Berichte

International Nitrate Conference 2000

Am 25. August 2000 fand in Düsseldorf unter der Leitung von Priv.-Doz. Dr. Georg Kojda, Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie der Universität Düsseldorf, die "International Nitrate Conference 2000, Organic Nitrates: State of the Art" statt. 200 Tagungsteilnehmer aus 30 verschiedenen Ländern konnten ein Vortragsprogramm verfolgen, das vom Wirkungsmechnamismus bis zu den vorliegenden klinischen Erfahrungen alle wichtigen Aspekte der Nitrattherapie abdeckte.

Die Tagung war dem Gedächtnis von Prof. Dr. Eike A. Noack gewidmet, der nach fast 30-jähriger Tätigkeit als Pharmakologe in Düsseldorf vor etwa einem Jahr im Alter von 62 Jahren verstorben ist. Wie der Leiter des Instituts, Prof. Dr. K. Schrör, in seiner Gedenkrede festhielt, war Professor Noack nicht nur ein angesehener Wissenschaftler, sondern auch ein sehr angenehmer Kollege.

Zuerst gab Prof. Dr. A. Schrey (ehem. Schwarz Pharma AG) einen kurzen aber interessanten Überblick über die Entwicklung der Mononitrate bis zur Marktreife. Dabei führte er aus, dass Isosorbidmononitrat zuerst in Schweden und dann in Deutschland eingeführt wurde.

Interessanterweise kam es seitens der Laienpresse in den ersten Jahren immer wieder zu plakativ geäußerten Zweifeln an der Wirkung, die jedoch auf der Basis klinischer Daten rasch ausgeräumt werden konnten.

Gefäßwirkung von NO

Prof. Dr. H. L. Fung (Pharmakologie, Buffalo, USA) erläuterte in seinem Vortrag, dass organische Nitrate nicht nur über die bereits bekannte vaskuläre Metabolisierung zu Stickstoffmonoxid (NO) vasodilatatorisch wirken, sondern offensichtlich auch vasodilatatorisch wirksame körpereigene Peptide wie das "calcitonin-gene-related-peptide" (CGRP) freisetzen können. So konnte er in seinem Vortrag eine Reihe neuer Befunde darlegen, die zeigen, dass CGRP-Antagonisten die vasodilatatorische Wirkung organischer Nitrate deutlich reduzieren. Welchen Anteil dieser neue Wirkungsmechanismus an der klinischen Wirkung hat, müssen weitere Studien klären.

Prof. Dr. Bassenge (Physiologie, Freiburg) zeigte auf, wie die Gefäßwirkung der Nitrate zu einer Umverteilung des Blutes im Körper führt, die letztlich den klinisch nutzbaren antianginösen Effekt vermittelt. Wesentlich dabei ist das "venöse Pooling", welches auf einer Umverteilung des Blutes vor allem in die kleineren Venolen beruht. Es führt zu einer deutlichen Reduktion der Vorlast des Herzens, die sich nicht nur bei koronarer Herzkrankheit, sondern auch bei Herzinsuffizienz oder Ösophagusvarizen als vorteilhaft erwiesen hat.

Bassenge machte darauf aufmerksam, dass eine Nitrattoleranz, die durch kontinuierliche Gabe eines Glyceroltrinitrat-Pflasters entsteht, durch die gleichzeitige Gabe von Vitamin C verhindert werden kann. Dies beruht wahrscheinlich darauf, dass die Nitrattoleranz durch eine erhöhte Bildung von Superoxidradikalen mitverursacht wird und Vitamin C als Radikalfänger diesem Prozess entgegenwirkt.

Prof. Dr. D. G. Harrison (Kardiologie, Atlanta, USA) erläuterte, welche Bedeutung dem "vaskulären oxidativen Stress" für die Pathogenese der koronaren Herzkrankheit zukommt und wie Nitrate in diesen Prozess eingreifen. Dabei machte auch er deutlich, dass es unbedingt erforderlich ist, eine Nitrattherapie nach einem exzentrischen Dosisschema (nächtliche Nitratpause!) durchzuführen.

