Nahrungsergänzung & KARDIOVASKULÄRES RISIKO  

Omega-3-Fettsäuren: Ein leeres Versprechen?

Stuttgart - 16.02.2018, 13:15 Uhr

Sollte man seine Ernährung mit Omega-3-Fettsäuren supplementieren? (Foto: lecic / stock.adobe.com)

Sollte man seine Ernährung mit Omega-3-Fettsäuren supplementieren? (Foto: lecic / stock.adobe.com)


Können Fischölkapseln vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen? Die Studienlage ist unübersichtlich. Zu Beginn des neuen Jahres kommt nun im Journal JAMA eine neue Meta-Analyse zu dem Schluss: Aktuelle Empfehlungen zur Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren können in der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen nicht unterstützt werden.

Gänzlich neu ist das Ergebnis der aktuellen Meta-Analyse aus dem Journal JAMA nicht. Die Auswertung von zehn Studien mit insgesamt 77.917 Teilnehmern kommt zu dem Schluss, dass eine Nahrungsergänzung mit meeresbasierten Omega-3-Fettsäuren über durchschnittlich 4,4 Jahre die Häufigkeit Koronarer Herzkrankheit (mit oder ohne Todesfolge) oder das Auftreten von schwerwiegenden vaskulären Ereignissen nicht signifikant reduziert. Daraus schließen die Studien-Autoren, dass entsprechende Nahrungsergänzungsmittel aktuell nicht empfohlen werden können – zumindest nicht für Patienten, die an einer kardiovaskulären Erkrankung leiden oder ein hohes Risiko besitzen, eine solche zu entwickeln.

Vielzahl an Omega-3-Präparaten

Diesem Fazit gegenüber steht der Markt der Nahrungsergänzungsmittel. An „Fischöl“-Präparaten mangelt es nicht. So findet man auch in der Drogerie Präparate mit dem Health Claim „für eine gesunde Herzfunktion“. Aus der Apotheke kennt man Präparate wie omega3-Loges®, das bis vor kurzem noch den Namenszusatz „cardio“ trug. Seit 2018 wird der Hersteller aber im Rahmen der Novel Food Verordnung nicht mehr mit dem Inhaltsstoff Weintriebspitzen-Extrakt Vineatrol® beliefert, sodass das Präparat jetzt den Namenszusatz „plus“ trägt. Im Zuge dessen wurde aus dem Diätetikum auch ein Nahrungsergänzungsmittel mit der Aufschrift: „Unterstützt die normale Herz- und Gehirnfunktion und trägt zu einer gesunden Sehkraft bei.“ 

Omega-3-Fettsäuren: ALA, EPA und DHA

Omega-3-Fettsäuren sind eine Gruppe mehrfach ungesättigter Fettsäuren. 
Zu den bekanntesten Vertretern dieser Gruppe gehören die aus Pflanzen stammende α-Linolensäure (ALA) sowie die beiden in maritimen Organismen vorkommenden Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA).

Nur die α-Linolensäure ist essenziell. Bei einem Omega-6-Fettsäure-lastigen Verhältnis in der Nahrung wird endogen weniger EPA und DHA aus α-Linolensäure und dafür mehr Arachidonsäure aus den Omega-6-Fettsäuren gebildet. Der Omega-6-Fettsäure-Überschuss stammt meist aus tierischen Fetten.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt ein Fettsäure-Verhältnis zwischen Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren in der Nahrung von
maximal 5:1.

Lesen Sie mehr dazu in der DAZ 27/2014: Fetter Fisch für alle? Was Omega-3-Fettsäuren wirklich leisten

Auf der Homepage des Herstellers liest man auch: „Weltweit empfehlen zahlreiche Gesundheitsorganisationen eine tägliche Einnahme von mindestens 250 mg, besser 500 mg EPA & DHA in Form von frischem Fisch aufzunehmen.“ Weil eine solche Ernährung in der Praxis schwer umzusetzen sei, werden neben dem genannten Präparat auch Präparate für Veganer und eines für Kinder vertrieben.

