Arzneimittel und Therapie

Neues rund um Vitamin D

Erfolgreich in der Prävention chronischer Erkrankungen

Seit 40 Jahren beforscht Prof. Dr. Michael F. Holick vom Boston University Medical Center, Massachusetts, d as Thema Vitamin D und hat weltweit dazu beigetragen, dass die Bedeutung des Vitamin-D-Mangels bei der Entstehung chronischer Erkrankungen erkannt wurde. Unter anderem konnte er zeigen, dass die aktive Form von Vitamin D zur Behandlung hyperproliferativer Hauterkrankungen eingesetzt werden kann und etablierte so eine Therapie, die heute für viele Patienten mit leichter Psoriasis als Behandlungsoption der ersten Wahl gilt. Gemeinsam mit Apotheker Uwe Gröber von der Akademie für Mikronährstoffmedizin, Essen, hat Professor Michael F. Holick soeben ein Buch über das "Sonnenvitamin" Vitamin D veröffentlicht.
Expertenteam Apotheker Uwe Gröber (li) und Professor Michael F. Holick mit ihrem gemeinsamen Sachbuch über Vitamin D. Foto: Gröber

DAZ: Professor Holick, in Ihrem neuen Buch informieren Sie mit Tipps, Fallbeispielen und neuen Erkenntnissen über den aktuellen Stand der weltweiten Vitamin-D-Forschung. Wie wurde Ihr Interesse für Vitamin D geweckt?

Holick: In den 1970er Jahren war ich als Assistent an der Universität Wisconsin bei der wissenschaftlichen Koryphäe Prof. Dr. Hector DeLuca tätig. Mein erstes Projekt bestand damals darin, 25-Hydroxy-Vitamin-D3 aus dem menschlichen Blut zu identifizieren und zu isolieren. Nach drei Monaten hatte ich diese Arbeit erfolgreich abgeschlossen, wozu auch die Entwicklung einer neuen Trenntechnik gehörte. Für diese Ergebnisse erhielt ich meinen Master-Abschluss. Publiziert habe ich meine Arbeit zu 25-Hydroxy-Vitamin-D3 zusammen mit DeLuca in der Fachzeitschrift Archives of Internal Medicine.

Danach begann ich mit der Forschung für meine Doktorarbeit, bei der ich mein neues chromatographisches System zur Isolierung, Purifikation und Identifikation der aktiven Form von Vitamin D3 einsetzen konnte. Im Sommer 1970 begann ich für dieses Projekt damit, dass ich 1500 Küken mit einem Futter, das zu wenig Vitamin D3 enthielt, aufzog und ihnen eine physiologische Dosis von 10 I.E. radioaktiv markiertem Vitamin D3 verabreichte. Im Januar 1971 gelang es mir, 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D3 als aktive Form von Vitamin D3 zu isolieren, zu reinigen und zu identifizieren. Für diese Forschungsarbeit erhielt ich meinen Doktortitel (PhD). Mich faszinierte zunehmend der Gedanke, dass das Sonnenlicht dafür zuständig war, den Menschen mit Vitamin D zu versorgen, und mir wurde klar, dass wir keinerlei Vorstellung davon hatten, wie dies in der Haut vor sich geht und welche Faktoren diesen lebensnotwendigen in der Haut ablaufenden Prozess beeinflussten. Diese Faszination begleitet mich seit 40 Jahren Forschung zu Vitamin D bis heute.


DAZ: Welche richtungsweisenden Entdeckungen haben Sie zu Beginn Ihrer Forschungstätigkeit gemacht?

Holick: Als Assistent bei Hector DeLuca war ich derjenige, der erstmals die im Kreislauf am häufigsten vorkommende Form von Vitamin D, das 25-Hydroxy-Vitamin-D3, identifizierte. Damals war ich auch der erste, der die hormonaktive Form von Vitamin D, das 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D3, isoliert, gereinigt und identifiziert hat. Ich habe auch eine Ausbildung in organischer Chemie und war mit diesem Wissen an der 21-stufigen Synthese von 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D3 beteiligt. Unsere Arbeitsgruppe hat die erste chemische Synthese der aktiven Form von Vitamin D publiziert. Das von uns hergestellte 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D3 wurde in den ersten klinischen Studien verwendet, in denen seine Wirksamkeit bei der Behandlung der Vitamin D-abhängigen Rachitis Typ I (Pseudo-Vitamin D-Mangel-Rachitis) und des Hypoparathyreoidismus nachgewiesen wurde.


