Feuilleton

Zur Erinnerung: 150. Todestag von Carl Sigismund Kunth

Alexander von Humboldt (1769-1859) war als einer der bedeutendsten deutschen Naturforscher des 19. Jahrhunderts eine Autorität von Weltgeltung. Er hatte es sich zu seiner Lebensaufgabe gemacht, die Natur als Ganzes zu erfassen, zu beschreiben und zu erforschen. Zu diesem Zweck unternahm er zusammen mit dem französischen Botaniker Aimé Bonpland (1773-1858) von 1799 bis 1804 eine Forschungsreise nach Südamerika. Danach begannen sie in Paris mit der Auswertung ihres Materials, wobei Bonpland sich der Ordnung und Beschreibung der gesammelten Pflanzen widmete. Diese Arbeit ging allerdings nur sehr schleppend voran. Ab 1811 übernahm der Berliner Botanikprofessor Carl Ludwig Willdenow (1765-1812) die Bearbeitung, starb aber kurz darauf. Danach führte Carl Sigismund Kunth sie zu Ende.

Für die "Nova genera et species plantarum" (7 Bde., Paris 1815-1825) zeichnete er auf 700 Kupfertafeln sämtliche Analysen der Blütenteile der neuen Gattungen und Arten. Früher waren die in diesem Werk erschienenen neuen Pflanzennamen stets mit den Initialen der in der Titelei genannten Autoren verbunden: H. B. K. für Humboldt, Bonpland und Kunth. Aber aufgrund seiner großartigen Leistung wird Kunth seit einiger Zeit allein als Autor der von ihm neu benannten Pflanzen zitiert.

Carl Sigismund Kunth wurde am 18. Juni 1788 in Leipzig, als Sohn eines Lektors der englischen Sprache an der Universität, geboren. Nach dem Tode seines Vaters holte ihn sein Onkel Gottlob J. Chr. Kunth (1757-1829), der Lehrer und Erzieher der beiden Humboldt-Brüder Alexander und Wilhelm gewesen war, nach Berlin. Dort verschaffte er ihm eine Anstellung am Kgl. Seehandlungsinstitut, wo Kunth die Möglichkeit hatte, sich nebenbei in den Naturwissenschaften (Botanik und Chemie) weiterzubilden. In Alexander von Humboldt fand er einen Gönner, der ihn förderte und ihm das Studium der Botanik bei C. L. Willdenow ermöglichte. Bald war Kunth einer der besten Schüler von Willdenow.

Klassische Werke

Als seine erste Arbeit verfasste Kunth eine "Flora Berolinensis" (Berlin 1813, 2.Aufl. 1838, 2.Bd.), die er nach dem Linnéschen Sexualsystem ordnete. Aufgrund einer Empfehlung von Willdenow übertrug Humboldt Kunth die Bearbeitung der südamerikanischen Pflanzen. Mit Eifer und großer Gründlichkeit ging Kunth ans Werk und erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen voll und ganz. Während seines 17-jährigen Aufenthaltes in Paris veröffentlichte er weitere für die Botanik wichtige Werke, die bereits zu seinen Lebzeiten als klassisch galten. Dazu gehörte das prachtvoll ausgestattete Werk "Mimoses et autres plantes légumineuses du Nouveau Continent, recueillies par MM de Humboldt et Bonpland" (Paris 1819 - 1824); "Synopsis plantarum, quas in itinere ad plagam aequinoctialem orbis novi collegerunt A. de Humboldt et A. Bonpland" (Paris 1822 - 1825, 4 Bde.); die Monographie "Malvaceae, Büttneriaceae, Tiliaceae, familiae denuo ad examen revocatae characteribusque magis exactis distinctae, addita familia nova Bixinarum" (Paris 1822).

Während seines Aufenthaltes in Paris machte er mit bedeutenden französischen Botanikern (A. L. de Jussieu, R. L. Desfontaines u.a.) Bekanntschaft, wurde von diesen sehr geschätzt und arbeitete mit an den Verbesserungen von Jussieus natürlichem System der Pflanzen. Er bereiste die Schweiz und England und unternahm im Juli 1825 zusammen mit Humboldt eine geologische Exkursion in die Bretagne.

