DAZ.Spezial - Eine kurze Karriere

Über Coca in der westlichen Medizin

Linz - 04.06.2016, 06:00 Uhr

Cocablätter (Foto: RioPatuca Images / Fotolia) Fotostrecke

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Eine Fortsetzung des Cocaschwindels

Zu den ersten Präparaten, die im deutschen Sprachraum beworben wurden, zählten die „Neuen amerikanischen Medicamente“ des „Specialarztes Dr. Sampson aus New York“, die bereits 1864 über einen Dr. Schulze in Berlin zu beziehen waren.100 Es seien nämlich seine „Peruanische Coca oder indische Betel Pillen, ein herrliches neues Mittel gegen Lungenschwindsucht (auch im vorgerückten Stadium), Asthma, Katarrhe, Husten und Halsleiden“.101 „Sampsons New York Pills“ hingegen waren eine „vollkommen sichere Hülfe für Schwächezustände junger und alter Männer, in wenigen Monaten die jugendliche Kraft bis ins höchste Alter wiederherstellend.“ Neben Coca enthielten sie auch fein gepulvertes Eisen. 1868 war zu erfahren, dass die „Mohren-Apotheke zu Mainz, welche im Besitze der Original-Rezepte ist“, drei verschiedene Arten an „Sampsons Coca-Pillen“, nämlich „gegen Brust- und Lungenleiden (I), Unterleibskrankheiten(II) und Schwäche-Zustände (III)“ anzubieten habe.102 Hermann Hager bezeichnete 1876 die Coca-Pillen des Apothekers Strauss in Mainz als „eine Fortsetzung des Cocaschwindels“, denn sie enthielten „hauptsächlich Stoffe, welche nicht Coca sind“.103

Das konnte aber deren kommerziellen Erfolg nicht aufhalten. Noch 1881 wurde für die Coca-Präparate des „Dr. Sampson“ aus der Mohren-Apotheke, Mainz inseriert.104 Sampson, der es mittlerweile bis zum Professor gebracht hatte,105 wurde zudem einer Art von „Germanisierung“ unterzogen. Denn zu den Forschungen am Krankenbette hatte ihn „Humboldt selbst“ aufgefordert, als dessen Schüler er sich nunmehr bezeichnete.106 In Amerika hingegen scheinen der besagte (Prof.) Dr. Sampson und seine Pillen – „Von allen Aerzten Amerika‘s in neuerer Zeit als das beste Mittel angewandt“107 – ziemlich unbekannt gewesen zu sein.108 Spätestens ab 1875 erhielt Sampson durch die „Präparate des Dr. Alvarez in Lima, welche von der Adlerapotheke in Paderborn hergestellt werden“ einen Marktbegleiter.109 Von Anfang an wurde betont, „die Dr. José Alvarez´schen Coca-Präparate“ seien „keine schwindelhaften Geheimmittel, sondern wirkliche Heilmittel die sichere und rationelle Hilfe gewähren“.110 Die Inserate für die Präparate von Sampson und Alvarez – nunmehr „von der Apotheke zum gold. Klopfer in Schaffhausen […] nach den Originalrezepten allein echt und unverfälscht dargestellt“ - erschienen auch in denselben Ausgaben von Zeitungen,111 bisweilen sogar auf derselben Seite.112 Alvarez musste mit Sampson gleichziehen und avancierte ebenfalls zum Professor.113

Für die „Alvazez´schen Coca-Pillen“, die man speziell verlangen sollte, um nicht mit einer der „neuerdings vielfach versuchten Nachahmungen“ abgespeist zu werden, wurde zumindest bis 1882 inseriert.114 Einen Eindruck von der Bandbreite der mit Coca möglichen Arzneiformen, Kombinationen und Indikationen gibt der Florentiner Apotheker Dante Ferroni. Neben einem Sirup gegen „Dyspepsien, Flatulenz, Gastralgien, und alle Magenaffectionen, die ihren Grund in träger Innervation haben“, hatte er die auf Reisen bequemer zu gebrauchenden Rotulae, einen Coca-Wein und eine Coca-Chocolade im Programm. Sein Balsamum de Coca war äußerlich „gegen Rheumatalgien, Neuralgien, Contusionen, Oedeme, Zerrungen, überhaupt gegen Geschwulst, Schmerz, Schwäche„ anzuwenden. Zudem vermarktete Ferroni „Arrowroot cum Coca“, einen guten „Nährstoff für cachektische Kinder in Folge von Scrofulose, Rhachitis oder Syphilis“, einen „Syrupus Cocae ferruginosus“ gegen „Bleichsucht, Anämie, für hysterische, nervöse, melancholische, schwächliche Frauenzimmer“ und einen „Syrupus de Coca cum joduro potassii“, „sehr zuträglich Syphilistischen, Scrophulösen, in allen Fällen, in denen das Jodkalium angezeigt ist, gegen chronische Rheumatosen“.115

Fremden-Blatt vom 6. Jänner 1870

Die glänzendsten Resultate mit Sampson's Coca-Pillen



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