Studie aus Brasilien

Colchicin verkürzt Sauerstoffgabe bei COVID-19

Stuttgart - 25.02.2021, 07:00 Uhr

In einer kleinen Studie konnten COVID-19-Patient:innen unter Colchicin schneller auf externe Sauerstoffzufuhr verzichten und schneller aus dem Krankenhaus entlassen werden als Placebopatient:innen. (Foto: sudok1 / stock.adobe.com)

In einer kleinen Studie konnten COVID-19-Patient:innen unter Colchicin schneller auf externe Sauerstoffzufuhr verzichten und schneller aus dem Krankenhaus entlassen werden als Placebopatient:innen. (Foto: sudok1 / stock.adobe.com)


Kürzerer Sauerstoffbedarf, schnellere Entlassung

Mindestens die Hälfte der Colchicinpatient:innen benötigte nach vier Tagen keinen zusätzlichen Sauerstoff mehr, in der Placebogruppe waren die Patient:innen hingegen durchschnittlich 6,5 Tage auf Sauerstoff angewiesen: An Tag sieben hatten 9 Prozent der Colchicinpatient:innen noch Sauerstoff, aber 42 Prozent in der Placebogruppe. Colchicinpatient:innen konnten im Schnitt nach sieben Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden, Placebopatient:innen verblieben im Schnitt zwei Tage länger hospitalisiert und verließen das Krankenhaus nach neun Tagen. „Diese beiden primären Endpunkte haben Relevanz für die tägliche Praxis der COVID-19-Pandemie: Sie verkürzen die Dauer des Krankenhausaufenthalts und reduzieren damit den Bedarf an Krankenhausbetten und dadurch Kosten. Darüber hinaus ist die Behandlung mit Colchicin an sich nicht teuer“, erklären die Wissenschaftler:innen.

Zwei Tote in der Placebogruppe

Zwei Colchicinpatient:innen und vier aus der Placebogruppe mussten für zwölf Tage (Colchicin) beziehungsweise elf Tage (Placebo) auf die Intensivstation. Das zeige, erklären die Wissenschaftler:innen, dass Colchicin die systemische Entzündung nicht bei allen Patient:innen ausreichend reduziert. Insgesamt waren die Patient:innen sodann 23 Tage (Colchicin) beziehungsweise 26 Tage (Placebo) im Krankenhaus. Zwei Patient:innen (männlich) aus der Placebogruppe verstarben an einer beatmungsassoziierten Pneumonie. In der Colchicingruppe überlebten alle COVID-19-Patient:innen. Aufgrund der geringen Fallzahlen werteten die Wissenschaftler:innen die Aufnahme auf die Intensivstation und Sterberate statistisch nicht aus.

Wie wurde Colchicin vertragen?

Die Wissenschaftler:innen bewerten die Mehrzahl der unerwünschten Ereignisse als mild, keine Behandlung wurde aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt. Es kam zur Erhöhung von Leberwerten in beiden Gruppen, Durchfälle traten unter Colchicin (17 Prozent) häufiger neu auf oder verschlimmerten sich als unter Placebo (6 Prozent), allerdings war die Nebenwirkung mit Racecadotril gut behandelbar. Überprüft wurden auch kardiale Ereignisse – bekannte Nebenwirkungen einer Therapie mit Hydroxychloroquin und Azithromycin –, hier hatte Colchicin keinen Effekt.

Wie wirkt Colchicin?

Auf welchem Weg Colchicin Krankenhausdauer und Sauerstoffversorgung verkürzte, ist nicht klar. Eine direkte antivirale Wirkung ist nach Einschätzung der Wissenschaftler:innen „sehr unwahrscheinlich“. Sie gehen von antientzündlichen Wirkungen aus, was mit dem signifikanten Abfall des CRP (C-reaktives Protein, ein Entzündungsmarker) an Tag vier in der Colchicingruppe und Tag sieben in der Placebogruppe im Einklang stünde. „Unabhängig vom Wirkmechanismus – Hemmung des Inflammasoms (Multiproteinkomplexe des angeborenen Immunsystems, die Entzündungsreaktionen aktivieren) oder Verringerung der Migration und Aktivierung von Neutrophilen oder Verhinderung von Endothelschäden – Colchicin scheint bei der Behandlung von hospitalisierten Patient:innen mit COVID-19 nützlich zu sein“, erklären die Studienautor:innen.

Nur wenige Probanden

Als größte Schwäche der Studie nennen sie die kleine Teilnehmerzahl und somit die fehlende Möglichkeit, den Effekt von Colchicin auf Einweisung auf die Intensivstation und auf die Sterblichkeit zu beurteilen.

Vorteil von Colchicin bei Sauerstoffbedarf und Klinikaufenthalt

Ihr Fazit bleibt positiv: „Patient:innen, die in dieser doppelblinden, placebokontrollierten klinischen Studie Colchicin erhielten, erholten sich hinsichtlich zusätzlichem Sauerstoffbedarf und Dauer des Krankenhausaufenthalts besser“, wobei Serum-CRP ein Labor-Marker für die klinische  Verbesserung war. Und : „Colchicin war sicher und gut verträglich“. Größere klinische Studien sollten durchgeführt werden, um die Wirksamkeit und Sicherheit als Zusatztherapie für hospitalisierte Patient:innen mit mittelschwerer bis schwerer COVID-19-Infektion weiter zu untersuchen.

Ihre Arbeit veröffentlichten die Wissenschaftler:innen in „RMD Open“, einem zum BMJ (British Medical Journal) gehörenden Journal und eine offizielle Fachzeitschrift der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR): „Beneficial effects of colchicine for moderate to severe COVID-19: a randomised, double-blinded, placebocontrolled clinical trial“.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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