1829 verließ Kunth Paris und kehrte nach Berlin zurück, wo er neben H. F. Link (1767-1851) zum zweiten o. Professor der Botanik an der Universität ernannt wurde. Außerdem erhielt er, der seit 1829 o. Mitglied der Akademie der Wissenschaften war, den Posten als Vizedirektor des Botanischen Gartens und 1843 den Direktorenposten der Gärtnerlehranstalt in Berlin-Schöneberg.

Arzneipflanzen der Preußischen Pharmakopöe

Über 20 Jahre wirkte Kunth segensreich für die Wissenschaft am botanischen Institut. Neben seiner Lehrtätigkeit publizierte er zahlreiche Bücher und legte ein umfangreiches Herbarium an. Er schrieb u.a. über Gräser und Zypergräser ("Agrostographia synoptica" und "Cyperographia synoptica", 2 Bde. 1833 und 1837) sowie ein systematisches Pflanzenverzeichnis "Enumeratio plantarum omnium hucusque cognitarum secundum familias naturales disposita, adjectis characteribus, differentiis et synonymis" (5 Bde., Stuttgart u. Tübingen 1833-1850), das allerdings nur die Monokotyledonen umfasst und unvollendet blieb. Sein "Handbuch der Botanik" (Berlin 1831) wurde auch ins Niederländische übersetzt. Erwähnt sei noch sein für die Apotheker wichtiges Buch "Anleitung zur Kenntnis sämtlicher in die Pharmacopoea borussica aufgeführten officinellen Gewächse nach natürlichen Familien" (Berlin 1834).

Großes Herbarium

Das von Kunth geschaffene Herbarium enthielt ca. 55000 Arten. Es bestand aus einer allgemeinen Sammlung, den Pflanzen aus dem Pariser Museum und dem Jardin des plantes, einer Sammlung getrockneter Pflanzen aus dem Berliner Botanischen Garten sowie einer Sammlung ausländischer Holzarten. Nach Kunths Tod wurde dieses Herbarium gemäß seinem Wunsch an die preußische Regierung verkauft. Es bildete den größten Teil des Generalherbars des Berliner botanischen Gartens, das im Zweiten Weltkrieg bis auf einige ausgesuchte Typen ein Raub der Flammen wurde.

Trauriges Ende

Durch ständige Überarbeitung schadete Kunth seiner Gesundheit. In den letzten Lebensjahren häuften sich quälende Anfälle von Schwermut, die ihn aber nicht abhielten, seine begonnenen Arbeiten fortzusetzen. Obwohl er von den Seinen liebevoll gepflegt und ärztlich behandelt wurde, verschlimmerte sich sein depressiver Zustand. Nach einem viermonatigen Krankenlager durchschnitt er sich die Blutgefäße am Hals und verblutete innerhalb von wenigen Stunden am 22. März 1850.

Im Preußischen Staatsanzeiger Nr. 128 vom 9. Mai 1851 schrieb Alexander von Humboldt einen Nekrolog, an dessen Ende es heißt: "Das Andenken meines Freundes wird lange gefeiert werden; nicht bloß da, wo sein glänzendes wissenschaftliches Verdienst und sein Einfluss auf den analytischen und systematisch beschreibenden Teil der allgemeinen Pflanzenkunde erkannt werden kann, sondern auch bei denen, welche nach freier, rein menschlicher Ansicht zu schätzen wissen, Einfachheit eines gediegenen Charakters, Zartheit der Gefühle und die das Leben verschönende Anmut der Sitten. Ihm zu Ehren hatten Humboldt und Bonpland 1813 die Palmen-Gattung Kunthia (syn. Chamaedorea Willd.) benannt.

Literatur Allgemeine Deutsche Biographie 17, S.394-397. W. Koner: Gelehrtes Berlin im Jahre 1845. Berlin 1846, S. 191f. A. von Humboldt: Carl Sigismund Kunth. Arch. d. Pharmacie, Reihe 2, 67 (= ganze Folge 117) (1851), S. 209-213. W. T. Stearn: Humboldt, Bonpland, Kunth and Tropical American Botany. Lehre 1968, S. 140-142. Taxon 21 (1971), 494 (P). B. Zepernick u. F. K. Timler: Grundlagen zur 300-jährigen Geschichte des Berliner Botanischen Gartens. In: Englera 1 (1979), 71 f. (m. Bibliographie von 1850-1978), 129. P. Hiepko: Humboldt und die Botanik. In: Alexander von Humboldt - Netzwerke des Wissens (Katalog). Berlin 1999, S. 53.

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