DAZ-Jahresrückblick

Die zehn lästigsten Lieferengpässe des Jahres

27.12.2019, 17:45 Uhr

Die massiven Lieferengpässe ließen Apotheker und Patienten oft ratlos zurück. (Foto: Nestor/stoc.adobe.com)

Die massiven Lieferengpässe ließen Apotheker und Patienten oft ratlos zurück. (Foto: Nestor/stoc.adobe.com)


Zoely, Grippeimpfstoff und Shingrix

Platz 7: Zoely®

Von wegen pillenmüde: Als in diesem Jahr die Zweifachkombipille Zoely® nicht verfügbar war, waren Ärzte, Apotheker und vor allem Patienten schlagartig hellwach, denn es fehlte schlicht eine Alternative. Zoely ist die einzige Pille mit 17β-Estradiol, das mit dem körpereigenen Östrogen identisch ist, und auch die Gestagen-Komponente Nomegestrolacetat findet man sonst in keinem anderen Präparat. Mitte Mai vertröstete der Hersteller die Frauen auf die 24. Kalenderwoche (KW). In der Zwischenzeit versuchte man, das Präparat aus anderen Ländern Europas, wie Spanien und den Niederlanden oder der Schweiz, zu importieren. Doch der Einzelimport nach § 73 Abs. 3 AMG war nicht zulässig, da es sich bei Zoely um ein zentral zugelassenes Präparat handelt. Seit der KW 34 ist die begehrte Pille wieder lieferbar, zunächst ein­geschränkt als Monatspackung, seit November wieder vollumfänglich.

Platz 6: Grippeimpfstoff

Für Lieferengpässe bei Impfstoffen ließe sich eine eigene Hitliste erstellen, in der auch Varivax® (gegen Varizellen), Priorix Tetra® (gegen Mumps, Masern, Röteln und Windpocken) und Rabipur® (gegen Tollwut) einen der vorderen Plätze verdient hätten. Doch sollen an dieser Stelle nur Vertreter gewürdigt werden, die fast täglich für Ärger sorgten. Jahr für Jahr sind die Apo­theken darum bemüht, die Patienten zur Influenza-Impfung zu motivieren. Wenig Sinn macht der Aufwand jedoch, wenn Deutschland der Impfstoff ausgeht – so geschehen in der Saison 2018/2019. Bereits im November wurde aufgrund der Liefer- und Verteilungsschwierigkeiten der Versorgungs­mangel ausgerufen . Diese Feststellung ermöglichte es den zuständigen Landesbehörden, nach Maßgabe des § 79 Abs. 5 und 6 AMG im Einzelfall und befristet von den normalerweise bestehenden strengen Vorgaben des Arzneimittelgesetzes abzuweichen. Impfstoffe durften nun aus dem Ausland importiert und unter Apotheken getauscht werden. Mitte Mai 2019 wurde der Versorgungs­mangel offiziell für beendet erklärt – pünktlich zum Ende der Grippesaison. Das soll sich in der aktuellen Saison nicht wiederholen: Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hatte Anfang Oktober schon deutlich mehr Impfdosen freigegeben als für die gesamte Grippesaison 2018/2019 (17 vs. 15,7 Mio.) .

Platz 5: Shingrix®

Und noch ein weiterer Impfstoff brachte (und bringt) Deutschland in Bredouille. Der Herpes-zoster-Impfstoff Shingrix® ist seit dem 1. Mai 2019 für Personen ab einem Alter von 60 Jahren sowie für Personen mit einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung ab einem Alter von 50 Jahren eine Kassenleistung. Auf den Ansturm, der auf diese Neuerung folgte, war Glaxo­SmithKline offensichtlich nicht vor­bereitet: Sowohl die 10er- als auch die 1er-Packung stehen seit Mai auf der Engpassliste des PEI. Die Ständige Impfkommission (STIKO) sprach sich dafür aus, noch vorhandene Dosen vorzugsweise für die Komplettierung begonnener Impfserien einzusetzen. Neue Impfserien sollen erst begonnen werden, wenn die Gabe der zweiten Impfdosis sichergestellt ist – das kann noch dauern. Optimalerweise soll die zweite Gabe nach zwei bis sechs Monaten erfolgen. Eine Phase-III-Studie mit 354 Teilnehmern ergab aber, dass auch nach einem Impfabstand von zwölf Monaten 94,5% der Probanden eine ausreichende Immunität auf­weisen  – besser spät als nie.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Austauschmedikamente

von Fuss am 30.12.2019 um 14:28 Uhr

!0 mg Wirkstoff sagt noch nichts über seine Partikelgröße(Korngröße) aus.
Z.B 0,0004 mg Korngröße 20 % Wirksamkeit, aber
0,000004 mg Korngröße hat 90 % Wirksamkeit am Erfolgorgan. So hat es mir mal ein Sachverständiger erklärt. Daher ein Preisunterschied, weil es bei der noch kleineren Korngröße ein Patent ins Spiel kommt.
Meine Frage: bei den Generika wird auch dieser Aspekt diskutiert?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Antidepressiva

von Bernd Jas am 28.12.2019 um 10:06 Uhr

Wir haben gestern nach Doxepin xy mg gesucht und sind nur bei einer Stärke und Packungsgröße von Aponal fündig geworden.
Mit dem Wissen und der Kenntnis um die Lieferengpässe angesichts der Absetzproblematik von Antidepressiva, bekommt man schon bei der Verordnung (hier die Arztpraxis) oder der Abgabe (hier die Apotheke) Depressionen.
Hier sind wir die als Deppen gehaltenen Sklaven, die, die Lösungen finden MÜSSEN.

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AW: Antidepressiva

von Patrick Mages am 29.12.2019 um 5:48 Uhr

Bei der Lösung der Problematik gilt es mit Kompetenz zu antworten. Natürlich legt uns die Politik strenge Fesseln an, sodass die Endverantwortung doch wieder beim Arzt liegt. Aber auch ich habe Therapieideen ausgesprochen, über die der Patient dann natürlich mit dem Arzt zu sprechen hat, sofern das Problem durch reine Logistik nicht zu lösen ist. Der Umstieg auf andere Wirkstoffe muss ja fast in Betracht gezogen werden, da nach hoher Dosierung innerhalb der Therapie ein völliges Ausbleiben einer Einnahme zu klinikbedürftigen Symptomen führt. Dass Lieferengpässe wiederum einen Einfluss auf die Therapiegestaltung haben ist jedoch ein Umstand sondergleichen und lässt selbst mich ohne Worte zurück.

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