu muss das wissenschaftliche Profil verbessert werden und der Zugang zu Patientendaten gewährleistet sein. Voraussetzung sind anwendungsbezogene Kenntnisse in der Pharmakotherapie und eine Kommunikations- und Konfliktfähigkeit des Apothekers, die bereits an der Hochschule vermittelt werden müssen. Ein lebenslanges Lernen in Form von Fort- und Weiterbildungen ist unerlässlich. Aufbauend auf naturwissenschaftlichen Grundlagen, führt Klinische Pharmazie als patienten- und anwendungsorientierter Bereich zur Erlangung essentieller Kenntnisse und Fähigkeiten, um die Anforderungen an das künftige Profil zu erfüllen. Damit kann die Klinische Pharmazie einen erheblichen Beitrag zur Schärfung des künftigen Profils des Apothekers beitragen.

Wissenschaftliche Etablierung des Fachs Klinische Pharmazie

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. U. Jaehde, Bonn, und Prof. Dr. P. Högger, Würzburg, beschäftigte sich mit der wissenschaftlichen Etablierung des Fachs Klinische Pharmazie. Leider findet bisher erst an wenigen Standorten klinisch-pharmazeutische Forschung statt. Als Forschungsschwerpunkte sind u. a. denkbar:

  • Pharmazeutische Betreuung
  • Klinische Pharmakokinetik, PK/PD-Modeling
  • Pharmakogenetik bzw. -genomik
  • Bioanalytik
  • Pharmakoepidemiologie
  • Pharmakoökonomie
  • Arzneimittelbezogene Probleme und Medikationsfehler
  • Evidenz-basierte Medizin bzw. Pharmazie
  • Klinische Studien zur Arzneimitteltherapie in Kooperation mit Medizinern
  • Pharmakovigilanz.

Forschung auf diesen Gebieten trägt zu einer Verbesserung der Arzneimitteltherapie bei und nützt auf diese Weise dem Patienten. Darüber hinaus können andere Heilberufe und die pharmazeutische Industrie von den Ergebnissen profitieren. Die wissenschaftliche Pharmazie würde durch das Hervorbringen neuer Erkenntnisse zur Arzneimittelanwendung bei anderen Angehörigen des Gesundheitswesens deutlicher wahrgenommen als bisher. Voraussetzung für die wissenschaftliche Anerkennung des Faches ist es allerdings, dass die Forschungsergebnisse in international anerkannten Fachzeitschriften veröffentlicht werden.

An den Pharmazeutischen Instituten sollten Abteilungen für Klinische Pharmazie eingerichtet und damit eine Infrastruktur für entsprechende Forschungsprojekte geschaffen werden. Wichtig ist dabei die Bildung einer Einheit aus Forschung, Lehre und Praxis. Eine enge Zusammenarbeit dieser Abteilungen mit Krankenhaus- und Offizinapothekern, Ärzten, den Berufsverbänden und der Pharmazeutischen Industrie ist Voraussetzung für anwendungsorientierte Forschungsprojekte. Es erscheint sinnvoll, besonders engagierte Apotheken als "Forschungsapotheken" in wissenschaftliche Projekte einzubinden. Darüber hinaus können durch engen Kontakt zwischen Apotheken und Pharmazeutischen Instituten Probleme aus der Praxis im Rahmen von Projekten wissenschaftlich untersucht werden.

Zur Finanzierung dieser Projekte sollte eine Stiftung gegründet werden, da viele Drittmittelgeber, wie z. B. die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), nur Grundlagenforschung fördern. Aber auch andere Finanzierungsmöglichkeiten, z. B. über Berufsverbände und Krankenkassen, sind denkbar.

Modellprojekt zum Nutzen der Klinischen Pharmazie

Einen Blick in die Zukunft wagte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. L. Heide, Tübingen an einem hypothetischen Modellprojekt zum Nutzen der Klinischen Pharmazie. Die Gruppe stellte ein Szenario vor, bei dem von der öffentlichen Hand und der ABDA eine substanzielle Summe, nämlich 15 Mio. Euro, zur Verfügung gestellt würden, um in einer Region von Deutschland innerhalb von acht Jahren kompetente Klinische Pharmazeuten auszubilden und in die Patientenversorgung zu integrieren, sowie den gesundheitlichen und ökonomischen Nutzen der Arbeit dieser Klinischen Pharmazeuten und die dafür benötigten Ressourcen zu messen.

Ein solches Projekt, so die Überlegung, könnte ausgeschrieben werden, und auf die Ausschreibung könnten sich regionale Zusammenschlüsse von Universitäten, Krankenhäusern und öffentlichen Apotheken bewerben. Die Festlegung der Parameter, an denen letztlich Erfolge und Misserfolge gemessen werden sollten (z. B. Patientenzufriedenheit, Kostenreduktion, medizinische Outcomes und Zufriedenheit der Bediensteten im Gesundheitswesen) könnte in Zusammenarbeit mit anderen Fachgremien und Regierungsvertretern erfolgen.

Die Studie sollte sich in eine Anlaufphase mit anschließender Zwischenevaluation und eine Hauptphase gliedern. Als Interventionsebenen kämen die Bereiche Krankenhaus, die Schnittstelle stationär/ambulant und die öffentliche Apotheke in Betracht. Auch bei positivem Ausgang des Modellversuches würden sicher noch weitere Jahre bis zur breiteren Umsetzung von klinisch-pharmazeutischen Dienstleistungen im Gesundheitswesen vergehen. Hierfür würden neben dem wissenschaftlichen Nachweis des Nutzens klinisch-pharmazeutischer Dienstleistungen vor allem eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit benötigt.

Ausblick

Die Ergebnisse aller Workshops machten deutlich, dass sich das zukünftige Profil des Fachs Klinische Pharmazie in Lehre, Forschung und Praxis mittlerweile deutlich herauskristallisiert. Es muss jedoch noch viel Arbeit bis zur endgültigen Etablierung des Fachs in der Pharmazie sowie des Klinischen Pharmazeuten als Teil des Gesundheitssystems geleistet werden. Besonders wichtig wird neben der Zusammenarbeit mit anderen Heilberuflern und Patienten möglichst schon in der Ausbildung die Förderung der Kommunikationsfähigkeit sowie die zügige wissenschaftliche Etablierung des Fachs an den Hochschulen sein.

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