Actemra reduziert Sterberisiko

FDA lässt Tocilizumab bei COVID-19 zu

Stuttgart - 28.06.2021, 10:45 Uhr

Eingesetzt werden darf der Interleukin-6-Inhibitor Tocilizumab bei hospitalisierten COVID-19-Patienten, die systemische Corticoide erhalten und zusätzlich Sauerstoff beziehungsweise nicht-invasiv oder invasiv mechanisch beatmet werden oder an die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) angeschlossen sind. (Foto: pirke / AdobeStock) 

Eingesetzt werden darf der Interleukin-6-Inhibitor Tocilizumab bei hospitalisierten COVID-19-Patienten, die systemische Corticoide erhalten und zusätzlich Sauerstoff beziehungsweise nicht-invasiv oder invasiv mechanisch beatmet werden oder an die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) angeschlossen sind. (Foto: pirke / AdobeStock) 


Ab sofort dürfen in den Vereinigten Staaten wegen COVID-19 hospitalisierte Erwachsene und Kinder ab zwei Jahren mit Tocilizumab (Actemra) behandelt werden. Die FDA erteilte dem IL-6-Inhibitor am 24. Juni die Notfallzulassung. Tocilizumab reduzierte in Studien in Kombination mit systemischen Corticoiden das Sterberisiko durch COVID-19.

Die FDA hat eine weitere Notfallzulassung für ein COVID-19-Arzneimittel ausgesprochen: Tocilizumab (Actemra) von der US-Tochter Genentech des Basler Pharmakonzerns Roche. Eingesetzt werden darf der Interleukin-6-Inhibitor bei hospitalisierten COVID-19-Patient:innen, die systemische Corticoide erhalten und zusätzlich Sauerstoff beziehungsweise nicht-invasiv oder invasiv mechanisch beatmet werden oder an die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) angeschlossen sind. Die Notfallzulassung greift nicht nur für Erwachsene, sondern berücksichtigt auch Kinder ab einem Alter von zwei Jahren. Die FDA betont ausdrücklich, dass sie Tocilizumab nicht für die ambulante Patientenbehandlung zugelassen hat.

Mehr zum Thema

Wie überschießende Immunreaktionen bei COVID-19 verhindert werden sollen

Gefürchteter Zytokinsturm

Basis für die Zulassung von Tocilizumab in der Behandlung von COVID-19-Patient:innen sind vier klinische Studien – eine randomisierte, kontrollierte, offene Plattformstudie (Randomised Evaluation of COVID-19 Therapy – RECOVERY) und drei randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studien (EMPACTA, COVACTA und REMDACTA). Erhielten die hospitalisierten Patient:innen zusätzlich zur Routineversorgung, einschließlich Corticosteroiden, Tocilizumab, reduzierte sich das Sterberisiko im Nachbeobachtungszeitraum von 28 Tagen, und die Dauer ihres Krankenhausaufenthaltes verkürzte sich. Auch sei das Risiko, dass Patient:innen an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden oder nach 28 Tagen versterben, geringer, erklärt die FDA.

Sterblichkeit gesenkt

In der RECOVERY-Studie erhielten 4.116 hospitalisierte Patient:innen mit schwerer COVID-19-Pneumonie entweder Actemra zusätzlich zur üblichen Behandlung (2.022 Patient:innen) oder die übliche Behandlung allein (2.094 Patient:innen). Der primäre Endpunkt war der Tod bis zum 28. Tag der Nachbeobachtung, dieser wurde mit statistischer Signifikanz erreicht: So wurde die Wahrscheinlichkeit zu versterben für Tocilizumapatient:innen auf 30,7 Prozent geschätzt, für Patient:innen mit Standardbehandlung auf 34,9 Prozent. Zudem konnten Tocilizumabpatient:innen im Median nach 19 Tagen das Krankenhaus verlassen, der Median bei standardtherapierten Patient:innen lag bei mehr als 28 Tagen.

In einer weiteren Studie – EMPACTA – wurden 389 hospitalisierte Patienten mit COVID-19-Pneumonie randomisiert, wobei  249 Tocilizumab und 128 Placebo erhielten. Hier war der primäre Endpunkt definiert als Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung oder als Tod nach 28 Tagen Nachbeobachtungszeit. 12 Prozent der Tocilizumabpatient:innen mussten bis zum Tag 28 beatmet werden oder verstarben, bei Placebo waren es mit 19,3 Prozent signifikant mehr.

Wichtig, trotz Impfung

„Obwohl Impfstoffe die Zahl der Patienten mit COVID-19, die einen Krankenhausaufenthalt benötigen, erfolgreich reduziert haben, ist die Bereitstellung zusätzlicher Therapien für diejenigen, die ins Krankenhaus müssen, ein wichtiger Schritt im Kampf gegen diese Pandemie“, sagt Patrizia Cavazzoni, M.D., Direktorin des Center for Drug Evaluation and Research der FDA.

Tocilizumab

Tocilizumab ist ein monoklonaler Antikörper, der Entzündungen durch Blockierung des Interleukin-6-Rezeptors reduziert. Im Falle einer COVID-19-Infektion kann das Immunsystem überschießend reagieren – ein sogenannter Zytokinsturm, der den Zustand der Patient:innen dramatisch verschlimmert. Tocilizumab ist kein Virostatikum, es wirkt nicht gegen SARS-CoV-2. Auch wurde der IL 6-Hemmer nicht speziell zur Behandlung von COVID-19 entwickelt. Tocilizumab ist bereits in anderen Indikationen zugelassen und wird dort seit Jahren eingesetzt. Dazu zählen neben Rheumatoider Arthritis auch der Zytokinstum im Rahmen von CAR-T-Zell-Therapien. Auch beim schweren oder lebensbedrohlichen Zytokin-Freisetzungs-Syndroms (Cytokine Release Syndrome, CRS) darf Tocilizumab bei Erwachsenen und Kindern bereits ab zwei Jahren angewendet werden. Appliziert wird Tocilizumab als intravenöse Infusion.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Bald neue Behandlungsoption bei Corona?

EMA prüft Tocilizumab bei schwerem COVID-19

Roactemra nur in Kombination mit Corticosteroiden

Tocilizumab ist nun auch in der EU gegen COVID-19 zugelassen

Gichtmittel enttäuscht

Colchicin nutzt nichts bei COVID-19

Neuigkeiten zu SARS-CoV-2 in Kürze

Corona-Ticker

Drittes Ergebnis aus RECOVERY

Lopinavir/Ritonavir ebenfalls durchgefallen

Kein Nutzen gegen Thrombosen bei schwerem COVID-19

Auch ASS in der RECOVERY-Studie durchgefallen

IL-6-Rezeptor-Blocker verstärkt die Wirkung von Glucocorticoiden

Auch Tocilizumab senkt Sterblichkeit

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.