Amoxicillin und Co. für Kinder

Antibiotika-Engpässe – Arzneimittelbehörden analysieren derzeit die Lage

Stuttgart - 14.12.2022, 16:45 Uhr

Amoxicillin ist nicht nur in Deutschland knapp. Wie schätzt das BfArM die aktuelle Versorgungslage ein? (x / Foto: Cloudy Design / AdobeStock)

Amoxicillin ist nicht nur in Deutschland knapp. Wie schätzt das BfArM die aktuelle Versorgungslage ein? (x / Foto: Cloudy Design / AdobeStock)


Ende November hat der Arzneimittelhersteller Infectopharm auf eine gefährdete Antibiotika-Versorgung für Kinder aufmerksam gemacht. International scheint besonders Amoxicillin knapp zu sein. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hatte im Oktober jedoch bei der Liefersituation von Amoxicillin kein strukturelles Problem erkennen können. Hat sich seine Einschätzung mittlerweile verändert? Die DAZ hat nachgefragt.  

Diese Woche hat sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausführlich zum Fiebersaft-Engpass bei Kindern geäußert. Paracetamol und Ibuprofen sind demnach vor allem knapp, weil derzeit so viele Kinder an Atemwegsinfekten leiden. Entsprechend hat das BfArM Empfehlungen veröffentlicht, wie mit dem Engpass nun am besten umzugehen ist. Zu den ebenfalls knappen Antibiotika-Säften für Kinder fehlen solche Empfehlungen noch.

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Der Beirat zur Bewertung der Versorgungslage mit Arzneimitteln des BfArM hat am 30. November 2022 in seiner Sondersitzung aber festgehalten, dass auch Antibiotika-Präparate mit der Wirkstoffkombination Sulfamethoxazol und Trimethoprim immer knapper werden. Bereits im vergangenen Oktober ebnete das BfArM deshalb den Weg für den Einzelimport entsprechender Präparate. Ende November hieß es dann: „Eine Verschärfung der Engpässe bei sulfamethoxazol/trimethoprimhaltigen Arzneimitteln in der Darreichungsform Tabletten wird beobachtet.“ Das BfArM wird laut Ergebnisprotokoll eine aktuelle Sachverhaltsermittlung durchführen und den Beirat darüber informieren. Es könnten also auch in diesem Fall bald weitere Empfehlungen zur „Minderung der Lieferengpasssituation“ folgen.

Doch neben den Fiebersäften und Cotrimoxazol sollen auch andere Antibiotika – speziell in Darreichungsformen für Kinder – diesen Winter knapp werden. Davor warnte der Arzneimittelhersteller Infectopharm Ende November in einem offenen Brief. Bei Amoxicillin- und Penicillin-Säften sei die Mehrzahl der Anbieter auf unbestimmte Zeit lieferunfähig, hieß es beispielsweise. 

Im Oktober hatte das BfArM bei der eingeschränkten Verfügbarkeit von Amoxicillin-Säften jedoch noch keinen Handlungsbedarf gesehen. Wie die DAZ berichtete, macht Amoxicillin aber weltweit Probleme: Die französische Arzneimittelbehörde ANSM betont etwa auf ihrem Internetauftritt, dass Antibiotika bei viralen Infektionen wie Bronchiolitis, Grippe, COVID-19, Nasopharyngitis und der überwiegenden Mehrheit von Angina und Mittelohrentzündung nicht helfen – Antibiotika also für die Fälle aufgespart werden sollen, in denen sie wirklich benötigt werden. Zur Engpass-Situation bei Antibiotika für Kinder erklärt die ANSM: „Diese Spannungen betreffen ganz Europa, sowie andere internationale Märkte.“ Die Situation soll neben den aktuell hohen Erkrankungszahlen eine Folge der Pandemie sein, in der kaum noch Amoxicillin benötigt und entsprechend weniger hergestellt worden ist.

BfArM analysiert gerade die Lage bei Antibiotika für Kinder

Diese Stellungnahme der ANSM hat die DAZ zum Anlass genommen, beim BfArM nochmals nachzuhaken: Gibt es hinsichtlich Amoxicillin wirklich kein strukturelles Problem und keinen Handlungsbedarf? Um das zu beantworten, werden offenbar gerade europaweit Daten erhoben: „Das BfArM führt unverändert ein kontinuierliches Monitoring durch und erhebt derzeit im Rahmen einer Anhörung gemäß § 52b Absatz 3e AMG insbesondere im Hinblick auf die künftige Verfügbarkeit Daten“, erklärt das BfArM gegenüber der DAZ.

