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Pioniere der Arzneimittelforschung

Buchtipp

Ernst Mutschler und Christoph Friedrich nehmen ihre Leserinnen und Leser mit in eine Zeit, in der viele Patienten nach chirurgischen Eingriffen starben – aufgrund von Wundinfektionen.

Bakterien den Kampf ansagen

Joseph Lister legte den Grundstein zur antiseptischen Medizin. Er desinfizierte Geräte und auch die Haut vor Eingriffen mit Karbolsäure, also Phenol.

Sein Zeitgenosse Robert Koch begann, Bakterien systematisch zu erforschen. Auf seinen Schüler Emil von Behring gehen Schutzimpfungen, aber auch Immuntherapien gegen Diphtherie beziehungsweise Tetanus zurück. Schließlich führte Alexander Fleming mit Penicillin das erste Antibiotikum ein. Zuvor gab es das extrem toxische Salvarsan und ähnliche Verbindungen aus dem Labor von Paul Ehrlich. Auch Sulfonamide wie Prontosil wurden eingesetzt. Sie gehen auf Gerhard Domagk zurück.

Sternstunden der organischen Chemie

Aber nicht nur Infektionen quälten die Menschen zu damaligen Zeiten. Gerade Kinder litten an der Rachitis, einer Erweichung ihrer Knochen aufgrund von Vit­amin-D-Mangel. Adolf Windaus klärte die Struktur von Cholesterin, Gallensäuren und Vitaminen auf. Er entwickelte auch die industrielle Vitamin-D-Synthese. Bereits damals wurde Vigantol in den Markt eingeführt. Albert Szent-Györgyi isolierte Vitamin C und entdeckte dessen Bedeutung gegen die früher recht häufige „Seefahrerkrankheit“ Skorbut. Die organische Chemie war in vollster Blüte.

Julius Axelrod verhalf Paracetamol als Analgetikum zum Durchbruch. Und Leo Sternbach brachte mehr als 240 Arznei­mittel zur Patentreife, darunter Librium und Valium aus der Stoffklasse der Benzodiazepine.

Das gentechnologische Zeitalter beginnt

Nach dem Zweiten Weltkrieg hielten molekularbiologische Technologien Einzug in die Labors. Frederick Sanger und Kolleg/innen gelang es erstmals, Proteine beziehungsweise Nukleinsäuren zu sequenzieren. Damit wurden Gene sowie Genprodukte als Zielstrukturen der Pharmakotherapie erkannt. Heute gelten personalisierte Therapien bei Erkrankungen wie Krebs als erfolgversprechendste Strategie. Die Behandlung orientiert sich zunehmend an Biomarkern.

Bei aller Euphorie hat das alte medizinische Prinzip „primum non nocere“ („zuerst einmal nicht schaden“) auch in der Pharmazie seine Bedeutung. Koch geriet wegen seines wirkungslosen Tuberkulin-Serums in die Schlagzeilen. Und Widukind Lenz fand in Contergan die Ursache für das gehäufte Auftreten von Missbildungen bei Neuge­borenen. Auch solche dunklen Seiten beleuchten die Autoren.

Michael van den Heuvel

Ernst Mutschler und Christoph Friedrich: Leuchttürme – Erfolgreiche Arzneimittelforscher im 20. Jahrhundert

S. Hirzel Verlag 2020, gebunden, 308 Seiten; 21,80 Euro.

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