"Wenn schon, dann Arzneimittel"

Im Jahr 2012 berichtete die DAZ über eine Empfehlung des Verbrauchermagazins „Öko-Test“, das zu diesem Ergebnis kam: Wer Omega-3-Fettsäuren einnehmen wolle, solle wenigstens zu Arzneimitteln aus der Apotheke greifen. Dazu zählen zum Beispiel die Weichkapseln Ameu® 500 mg (70 mg Icosapent, 50 mg Doconexent)  und die Fischöl-Kapseln Lipiscor® (70 mg Icosapent, 50 mg Doconexent). Beide erhielten von Öko-Test das Urteil „sehr gut“. Ein „gut“ erhielten damals die Omega-3-Konzentrat Weichkapseln Eicosan® 750 (mind. 97,5 mg Icosapent, mind. 67,5 mg Doconexent). Ameu® 500 mg und Eicosan® 750 wurden auch im Jahr 2005 von der Stiftung Warentest mit „gut“ bewertet.

Für alle lautet die Indikation: „Zur Senkung stark erhöhter Blut-Fett(Triglycerid)-Spiegel.“ Jedoch mit der Einschränkung, dass das Arzneimittel nur zusätzlich zu einer Diät verabreicht werden soll, wenn Ernährungsumstellung und Bewegung allein nicht ausreichen, um die Blut-Fett-Spiegel zu senken. Ob die durch das Arzneimittel bewirkte Triglyceridsenkung sich auch tatsächlich auf entsprechende Folgeerkrankungen auswirkt sei bislang nicht nachgewiesen, heißt es in der Fachinformation.

Die Studienlage 

Das Fazit in der DAZ Nummer 27 im Jahr 2014 fiel in einem Übersichtsartikel von Professor Dr. rer. nat. Martin Smollich und Dipl. med. päd. Birgit Blumenschein so aus: Die Studienlage sei unübersichtlich. Es gebe zwar zahlreiche Studien, die einen präventiven Effekt bezüglich kardiovaskulärer Erkrankungen zeigen, jedoch gebe es auch mindestens genauso viele, die derartige Effekte nicht nachweisen. Smollich und Blumenschein beschreiben, dass Metaanalysen die widersprüchliche Studienlage klären sollten. 

Als interessant beschreiben sie, dass lediglich jene Metaanalysen eine präventive Wirksamkeit zeigen, die auch Studien ohne Placebo-Kontrolle in die Auswertung einschlossen. Ansonsten zeigten die Metaanalysen zur Sekundärprävention keinen Effekt einer Supplementation mit Omega-3-Fettsäuren auf die Häufigkeit von Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Angina pectoris, kardiovaskuläre Mortalität oder Gesamtmortalität. 

Kardioprotektive Effekte einer Supplementation seien also – Stand 2014 – nicht nachzuweisen. Bei Patienten mit kardiovaskulärem Risiko nutze die Supplementation mit Omega-3-Fettsäuren nur dann, wenn sie nicht leitliniengerecht behandelt werden – ihnen also eine Therapie mit Statinen und Antihypertensiva vorenthalten wird. Für Gesunde sei es aber weiterhin sinnvoll mindestens zweimal pro Woche Seefisch zu essen. Vor allem im Zusammenhang mit einer abwechslungsreichen mediterranen Ernährung könne Fisch sicherlich zur Kardioprotektion beitragen.  

Das sagt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) stellt auf ihrer Homepage eine 2. Version (Stand 2015) der Leitlinie „Fettzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten“ zur Verfügung. 

Dort kann man auch einzelne Kapitel aufrufen, wie zum Beispiel: „Fettzufuhr und Prävention der Hypertonie“, „Fettzufuhr und Prävention der koronaren Herzkrankheit“, „Fettzufuhr und Prävention des Schlaganfalls“.

