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Medikationsplan – zum Scheitern verurteilt?

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Es wird ernst! Ab dem 1. Oktober 2016 haben jetzt alle gesetzlich versicherten Patienten, die mehr als drei verordnete Arzneimittel erhalten, Anspruch auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan in Papierform durch ihren verordnenden Arzt, so will es das E-Health-Gesetz (siehe Medikationsplan Spezial S. 23). Die Aufklärung des Patienten über seinen Anspruch, die Erstausstellung und die Aktualisierung sollen die Hausärzte federführend übernehmen.

Doch nicht jeder Kassenpatient mit drei verordneten Arzneimitteln hat tatsächlich einen Anspruch auf den Plan. Denn die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung haben sich im Bundesmantelvertrag Ärzte stillschweigend darauf geeinigt, dass nur die Patienten einen Anspruch haben, die drei systemisch wirkende Arzneimittel dauerhaft über mindestens 28 Tage verordnet bekommen.

Warum diese Einschränkung, darüber lässt sich nur spekulieren. In jedem Fall wird dadurch die Zahl der Anspruchsberechtigten kleiner, die extrabudgetär vereinbarten Kosten für die gesetzlichen Kassen niedriger. Ob das allerdings im Sinne des Patienten ist und der Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit dienen wird, darf zu Recht bezweifelt werden.

Es darf auch bezweifelt werden, dass diese Einschränkung des Anspruchs durch die Hintertür im Sinne des Gesetzgebers ist. Denn ein Blick in den Referentenentwurf des E-Health-Gesetzes offenbart, dass zunächst nur ein Anspruch bei einer Verordnung von mindestens fünf Arzneimitteln vorgesehen war. Hier konnten wohl diejenigen Überzeugungsarbeit leisten, die die Notwendigkeit für einen Medikationsplan schon bei einer Verordnung von drei Medikamenten sahen.

Was bedauerlicherweise wohl im Sinne des Gesetzgebers war, ist die Tatsache, dass der Apotheker bei der Ersterstellung des Medikationsplans außen vor bleiben soll. Der Patient darf in der Apotheke nur darum bitten, dass sein Plan in Bezug auf abgegebene Arzneimittel aktualisiert wird. Damit verzichtet der Gesetzgeber schon bei diesem ersten kleinen Schritt zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit auf die Kompetenz einer wichtigen Berufsgruppe. Und er nimmt in Kauf, dass die Federführung von einer Gruppe von Ärzten übernommen wird, die schon immer gegen diesen Plan war und nur wenig Motivation erkennen lässt, ihn zum Erfolgsmodell werden zu lassen.

So übt Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, heftige Kritik an dem Plan auf Papier: er hält ihn für sinnlos und nicht erfolgversprechend! Auch mit der Honorierung ist er laut Branchenportal apotheke adhoc nicht zufrieden: „Das ist ein 1-Euro-Job. Das läuft auf passiven Widerstand hinaus.“

In der Tat ist der Medikationsplan von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn die Berufsgruppe, die den Patienten über seinen Anspruch auf den Plan aufklären soll und die Erstausstellung vornehmen muss, nicht mitspielen will. Bleibt zu hoffen, dass das Bundesministerium für Gesundheit erkennt, dass es hier auf das falsche Pferd gesetzt hat und dass es diesen Fehler schnellstmöglich korrigiert. Ohne Apotheker wird der Medikationsplan zum Rohrkrepierer werden, und ohne einen aktuellen und vollständigen Medikationsplan werden Medikationsanalyse und Medikationsmanagement Luftschlösser bleiben. Die Millionen, die das Bundesministerium für Gesundheit in den Aktionsplan Arzneimitteltherapiesicherheit gesteckt hat, werden verpuffen, das hehre Ziel „mehr Arzneimitteltherapiesicherheit“ wird in unerreichbare Ferne rücken.


Doris Uhl

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