„Auf Anforderung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte haben pharmazeutische Unternehmer und Arzneimittelgroßhandlungen zur Abwendung oder Abmilderung eines drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpasses eines Arzneimittels Daten zu verfügbaren Beständen, zur Produktion und zur Absatzmenge sowie Informationen zu drohenden Lieferengpässen des jeweiligen Arzneimittels mitzuteilen. […] Die Daten können dem Beirat auf seine Anforderung in anonymisierter Form zur Beobachtung und Bewertung übermittelt werden.“

§ 52b Absatz 3e AMG

Aktuell bestehe nahezu umfassend für alle verfügbaren Antibiotika in pädiatrischen Darreichungsformen in Deutschland ein deutlich überdurchschnittlicher Bedarf. Während der vergangenen Wochen seien entsprechende Präparate in großem Umfang in den Markt abgegeben worden. „Das trifft auch auf Arzneimittel mit dem Wirkstoff Amoxicillin zu“, so das BfArM.

Personelle Engpässe in der Antibiotika-Produktion

Auf europäischer Ebene würden derzeit vergleichbare Datenerhebungen in den Mitgliedstaaten durchgeführt, heißt es. In der Mehrzahl der europäischen Mitgliedstaaten seien bis dato in Summe ebenso erhöhte Abgabemengen zu verzeichnen, „wobei ein Schwerpunkt auf amoxicillinhaltige Arzneimittel gelegt wird“.

Nach derzeitiger Informationslage sei die Einschränkung der Verfügbarkeit sowohl auf nationaler wie europäischer Ebene unter anderem der deutlich erhöhten Nachfrage durch die hohen Krankenstände in vielen Mitgliedstaaten geschuldet. Es heißt aber auch:


„Die Analyse der Ursachen hat personelle Engpässe in der Produktion identifizieren können, jedoch bei Wirkstoff- und Packmittelverfügbarkeit eine robuste Liefersituation bestätigen können.“

E-Mail des BfArM vom 14. Dezember 2022


Mit den Unternehmen seien Kompensationsmaßnahmen abgestimmt worden, die kurzfristig umgesetzt würden. 

Sollten ergänzende Daten in Zukunft eine strukturell bedingte Problematik belegen, werde das BfArM eine aktualisierte Einschätzung zur Verfügung stellen. Damit müssen Apotheker:innen sich also zunächst einmal in der Situation allein zurechtfinden – immerhin wird das Problem aber wahrgenommen und analysiert.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

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AW: Amoxiclav-Elpen “zum Trinken

von Schön im warmen Ministerium... am 15.12.2022 um 0:18 Uhr

Tropfen auf den heißen Stein.
Von über 150 Antibiotika in flüssiger Form für Kinder sind gerade mal 6 lieferbar, darunter Wirkstoffe, die weit außerhalb des benötigten Indikationsspektrums liegen.

Wie kann es ernsthaft sein, dass man im neuen Jahr pauschal 5% Effizienzreserven bei der Pharmaindustrie schöpft und zeitgleich lieber den Mangel analysiert als einem Unternehmen wie Infectopharm oder auch Ihnen Planungssicherheit für die kommenden 2 Jahre gibt?!
Die Lieferengpässe waren in den letzten 3 Jahren schon massiv und haben in meiner Apotheke locker 5 Stunden pro Woche unbezahlte Zeit gekostet. Seit einigen Wochen sind wir bei etwa 30-40 Stunden pro Woche (Summe aller Mitarbeiter). Jede Woche etwas Mehr.
Wie kann es sein, dass uns im neuen Jahr eine Effizienzreserve /der nicht mehr vorhandene Spielraum gekürzt wird? Wir reißen uns jeden Tag den Arsch auf und ein Ministerium "analysiert".

Ihr Amoxiclav zum Trinken ist von den Apotheken jetzt schon "disponiert", dh schon abverkauft. Zudem...reicht ein Antibiotikum für alle Erkrankungen? Dh. ist das jetzt echt die Lösung dieser fatalen Ignoranz eines Ministeriums?

Ich bin der Ansicht, dass die Brisanz der kommenden Wochen noch nicht annähernd erfasst wird. Das Desaster kann man auch nicht mehr ändern.
Aber für die kommenden Jahre
... müssten wir uns ehrlich machen
...müssten wir clever brainstormen
...müssten wir scharf alle Optionen abwägen und möglicherweise die macht der Krankenkassen limitieren.
Ich sehe politisch und medial nichts, was mir Hoffnung macht.
Abwarten, analysieren und am Ende ohnehin keine Verantwortung übernehmen...habe fertig,

Bfarm

von Mohamed Radman am 14.12.2022 um 17:12 Uhr

Bfarm möchte sein Versagen bei Monitoring kaschieren, indem es die Schuld die Apotheken zuschiebt. Motto "Apotheken dürfen nicht hamstern". Das lässt sich gut und entspannt leben.

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