Im Kapitel zur KHK heißt es unter anderem: „Die Evidenz für eine primäre Prävention der KHK durch Zufuhr von langkettigen n-3 Fettsäuren wird als wahrscheinlich eingestuft. Dies gilt zumindest für eine Zufuhr von bis zu 250 mg EPA und DHA  pro Tag. Diese  Bewertung  ist  unabhängig von den aktuellen negativen  Ergebnissen der Interventionsstudien zur sekundären Prävention der KHK durch Supplementation von langkettigen n-3 Fettsäure-Äthylestern (Chowdhury et al. 2014) gültig.“ 


Die Evidenz für eine primäre Prävention der KHK durch Zufuhr von langkettigen n-3 Fettsäuren wird als wahrscheinlich eingestuft. Dies gilt zumindest für eine Zufuhr von bis zu 250 mg EPA  und DHA pro Tag.

Leitlinie „Fettzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten“; DGE 


Im Kapitel zur Prävention des Schlaganfalls steht: „Die verfügbaren Daten zeigen  mit wahrscheinlicher Evidenz, dass kein Zusammenhang zwischen der Zufuhr von langkettigen n-3 Fettsäuren und dem Schlaganfallrisiko besteht“, und „Es  gibt  eine wahrscheinliche Evidenz für einen fehlenden Zusammenhang zwischen der Zufuhr von ALA und dem Risiko für einen Schlaganfall."

Im Kapitel Hypertonie findet man hingegen: „Langkettige n-3 Fettsäuren haben mit wahrscheinlicher Evidenz eine blutdrucksenkende Wirkung. Blutdrucksenkende  Effekte sind mit den über die übliche Ernährung zugeführten Mengen an langkettigen n-3-FS nicht möglich.“

Das sagt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie

Auf den Internetseiten der DGK (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V.) findet man eine Pocket-Leitline zum Thema „Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ in der Version von 2016. Speziell zu Omega-3-Fettsäuren wird darin keine Empfehlung ausgesprochen. Es heißt aber: „Allgemein gilt, dass bei der Befolgung der Regeln für eine gesunde Ernährung keine Nahrungsergänzungsmittel benötigt werden.“ 


Allgemein gilt, dass bei der Befolgung der Regeln für eine gesunde Ernährung keine Nahrungsergänzungsmittel benötigt werden.

Pocket-Leitline zum Thema „Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen“; DGK 


In einer verwandten Leitlinie „Risikoadjustierte Prävention von Herz- und Kreislauferkrankungen“ aus dem Jahr 2007 hieß es: „Die  Kost  sollte  reich  an  einfach ungesättigten Fetten und an Omega-3-Fettsäuren sein. Dementsprechend  spielen Seefische, Vollkornprodukte, pflanzliche Öle und Nüsse, wie sie in der ursprünglichen mediterranen oder asiatischen Kost enthalten sind, eine wichtige Rolle.“ Etwa 1 g/Tag Omega-3-Fettsäuren seien in der Primärprävention wünschenswert. 

Die neuste Metaanalyse

Eingangs erwähnte Metaanalyse aus dem JAMA bestätigt nun erneut die geschilderte Situation, dass die Supplementation mit Omega-3-Fettsäuren das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen nicht beeinflusst. 

Die Daten von insgesamt 77.917 Probanden aus zehn Studien wurden ausgewertet. Die Teilnehmerzahlen der einzelnen Studien schwankten zwischen 563 und 18.645 Probanden. Acht der zehn Studien (aus den Jahren 1999 bis 2016) waren doppelt verblindet und Placebo-kontrolliert. Die Gefahr, dass die Ergebnisse einem Bias unterliegen könnten, wird von den Studienautoren als gering beschrieben, weil nur zwei der ausgewerteten Studien nicht Placebo-kontrolliert waren. In neun der Studien wurden Kombinationen aus EPA und DHA geprüft. Die Dosen schwankten dabei zwischen 226 mg und 1800 mg/Tag für EPA und zwischen null und 1700 mg DHA pro Tag. Die Einnahmedauer lag zwischen einem und 6,2 Jahren. 

Circa 60 Prozent der Probanden waren männlich und im Mittel 64 Jahre alt. Ungefähr 66 Prozent der Teilnehmer litten vor Beginn der Studie bereits an einer koronaren Herzerkrankung. 28 Prozent hatten bereits einen Schlaganfall. 37 Prozent waren zu Studienbeginn an Diabetes erkrankt. Um die 15 Prozent aller Teilnehmer erlitten während der Studiendauer ein schwerwiegendes vaskuläres Ereignis. In sieben Studien standen Daten zu einer vorausgegangenen Statin-Therapie zur Verfügung.

