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Deutlich erhöhte Nachfrage
Wie Apotheken mit dem Ibuprofen- und Paracetamol-Engpass umgehen sollen
Die aktuellen Arzneimittellieferengpässe sind zahlreich, besonders präsent im Apothekenalltag ist aber der Mangel an Fiebersäften für Kinder mit Ibuprofen oder Paracetamol. Das neueste Ergebnisprotokoll des BfArM-Beirats zu Lieferengpässen bestätigt nun, dass eine kontinuierliche und bedarfsgerechte Versorgung derzeit nicht möglich ist. Apotheken sollen deshalb maximal nur noch einen Wochenbedarf an Ibuprofen und Paracetamol an Lager legen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass auch Kinder (ab vier Jahren) schon geteilte Tabletten schlucken können.
Am 30. November 2022 hat der Beirat zur Bewertung der Versorgungslage mit Arzneimitteln des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einer Sondersitzung getagt. Das Ergebnisprotokoll wurde vergangenen Freitag veröffentlicht. Im Zentrum stehen darin die Engpässe bei folinsäurehaltigen Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung – und vor allem die Engpässe bei Arzneimitteln zur Fiebersenkung bei Kindern mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen. Denn trotz der Implementierung von Maßnahmen und der Erhöhung von Produktionsmengen komme es nicht zu einer kontinuierlichen bedarfsgerechten Verfügbarkeit der Arzneimittel.
Durchschnittlicher Monatsbedarf an Ibuprofen und Paracetamol auf dem Markt vorhanden
Anhand von Marktdaten wurde den Mitgliedern des Beirats verdeutlicht, dass der Engpass nicht aus einem Mangel an Ibuprofen- und Paracetamol-Präparaten entstanden ist – sondern aufgrund der aktuell erhöhten Nachfrage. Die Daten sollen darauf schließen lassen, „dass dem Markt rechnerisch für alle Produkte etwa ein durchschnittlicher Monatsbedarf zur Verfügung steht“. Die in den letzten Monaten in den Markt abgegebenen Produktionsmengen sollen sogar die Mengen von 2019 (vor der Pandemie) deutlich übersteigen. Doch aufgrund der steigenden Erkrankungszahlen könne die bestehende Nachfrage nicht flächendeckend durch die verfügbaren Bestände gedeckt werden kann. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Verteilproblematik die mindestens regionale Unterversorgung verstärkt“, heißt es außerdem.
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Als Maßnahme zur Abmilderung der Lieferengpässe bei pädiatrischen Darreichungsformen sei schließlich die Anordnung einer Kontingentierung vorgeschlagen worden. Aufgrund des OTC-Status der Präparate soll sich die Einhaltung einer Kontingentierung jedoch nur schwer überprüfen lassen, zudem spreche der zwischen verschiedenen Apotheken stark variierende Bedarf gegen eine Kontingentierung. Von der Anordnung der Kontingentierung wurde deshalb abgesehen, allerdings wurden folgende Empfehlungen festgehalten:
Apotheken und Großhandel sollen maximal Wochenbedarf an Lager nehmen
Eine Bevorratung, die über das Maß eines wöchentlichen Bedarfs hinausgeht, soll sowohl in öffentlichen Apotheken als auch in vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen unterbleiben. Eine Bevorratung im üblichen Umfang sei mit den aktuellen Beständen nicht realisierbar und führe zu einer Unterversorgung an anderer Stelle.
Paracetamol-Tabletten für Kinder ab vier Jahren
Wie bereits die Arzneimittelbehörden in Frankreich und Großbritannien bezüglich des Amoxicilin-Engpasses erklärt haben, können auch bei Kindern häufig feste orale Darreichungsformen zum Einsatz kommen. Der BfArM-Beirat empfiehlt nun für Paracetamol und Ibuprofen „unter Berücksichtigung des Alters der Patientin oder des Patienten“ die Abgabe einer festen oralen Darreichungsform zu prüfen. Bei teilbaren Tabletten würde in den Fachinformationen die Einnahme
- für Kinder ab vier Jahren (Paracetamol) bzw.
- ab sechs Jahren (Ibuprofen) angeführt.
Außerdem wird betont, dass ab neun Jahren Ibuprofen- und Paracetamol-Säfte nur noch auf Rezept abgegeben werden sollen:
Die Darreichungsform Saft sollte an Kinder und Jugendliche ab 9 Jahren ausschließlich auf Rezept abgegeben werden, wenn die Einnahme fester Darreichungsformen nicht möglich ist.“
Zusätzlich verweist der Beirat erneut auf die Empfehlungen vom 2. August 2022, „nach denen in Abstimmung mit dem GKV Spitzenverband, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. (ABDA) die Rezeptur bzw. Defekturherstellung der in Rede stehenden Produkte befürwortet wird“.
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Verschärfung der Engpässe bei Cotrimoxazol und Kontingentierung von folinsäurehaltigen Arzneimitteln
Auch Antibiotika-Präparate mit der Wirkstoffkombination Sulfamethoxazol und Trimethoprim werden immer knapper. Bereits im Oktober ebnete das BfArM deshalb den Weg für den Einzelimport entsprechender Präparate. Jetzt heißt es: „Eine Verschärfung der Engpässe bei sulfamethoxazol/trimethoprimhaltigen Arzneimitteln in der Darreichungsform Tabletten wird beobachtet.“ Das BfArM werde eine aktuelle Sachverhaltsermittlung durchführen und den Beirat darüber informieren, heißt es im Ergebnisprotokoll. Es könnten also bald weitere Empfehlungen zur „Minderung der Lieferengpasssituation“ folgen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Cotrimoxazol in Deutschland knapp wird. Im März 2020 veröffentlichte deshalb die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) Empfehlungen zur Prophylaxe und Therapie von Infektionen in der Hämatologie und Onkologie, die online weiterhin eingesehen werden können.
Nach lange bestehendem Lieferengpass
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Um gegen den Engpass bei folinsäurehaltigen Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung vorzugehen, wurde vom Beirat jetzt – anders als bei den Fiebersäften für Kinder – eine Kontingentierung beschlossen. „Diese soll eine Einschränkung des Distributionsweges auf Direktbelieferungen sowie eine Einschränkung der Belieferung auf den Bedarf einer Woche beinhalten.“ In Klinikapotheken verfügbare Warenmengen sollen aber uneingeschränkt zur Anwendung kommen können.
Die ambulante Versorgung ist offenbar von dem Engpass stärker betroffen als die stationäre Versorgung. Das soll an der Möglichkeit der Bevorratung gemäß § 73 Abs. 3 AMG liegen, die, anders als im stationären Bereich, im ambulanten nicht vergleichbar erfolgen kann. Kliniken wird der Bezug von 10er-Gebinden empfohlen, um mehr 1er-Gebinde für die ambulante Versorgung verfügbar zu machen. Eine Befristung ist bis Ende Februar 2023 vorgesehen.
4 Kommentare
BfArM / Fiebersäfte
von Gregor Nelles am 16.12.2022 um 19:58 Uhr
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Kapitulation von Politik und BfArM vor der Lage?
von Dr. Christian Fehske am 13.12.2022 um 9:02 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Kapitulation von Politik und BfArM vor
von Yvonne Hesse am 13.12.2022 um 13:36 Uhr
AW: Kapitulation von Politik und BfArM vor
von Thomas B am 13.12.2022 um 17:39 Uhr
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