DAZ: Welchen Einfluss hatten Sie auf die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Vitamin D?

Holick: Im Jahre 1998 veröffentlichten wir in Lancet einen Artikel, in dem der Vitamin-D-Mangel neu definiert wurde. Vor unserer Publikation galt als Vitamin-D-Mangel allgemein ein 25-Hydroxy-Vitamin-D-Wert < 10 ng/ml. Wir konnten zeigen, dass der PTH-Spiegel bei gesunden Erwachsenen, denen man Vitamin D verabreicht, immer weiter ansteigt, bis eine Konzentration von 20 ng/ml im Blut erreicht wird. Deshalb definierten wir den Vitamin-D-Mangel neu. Wir waren auch die ersten, die gezeigt haben, dass 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D3 in den Zellen der Prostata produziert werden kann. Wir führten Studien durch, in denen der Einfluss von Längengrad, Tages- und Jahreszeit, Hautpigmentierung und Hautalterung auf die UV-induzierte Produktion von Vitamin D in der menschlichen Haut untersucht wurde. Ich war außerdem der erste, der die Anwendung von aktiviertem Vitamin D in die Therapie der Psoriasis einführte.


DAZ: Was sind heute unumstößliche Fakten zur Bedeutung von Vitamin D?

Holick: Vitamin D wird in seiner aktiven Form in unserem Körper nicht nur für den Knochenstoffwechsel, sondern für die reibungslose Funktion fast aller Zellen und Organe benötigt. Die Gesundheit der Gefäße, des Herzens, der meisten Organe und die intakte Funktion des Immunsystems sind von einer ausreichenden Versorgung mit Vitamin D abhängig. Das erklärt auch den hohen präventiven Stellenwert des Sonnenvitamins. Ein Vitamin-D-Mangel ist nicht nur ein Risikofaktor für Rachitis und Osteomalazie, sondern für viele Zivilisationskrankheiten, unter anderem für Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes mellitus, Krebs und Depressionen, um hier nur einige zu nennen. Auch das Risiko für Autoimmunerkrankungen wie multiple Sklerose oder Morbus Crohn wird durch einen Vitamin-D-Mangel gesteigert. Die wissenschaftlichen Belege dafür habe ich zusammengefasst in einer Übersichtsarbeit aus dem Jahre 2007 im New England Journal of Medicine.


DAZ: Und unter welchen Bedingungen ist eine Supplementierung von Vitamin D angeraten? Sollte jeder seinen Vitamin-D-Status kennen?

Holick: Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass es nahezu unmöglich ist, ausreichend Vitamin D aus Nahrungsquellen aufzunehmen. Grundsätzlich benötigen alle Kinder und Erwachsenen eine Vitamin-D-Supplementierung, außer sie setzen sich ausreichend lange der Sonneneinstrahlung aus. Wer allerdings oberhalb des 35. Breitengrades lebt, kann von Oktober bis März über die kutane Vitamin-D-Synthese seinen Vitamin-D-Bedarf nicht abdecken, da der UV-Index in der Regel unter 3 ist und die Intensität der UV-B-Strahlung für die natürliche Vitamin-D-Synthese nicht ausreicht. Kindern würde ich in dieser Jahreszeit empfehlen, 1000 I.E. täglich zu ergänzen und Erwachsenen mindestens 2000 bis 3000 I.E. Vitamin D. Unter dem Aspekt der optimalen Gesundheitsvorsorge sollte jeder seinen Vitamin-D-Status kennen. Ein optimaler 25-OH-Vitamin-D-Status liegt bei 40 bis 60 ng/ml bzw. 100 bis 150 nmol/l.


DAZ: Herr Gröber, Sie haben soeben mit Professor Holick gemeinsam ein Sachbuch über Vitamin D veröffentlicht. Wie haben Sie sich kennengelernt und wie kam es zu diesem Buch-Projekt?