Nach unseren bisherigen Erkenntnissen stellt der vaskuläre oxidative Stress eine Hauptkomponente der Pathogenese der Atherosklerose dar. Es sind also vor allem vermehrt gebildete Sauerstoffradikale, die den vaskulären Entzündungsprozess auslösen, dessen Folgen wie Schlaganfall und Herzinfarkt nur allzugut bekannt sind.

Neuere In-vivo-Untersuchungen haben gezeigt, dass Stickstoffmonoxid den vaskulären oxidativen Stress über die vermehrte Expression einer Isoform der Superoxiddismutase – der extrazellulären Superoxiddismutase – vermindern kann. Dieses Enzym wird in glatten Gefäßmuskelzellen exprimiert und liegt an deren Oberfläche gebunden vor. Zukünftige Untersuchungen müssten zeigen, ob sich ein solch günstiger Effekt auch bei einer Therapie mit organischen Nitraten, deren wirksamer Metabolit Stickstoffmonoxid ist, beobachten lässt.

Anwendungsbeobachtungen und klinische Studien

Prof. Dr. S. Silber (München) beurteilte die Bedeutung der Nitrattherapie aus der Sicht eines niedergelassenen Kardiologen. Er sprach den Nitraten eine gute antianginöse Wirkung zu und wog deren Einsatz gegen invasive Verfahren wir Angioplastie und Bypass-Operation ab.

Dr. A. Zeiher (Kardiologie, Frankfurt) berichtete über neue klinische Studien zu organischen Nitraten und diskutierte in seinem Vortrag die bislang ungeklärte Frage, ob die Wirkstoffgruppe nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Prognose von KHK-Patienten verbessern kann. Groß angelegte klinische Studien nach akutem Myokardinfarkt, bei welchen der Effekt einer 4 bis 6 Wochen dauernden Nitrattherapie auf die Mortalität geprüft wurde, ließen höchstens einen günstigen Trend, keinesfalls aber einen gesicherten Effekt erkennen. Einzige Ausnahme sei die Kombinationstherapie mit ACE-Hemmern (Captopril), denn organische Nitrate verbesserten die durch Captopril induzierte Reduktion der Sterblichkeit signifikant von 12% auf 18%.

Prof. Dr. H. Bult (Pharmakologie, Antwerpen, Belgien) wog eine möglicherweise vasoprotektive Bedeutung verschiedener NO-Donatoren gegenüber der Progression der Atherosklerose ab und erläuterte die bisher dazu vorliegenden tierexperimentellen Studien. Er kam zu dem Schluss, dass bislang zuwenig Daten vorliegen, um die theoretisch durchaus mögliche günstige Wirkung von Nitraten auf die Atheroskleroseprogression konstatieren zu können.

Das Vortragsprogramm der Tagung wurde durch eine interessante Postersession ergänzt. Hier zeigten junge experimentelle und klinische Forscher neue und möglicherweise zukunftsweisende Ergebnisse. Den ersten Posterpreis, der freundlicherweise von Schwarz Pharma AG gestiftet wurde, erhielt Dr. A. Moeller, Assistenzarzt an der Universitätsfrauenklinik Jena, für eine Studie an 50 Schwangeren, die wegen vorzeitiger Wehentätigkeit mit organischen Nitraten behandelt wurden. Es stellte sich heraus, dass die Nitrate genauso effektiv wie die Standardtherapie mit dem b-Sympathomimetikum Fenoterol waren, aber deutlich weniger Nebenwirkungen verursachten. Diese Studie stimmt mit bereits publizierten klinischen Berichten gut überein und lässt vermuten, dass sich organische Nitrate in Zukunft auch in der Gynäkologie/Geburtshilfe als Pharmakotherapeutikum etablieren könnten.

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