Arzneimittel und Therapie

Zu viele Pyrrolizidinalkaloide in Stilltees?

Hersteller messen andere Werte als Öko-Test

daz | In der Novemberausgabe der Zeitschrift Öko-Test erhielten Stilltees aus der Apotheke reihenweise mangelhafte bis ungenügende Bewertungen. Grund war unter anderem ein zu hoher Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden und Pestiziden. Die Hersteller geben an, andere Werte als Öko-Test gemessen zu haben, die unterhalb definierter Toleranz­werte lagen. Wie ist das möglich?

Pyrrolizidinalkaloide zeigten in Ratten und in Zellmodellen eine lebertoxische und genotoxisch-kanzerogene Wirkung. Obwohl es bisher keine epidemiologischen Studien zur Krebsauslösung am Menschen gibt, schreibt man diesen Pflanzeninhaltsstoffen ein gesundheitsschädigendes Potenzial zu. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verlangt, dass in einer Tagesdosis nicht mehr als 1,0 µg Pyrrolizidinalkaloide (PA) enthalten sein dürfen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um einen gesetzlich festgelegten Wert, sondern lediglich um eine Vorgabe. Die europäische Arzneimittelagentur (EMA) gibt einen strengeren Wert von 0,35 µg pro Tagesdosis vor. Er soll in den kommenden drei Jahren angestrebt werden. Die Hersteller von pflanzlichen Produkten, die auf Wildsammlung zurückgreifen, haben somit ein Problem: Auf einer Fläche von 1 ha mit ca. 50.000 bis 60.000 Pflanzen reichen bereits wenige Pyrrolizi­dinalkaloid-haltige Beikräuter, um Toleranzwerte zu überschreiten.

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Bei bis zu sechs Tassen pro Tag und je einem Teebeutelgewicht von 2 g dürfen bei einer 60 kg schweren Person laut BfR nicht mehr als 35 µg Pyrrolizidinalkaloide pro kg Teedroge enthalten sein. Nach Herstellerangaben liegen die Messwerte unter diesem Toleranzwert.

Viele Werte, große Verwirrung

Öko-Test bezieht sich bei seiner Bewertung auf einen vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohlenen Tagestoleranzwert von 0,007 µg/kg Körpergewicht (0,42 µg für einen 60 kg schweren Menschen). Dieser Wert wurde in den geprüften Chargen der Stilltees von Bombastus, Weleda und Aurica überschritten, sodass diese Tees mit der Note „mangelhaft“ bewertet wurden. Beim Stilltee von H&S wurden zusätzlich erhöhte Pestizid-Werte und chlorierte Verbindungen wie PVC und PVdC in der Verpackung gefunden, was zur Note „ungenügend“ führte.

Wir haben die vier Hersteller darum gebeten, zu der Beurteilung von Öko-Test Stellung zu nehmen. Jeder von ihnen hat nach Veröffentlichung der Bewertungen die betroffenen Chargen noch einmal überprüft. Auffällig ist, dass in den von den Herstellern selbst oder in deren Auftrag durchgeführten Kontrollen sowie in den Nachprüfungen deutlich niedrigere PA-Werte gemessen worden sind als bei Öko-Test. Die Firma Aurica weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass sie bei der Bewertung ihrer Chargen einen Eingriffswert von 160 µg/kg Kräuterteemischung zugrunde legt sowie einen Health Based Guidance Value von 0,1 µg/kg KG und Tag festgelegt hat, bei dem das Erzeugnis als nicht sicher angesehen wird. Im Rahmen der Nachuntersuchung der von Öko-Test überprüften Charge mit dem Haltbarkeitsdatum 02/2018 konnte das beauftragte Labor im Rückstellmuster der Rohware keine PA nachweisen. In dem Chargen-Rückstellmuster des Tees wurde ein Wert von 25 µg/kg gefunden. Dieser Wert lag sowohl deutlich unter dem Eingriffswert der Firma Aurica (160 µg/kg) als auch unter dem von Öko-Test gemessenen Wert. Auch die Firma Weleda hat mit 23 µg/kg Tee einen deutlich niedrigeren Wert als Öko-Test gemessen. Der Hersteller H&S verweist auf einen Wert von 24 µg/kg, den der Teelieferant für die betroffene Charge gemessen hat. Eigene Messungen haben 13 µg/kg ergeben, sodass H&S unter Berücksichtigung der Messtoleranz von vergleichbaren Werten ausgeht.

Unterschiedliche Messergebnisse können auch Folge einer inhomogenen Verteilung der mit PA-belasteten Pflanzen sein. Das erschwert die Probenziehung und den Erhalt eines repräsentativen Ergebnisses, wie H&S bestätigte.

Hersteller reagieren

Mangels gesetzlicher Vorgaben zur Probenziehung orientiert man sich bei H&S an den Empfehlungen der Europäischen Behörde für Lebensmittel­sicherheit (EFSA) und des BfR. Diese verweisen wiederum auf eine EG-Verordnung zu Probeentnahmeverfahren und Analysemethoden bei der Mykotoxin-Gehaltsbestimmung in Lebensmitteln. Unabhängig davon verzichtet H&S in den Stilltees inzwischen auf Bestandteile von Brennnessel, Rooibos und Eisenkraut, da hier das Risiko für eine Kontamination mit Pyrrolizidin­alkaloiden besonders groß ist. Bombastus begegnet der Problematik, indem die Chargenprüfung anhand einer Mischprobe aus einer für die Gesamtmenge repräsentativen Menge an Einzelproben durchgeführt wird.

Neben einem erhöhten PA-Gehalt begründete Öko-Test die Bewertung „ungenügend“ von H&S-Stilltee mit einem zu hohen Pestizid-Gehalt. Gefunden wurden 0,009 mg/kg Chlorpyrifos und 0,018 mg/kg Fernpropidin. Damit liegt laut Öko-Test der Pestizid-Wert über dem von der Richtlinie des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN) angegebenen Orientierungswert von 0,01 mg/kg. Allerdings erklärte H&S, dass sich dieser Orientierungswert auf ein frisches Produkt beziehe, für getrocknete Waren jedoch der Faktor 4 einbezogen werden müsse. Daraus ergebe sich ein Orientierungswert von 0,04 mg Pestizide/kg Trockenprodukt, der nicht überschritten worden sei. |

Quellen

Dingermann T, Zündorf I. Gelb ist nicht gleich gelb. DAZ 2016, Nr. 11, S. 34

Fragen und Antworten zu Pyrrolizidinalkaloiden in Lebensmitteln. Bundesinstitut für Risikobewertung, www.bfr.bund.de

Stellungnahmen der Firmen Aurica, Bombastus, H&S und Weleda

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