Den Studienautoren zufolge zeigte die Supplementation mit Omega-3-Fettsäuren keinen signifikanten präventiven Effekt – weder auf tödlich verlaufende koronare Herzerkrankungen, Herzinfarkte ohne Todesfolge, Schlaganfall, Revaskularisierungen noch auf schwerwiegende vaskuläre Ereignisse. Dieses Ergebnis gelte auch für alle Subgruppen der Probanden: vaskuläre Vorerkrankungen, Diabetes, schlechte Lipid-Werte oder Statin-Therapie. Ebenso habe sich keine signifikante Assoziation mit der Gesamtmortalität gezeigt.

Eine Stärke der Metaanalyse sei, dass sie keine Studien in die Auswertung einschloss, die den Effekt von Diät-Empfehlungen, Fisch zu essen, untersuchten.  

Helfen höhere Dosen?

Die Leitlinie zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen der „European Society of Cardiology and European Atherosclerosis Society“ aus dem Jahr 2016 hält die Frage, ob Omega-3-Fettsäuren einen positiven Effekt haben für strittig und auch die „2016 ESC/EAS guidelines for the management of dyslipidaemias“ hält weitere Daten für notwendig, um eine Verschreibung von Omega-3-Fettsäuren (zur Sekundärprävention) zu rechtfertigen.

Im Gegensatz dazu empfiehlt die American Heart Association seit dem letzten Jahr, dass Omega-3-Fettsäuren in der Prävention koronarer Herzerkrankungen bei bestimmten Subgruppen zur Anwendung kommen können – nämlich bei Patienten, die bereits an einer KHK leiden, und bei Patienten, die einen Herzfehler besitzen (mit reduzierter Ejektionsfraktion). 

Die aktuelle Metaanalyse kann jedoch die zugehörigen Empfehlungen circa 1 g Omega-3-Fettsäuren pro Tag zu sich zu nehmen nicht stützen. Laut den Studienautoren müsse man abwarten, ob sich in anderen Studien (z.B. REDUCE-IT) höhere Dosen von Omega-3-Fettsäuren (3-4 g/Tag) als nützlich erweisen. 

Übrigens...

Eine neue Studie vom 15.Februar 2018 besagt, dass der regelmäßige Verzehr von Joghurt mit einem verminderten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen verbunden sein soll (bei Hypertonikern und in Verbindung mit gesunder Ernährung). 

Prof. Dr. Clemens von Schacky, Geschäftsführer der Omegametrix GmbH, äußert auf Medscape Kritik an der neuen Metaanalyse: „Nahrungsergänzungsmittel mit Omega-3-Fettsäuren müssen zur Hauptmahlzeit eingenommen werden, damit sie vom Körper aufgenommen werden können. Außerdem spielt es für die Effektivität der Supplementation eine Rolle, wie hoch der Ausgangsspiegel an Omega-3-Fettsäuren ist.“ Diese wichtigen Aspekte seien in den großen Interventionsstudien nicht berücksichtigt worden.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

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Nahrungsergänzung

von Shapiro am 19.02.2018 um 10:44 Uhr

Danke für diesen Artikel. Auch ich halte nicht viel davon, Nahrungsergänzungsmittel als Ersatz für echte Arzneimittel zu sehen, auch präventiv nicht. Allerdings würde mich durchaus interessieren, ob bei den Studien auch die Art der Präparate berücksichtigt wurde: Oft fehlt bei den Herstellern jegliche Kompetenz, während z.B. Hersteller wie NeuroLab vital eben auch aus der Apotheke bekannt sind und ursprünglich von der Produktion medizinisch angeordneter Nahrungsergänzung herkommen. Nährstoffe müssen eben auch absorbiert werden können. Vielleicht kann die Autorin hierzu ein paar ergänzende Worte sagen?

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Ein anderer Aspekt

von Claus F. Dieterle am 16.02.2018 um 19:58 Uhr

Als Christ berufe ich mich auf die Verheißung in Psalm 92,15: "Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein...".

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