Lieferengpässe bei Kinderarzneimitteln

Bild titelt von „Apotheker-Aufstand“

Berlin - 19.09.2023, 10:45 Uhr

„Apotheker-Alarm“ schafft es in die „Bild“. (Foto: Screenshot / bild.de)

„Apotheker-Alarm“ schafft es in die „Bild“. (Foto: Screenshot / bild.de)


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geht davon aus, dass die Versorgung mit Kinderarzneimitteln in diesem Jahr „deutlich besser“ sein wird, als im vergangenen und wirft der Apothekerschaft Panikmache vor. Zahlreiche wütende Apothekerinnen und Apotheker meldeten sich zu Wort und schickten ihm ihre Defektliste – und schafften es am heutigen Dienstag auf die Titelseite des deutschen Boulevardblattes mit vier Buchstaben.

Zum Brötchen dazu gab es an diesem Dienstagmorgen beim Bäcker in der „Bild“ den „Apotheker-Aufstand gegen Lauterbach“. Angekündigt wurde der Beitrag bereits auf der Titelseite des Springer-Blatts: „Apotheker-Alarm. Medikamentenmangel immer schlimmer“. Im inneren Teil war dann zu lesen: „Tiere sind in Deutschland besser versorgt als Kinder.“ Anlass der Berichterstattung: Mehr als 200 Apothekerinnen und Apotheker schickten ihre Defektliste an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und auch an die „Bild“.

Die Zahl der fehlenden Arzneimittel liegt dabei zwischen 300 und 1.400 Posten. Es geht um „Antibiotika, Kinder-Antibiotikasäfte, Hustenblocker, Herzmedikamente, Blutdruck- und Cholesterinsenker, Diabetes-Medikamente, Insuline, Asthma-Spray, Augentropfen, Magentabletten“. Tenor sei: „Wir verwalten einen Mangel“, und dass die „gewissenhafte und pharmazeutische Versorgung der Bevölkerung“ derzeit akut in Gefahr sei.

Zitiert werden unter anderem Carsten Moser von der Stern-Apotheke in Emmerich, Nordrhein-Westfalen – „Aktuell fehlen bei uns 1402 Medikamente aus 651 verschiedenen Darreichungsformen – das sind mehr als 1000 Personen, die mindestens ein, zum Teil lebenswichtiges, Medikament nicht bekommen haben.“ – oder eben Marc Schmidt, St. Georg Gesundheitsdienste in Bruchsal in Baden-Württemberg, mit der titelgebenden Aussage: „Unsere Tiere sind besser versorgt als unsere Kinder – Tierärzte haben ausreichend Antibiotika.“

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Einen ersten Aufschlag hatte es am vergangenen Montag gegeben. Apotheker Philipp Hoffmann aus Diez in Rheinland-Pfalz meldete sich bei dem Boulevardblatt mit einer Liste von 710 Arzneimitteln, die derzeit nicht verfügbar seien. „Wir können schon jetzt vor der Grippesaison keine Belieferung der Bevölkerung mehr aufrechterhalten“, sagte er dazu.

Grund für die Aufregung ist unter anderem eine Pressekonferenz von Lauterbach vergangene Woche. Bei der Vorstellung seines Fünf-Punkte-Plans zur Sicherung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln in diesem Herbst und Winter hatte er erklärt, man sei in diesem Jahr „deutlich besser aufgestellt“ als im vergangenen. Sollte es keine „Hamsterkäufe“ geben und auch keine besonderen Infektionswellen, würde man durch den Winter kommen.

„Die Lieferengpässe sind Realität“

Auch wenn er sich bei diesem Pressetermin ausdrücklich bei den Apohekerinnen und Apothekern für ihre Arbeit bedankte: Zuvor hatte er ihnen im ARD-Morgenmagazin vorgeworfen, in ihrem Kampf für ein besseres Honorar mit Panikmache zur Versorgungslage „Mütter und Kinder zu verunsichern“. Die Empörung im Anschluss war riesig. Neben zahlreichen Kommentaren in den sozialen Medien von Apothekerinnen und Apothekern erklärte beispielsweise der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Hans-Peter Hubmann, die Bundesregierung ignoriere die wirtschaftliche Schieflage der Apotheken seit Jahren und nehme damit in Kauf, dass die Menschen in Deutschland schlechter versorgt würden, weil es womöglich keine wohnortnahe Apotheke mehr gebe. Der Vorstandsvorsitzende des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL), Thomas Rochell, nannte die Aussagen Lauterbachs eine „maßlose Unterstellung“ und weiter: „Die Lieferengpässe sind Realität. Sie werden nicht von den Apotheken herbeigeredet.“

Auch Ärztekammer Berlin warnt

Übrigens sind es nicht nur Apothekerinnen und Apotheker, die vor einer schwierigen Lage warnen. Bereits Ende August hatte der Pharmagroßhandel darauf hingewiesen, dass „die Versorgungssituation für diese Arzneimittel bereits jetzt nicht nur angespannt, sondern aus unserer Sicht äußerst prekär ist“. Am vergangenen Montag schlug auch die Ärztekammer Berlin Alarm: Sie erwarte in diesem Herbst und Winter im Vergleich zum Vorjahr „keine Entspannung“. Vielmehr sei zu befürchten, „dass sich der jetzt schon bestehende Medikamentenmangel verschärft und im Falle von Infektionswellen wie im vergangenen Jahr nicht ausreichend Fiebersäfte oder Antibiotika zur Verfügung stehen“.


Matthias Köhler, Redakteur DAZ.online
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Defektlisten zu Bild

von Julia Schildgen am 19.09.2023 um 19:34 Uhr

Lieber Kollege Radman,
dass Sie mit den Defektlisten bis in die BILD gekommen sind, ist einfach grandios! APPLAUS!!!
Die Bevölkerung MUSS einfach über die anhaltenden desolaten Zustände aufgeklärt werden.
Jede Woche ein Artikel bis zur nächsten Bundestagswahl!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Bild Zeitung

von Holger Rummel am 19.09.2023 um 15:32 Uhr

Auch wenn es von vielen die ablehnte Blöd-Zeitung ist,ein Artikel in der Blöd-Zeitung bringt mehr als der Kinderkram der Abda.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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von Anita Peter am 19.09.2023 um 14:16 Uhr

Zu was ist die ABDA überhaupt in der Lage? Was passiert mit unseren Geldern?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: .

von Apo am 19.09.2023 um 14:30 Uhr

Black Jack und Nutten

Bild

von Dr. Radman am 19.09.2023 um 13:45 Uhr

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die Apotheker, die die Defektlisten zu „ Bild“ geschickt haben sind alle Mitglieder der „ Freien Apothekerschaft“. Die ABDA ist gar nicht in der Lage so etwas zu initiieren. Bitte werden Sie Mitglied und stärken Sie unserer Berufsgruppe. Von Nichts kommt Nichts.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Bild

von Rita Längert am 20.09.2023 um 8:12 Uhr

Lieber Kollege Radman,
auch die Initiative Apotheken vor Ort ist mit daran beteiligt.
Auch ich habe meine Defektliste gemailt, bin nicht Mitglied der FA und zwar nur aus dem Grund, weil ich meine Apotheke zum Jahresende schließen werde und dann als Nichtselbstständige nicht bei der FA mitmachen kann. Im Übrigen sehe auch ich die FA als wirksame Vertretung, die im Gegensatz zur ABDA noch was bewirken kann!

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