Ökotest

Blasentees fallen reihenweise durch

Stuttgart - 29.09.2016, 17:30 Uhr

Brennnesselblätter kommen bei Harnwegsinfekten in Form von Tee zum Einsatz. (Foto: eflstudioart / Fotolia)

Brennnesselblätter kommen bei Harnwegsinfekten in Form von Tee zum Einsatz. (Foto: eflstudioart / Fotolia)


Das Verbrauchermagazin Ökotest hat pflanzliche Mittel gegen Harnwegsinfekte getestet. Nur zwei Präparate erhielten das Gesamturteil „gut“. Besonders ernüchternd war das Ergebnis bei den Tees. Von 17 getesteten fielen 13 wegen hoher Pestizid-Rückstände durch, darunter auch welche aus der Apotheke. 

Grundsätzlich ist die Datenlage für pflanzliche Mittel zur Behandlung von Harnwegsinfekten schlecht. Es gibt keine Nutzenbelege. Die Kenntnisse zu den harntreibenden Eigenschaften beruhen nicht auf Studien, sondern auf Überlieferungen oder Erfahrungsberichten. Deswegen empfiehlt das Magazin Ökotest, bei Harnwegsinfekten zur Durchspülung der Harnwege auf vermehrte Flüssigkeitszufuhr zu setzen und Phytopharmaka nur zur Unterstützung anzuwenden. Und dann auch nur solche, die die Wirkstoffe Ackerschachtelhalmkraut, Birkenblätter, Brennnesselblätter, Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel, Orthosiphonblätter, Queckwurzelstock und samenfreie Gartenbohnenhülsen enthalten. Für sie ist die Datenlage noch am besten.

Bärentraubenblätter fallen durch

Bärentraubenblätter wirken zwar antibakteriell und eignen sich eigentlich auch zur Unterstützung, werden aber wegen einer möglicherweise krebsfördernden Wirkung abgewertet. Die jeweiligen Präparate fallen mit „ungenügend" durch. Gar keinen Wirksamkeitsbeleg gibt es laut Ökotest für Methionin. Die Tester raten daher ab. Mangelhaft lautet das Urteil für drei von vier Methionin-haltige Mittel (Methionin von Al, Stada und Acimethin®) im Test. Acimol® erhielt wegen Mängeln bei der Deklaration sogar „ungenügend" – es fehlte der Hinweis, bei länger andauernden Beschwerden einen Arzt aufzusuchen.

Insgesamt wurden nur zwei Präparate mit „gut" bewertet: Aqualibra® und Ardeynephron®. Cysto® Fink Mono, Canephron® Tropfen und Solidagoren® erhielten die Note „befriedigend“. Verantwortlich für den Abzug waren umstrittene Inhaltsstoffe, wie Alkohol in Canephron®, oder ein erhöhter Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden (PA) in Cysto® Fink. Cystinol® long schnitt mit „ausreichend" ab – der PA-Gehalt war stark erhöht. 

Vernichtendes Ergebnis bei den Tees

Bei den Tees schnitt keiner besser als „befriedigend" ab. Der Grund waren Verunreinigungen mit PA und Pestiziden bei allen außer den reinen Bärentraubenblättertees. Letztere wurden aber, ebenso so wie die anderen Bärentraubenblätterpräparate, mit „ungenügend" bewertet.

„Testsieger“ sind der Schachtehalmkrauttee von H&S sowie ein Discounterprodukt, der Multinorm® Nieren- und Blasentee von Aldi Süd mit der Note „befriedigend". Bei beiden war der Gehalt PA lediglich erhöht und damit niedriger als bei den anderen Tees (stark oder sehr stark erhöht). Der Blasen- und Nierentee® von Heumann sowie Heilusan® Blasen- und Nierentee wurden immerhin noch mit „ausreichend“ bewertet. Alle übrigen fielen mit „ungenügend“ durch. Auch Apothekenprodukte waren dabei, zum Beispiel der Harntee® von TAD, Blasen- und Nierentee von H&S, Aurica® Blasen- und Nierentee sowie Blasen- und Nierenspültee und der Brennnesselblättertee von Sidroga.

Rückruf getesteter Chargen 

Hinsichtlich der PA orientierten sich die Tester am strengeren Grenzwert der EMA, er liegt bei 0,35 Mikrogramm pro Tagesdosis für eine 50-Kilogramm schwere Person. Der Grenzwert des BfArM, der vorübergehend bis zur Umsetzung der EMA-Werte gilt, ist dreimal so hoch. Allerdings wurde er erst im März 2016 bekannt gegeben. Da war ein Teil der Produkte bereits freigegeben und ausgeliefert. So ist es möglich, dass einige im Handel befindlichen Tees darüber liegen, nämlich die von Bad Heilbrunner, Nestmann, Müller Drogeriemarkt, TAD Pharma, Infirmarius, Heinrich Klenk und Sidroga. Sie dürften heute gar nicht mehr freigegeben werden. Sidroga hatte später die getesteten Chargen des Blasen-Nieren-Spültees aus den Apotheken zurückgerufen, berichtet Ökotest. Laboruntersuchungen hatten die Ergebnisse zur PA-Belastung bestätigt.

Ökotest weist außerdem auf die Grenzen der Selbstmedikation hin. So soll bei anhaltenden Beschwerden, Fieber oder Blut im Urin grundsätzlich ein Arzt aufgesucht werden. Zudem sollten Männer, Kinder und Schwangere Symptome wie Brennen beim Wasserlassen in jedem Fall abklären lassen. 

Eine Übersicht über alle getesteten Präparate finden Sie hier. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Nieren- und Blasentee von kottas

von Fuchs am 21.09.2019 um 21:25 Uhr

Fällt dieser Tee auch unter die schlecht bewerteten?

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wo bleibt das ZL?

von Gregor Huesmann am 30.09.2016 um 13:04 Uhr

Es ist immer wieder ernüchternd zu erleben, dass andere unseren Job machen. Wir behaupten immer, die Arzneimittelfachleute zu sein. Wo bitte hat ein Apotheker vor den Präparaten wegen erhöhter Pestizid- oder Pyrrolizidinalkaloid-Rückständen gewarnt? Wo der Hinweis, dass Wirksamkeitsbelege fehlen? Wo sind die Publikationen des ZL zu diesen Themen? Wir versagen als Berufsstand auf der ganzen Linie!

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