Gröber: Ich habe Herrn Professor Holick 2011 auf dem internationalen Vitamin-D-Kongress in der Charité in Berlin kennengelernt. Mein Vortragsthema beinhaltete die Beeinträchtigung des Vitamin-D-Haushaltes durch Arzneimittel. Darüber hatte Professor Holick bereits einige Arbeiten publiziert, und hierüber kamen wir ins Gespräch. Im Herbst haben wir dann eine gemeinsame Arbeit über Vitamin D und Arzneimittel in der Medizinischen Monatszeitschrift für Pharmazeuten publiziert. Danach kam die Idee zu einem gemeinsamen Vitamin-D-Buch auf. Wichtig war uns dabei, dass das Buch praxisorientiert ist und zahlreiche Patientenbeispiele enthält.


DAZ: Welche Arzneistoffe können denn den Vitamin-D-Bedarf erhöhen?

Gröber: Eine Vielzahl von Arzneistoffen kann den Vitamin-D-Abbau durch die Induktion von Enzymen beschleunigen und dadurch einen Vitamin-D-Mangel (25-OH-D < 20 ng/ml) begünstigen. Zu diesen Arzneistoffen gehören unter anderen Carbamazepin, Phenytoin, Cyclophosphamid, Paclitaxel, Saquinavir, Cyproteronacetat, Nifedipin und Dexamethason. Grundsätzlich würde ich bei jeder Langzeitmedikation empfehlen, den 25-OH-Vitamin-D-Status zu kontrollieren, da bisher noch nicht alle Arzneistoffe beschrieben worden sind, die durch Enzyminduktion den Abbau des Vitamins fördern. Die genauen Mechanismen habe ich im Mai dieses Jahres in der Zeitschrift "Dermatoendocrinology" beschrieben.


DAZ: Herr Professor Holick, Herr Gröber, herzlichen Dank für das Gespräch!

Buchrezension


Die große Bedeutung des "Sonnenvitamins" Vitamin D für viele Aspekte unserer Gesundheit wird aktuell bei Wissenschaftlern, Medizinern und medizinischen Laien intensiv diskutiert. Das jetzt in der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft Stuttgart erschienene Buch "Vitamin D - Die Heilkraft des Sonnenvitamins" von Uwe Gröber und Michael Holick bietet sowohl Medizinern als auch medizinischen Laien eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich umfassend über den aktuellen Kenntnisstand zu informieren. Dabei werden sowohl die wissenschaftlichen Grundlagen des humanen Vitamin-D-Stoffwechsels und die facettenreiche Bedeutung von Vitamin D für die Gesundheit als auch das Spannungsfeld der negativen und positiven UV-Wirkungen umfassend erläutert.

Das Buch beinhaltet 301 Seiten, ist aufwändig gestaltet, optisch sehr ansprechend und leicht zu lesen, auch durch zahlreiche Abbildungen und Tabellen sowie den Einsatz von Textfeldern wie "Info" und "Tipp". Es ist klar strukturiert, ausgezeichnet gegliedert, spannend und allgemeinverständlich geschrieben. Besonders hervorzuheben sind die vielen, sehr gut umsetzbaren Empfehlungen zum praktischen Umgang mit dem "Sonnenvitamin". Daneben finden sich auch Interviews namhafter Experten und ein Kongressbericht. Insgesamt spiegelt der Inhalt die herausragende Expertise der Autoren zum Thema wider.

Man kann den Autoren zu diesem exzellenten Buch gratulieren und es einer breiten Leserschicht uneingeschränkt als spannende und informative Lektüre empfehlen!


Prof. Dr. med. Jörg Reichrath, Leitender Oberarzt und ständiger Vertreter des Klinikdirektors Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar


Uwe Gröber, Michael F. Holick

Vitamin D.

Die Heilkraft des Sonnenvitamins

Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2012.

304 S., 155 farb. Abb., 17 farb. Tab., Kartoniert, Subskriptionspreis bis 31. Januar 2013: 36,00 Euro

ISBN 978-3-8047-3037-3


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DAZ 2012, Nr. 45, S. 48

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