Mehr als ein Stück Papier

Was der bundeseinheitliche Medikationsplan leisten kann

Beim „Medi“-Plan kochten bisher viele ihr „eigenes Süppchen“. Sowohl die Hersteller von Praxis-, Klinik- und Apotheken-Softwareprodukten als auch Datenbanken wie die SCHOLZ-Datenbank oder Akteure wie das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. bieten Möglichkeiten an, die aktuelle Medikation des Patienten tabellenartig darzustellen und auszudrucken. Nach dem Willen der Bundesregierung soll nun im Rahmen des eHealth-Gesetzes bereits 2016 der bundeseinheitliche Medikationsplan zum Einsatz kommen. Zwar wird er zunächst nur in Papierform vorliegen – doch dank des aufgedruckten 2D-Barcodes könnten Arzt und Apotheker elektronisch darauf zugreifen. Die Datenhoheit bleibt beim Patienten.

Von Claudia Bruhn 

Zum Zeitpunkt der Verordnung eines Arzneimittels oder beim Kauf rezeptfreier Medikamente in der Apotheke ist die komplette aktuelle Medikation des Patienten häufig entweder nur lückenhaft oder gar nicht bekannt. Dies gilt insbesondere bei einer Polymedikation. Die Risiken solcher Konstellationen werden bereits seit Langem diskutiert. Ein standardisierter, tabellenartiger Überblick über alle aktuellen rezeptpflichtigen und -freien Medikamente sowie gegebenenfalls Medizinprodukte, auf den sowohl der Arzt als auch der Apotheker und im Bedarfsfall die Klinik oder eine Pflege­einrichtung zugreifen kann, böte viele Vorteile. Doch es gibt auch Vorbehalte:

  • Die Ärzteschaft ist vor allem einer „zentralisierten Struktur“ gegenüber skeptisch. Sie wünscht weder eine „Überwachung“ ihres Verordnungsverhaltens noch eine Preisgabe von schützenswerten Informationen über ihre Patienten.
  • Selbstständige Apotheker, denen durch die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung bereits zahlreiche neue Dokumentationspflichten auferlegt wurden, werden angesichts eine weiteren „Liste“ möglicherweise Vorbehalte haben.

Patienten wäre bei der Einführung eines solchen Plans auch zu vermitteln, was er nicht sein kann: kein Rezeptersatz, kein Auszug aus der Krankenakte und auch kein Dokument, das „wie ein rohes Ei“ behandelt werden muss, im Gegenteil: Die Spezifikation des Plans enthält sogar eine Anleitung, mit deren Hilfe er etwa auf Scheckkartengröße gefaltet und damit bequem im Portemonnaie oder in der Jackentasche transportiert werden kann. Die Mehrzahl der Patienten wird die Papierform sicherlich begrüßen. Experten vermuten jedoch, dass sich hier durch die vielfältigen technischen Möglichkeiten in Zukunft auch ein Wandel vollziehen könnte – vorstellbar etwa als „Medikationsplan-App“.

Trotz aller „technischen Raffinessen“ soll der Patient stets uneingeschränkt Herr seiner Medikationsdaten bleiben. Er kann jederzeit darüber entscheiden, welche Inhalte auf dem Medikationsplan stehen sollen und wie er damit verfährt. Er kann das Dokument selbst nutzen, Dritte damit beauftragen, oder es auch vernichten.

Die Grundidee

Die Überlegungen zum bundeseinheitlichen Medikationsplan begannen bereits im Jahre 2010 im Rahmen des vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) herausgegebenen „Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimittel-Therapiesicherheit (AMTS) in Deutschland“, der zahlreiche Projekte und Forschungsvorhaben umfasst. Mitte 2013 wurde er bis 2015 fortgeschrieben. Ein Ziel bestand darin, einen bundesweit einheitlichen, Patienten-bezogenen Medikationsplan zu schaffen, der von den Softwareanbietern gleichermaßen in die Klinik-, Praxis- und Apothekensoftware integriert wird. Er sollte von jeder Arztpraxis, jedem Krankenhaus und jeder Apotheke erstellt, eingelesen, geändert und ausgedruckt werden können. Der Nutzen für den Patienten: Er erhält einen Überblick über alle verordneten und selbst gekauften Medikamente und kann bei Bedarf die Hinweise zur richtigen Anwendung nachlesen.

Die Entwickler des Medikationsplanes verweisen auf die besondere Bedeutung des 2D-Barcodes: „Dieser ist eine wesentliche Voraussetzung für die schnelle Aktualisierung des Medikationsplans, was die Akzeptanz bei den Anwendern erhöhen dürfte“, betonte Dr. med. Amin-Farid Aly, Referent Arzneimitteltherapiesicherheit in der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) im Rahmen eines Forums auf dem Jahreskongress 2015 des Bundesverbandes Managed Care e. V. (BMC) in Berlin. Die bequeme Aktualisierungsmöglichkeit ist besonders für die Patienten von Bedeutung, deren Medikation häufig wechselt; denn der Medikationsplan stellt lediglich den Informationsstand zu dem darin angegebenen Datum dar und kann schon am Folgetag „veraltet“ sein.

Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) § 31a:

Medikationsplan

(1) Versicherte, die mindestens fünf dauerhaft verordnete Arzneimittel anwenden, haben ab dem 1. Oktober 2016 Anspruch auf Erstellung und Aushändigung eines Medikationsplans in Papierform …

Viel Abstimmungsarbeit notwendig

Um die Umsetzung des BMG-Aktionsplans kümmert sich eine Koordinierungsgruppe (Koordinierungsgruppe AMTS), in der Ärzte, Apotheker (je ein Vertreter der ABDA und der ADKA), Patientenvertreter, ein Mitglied des Aktionsbündnis­ses Patientensicherheit sowie je ein Vertreter des Deutschen Pflegerates und der Deutschen Krankenhausgesellschaft mitarbeiten. In Workshops, zu denen auch Softwarehersteller eingeladen wurden, stellte man zunächst die notwendigen Basisinformationen für den Medikationsplan zusammen. Eine wichtige Forderung war dabei die Verständlichkeit für den Patienten. Aus diesem Grunde wurde z. B. der Begriff „Hypercholesterinämie“ durch die Angabe „Erhöhte Blutfette“ ersetzt (s. Abb.).

Nachdem Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe Mitte Januar dieses Jahres den Referentenentwurf für das neue eHealth-Gesetz vorgelegt hat, erhöht sich der Zeitdruck im Projekt Medikationsplan. Denn laut SGBV sollen ihn Patienten mit fünf und mehr regelmäßig einzunehmenden Arzneien bereits ab dem 1. Oktober 2016 in Papierform erhalten können (s. Zitat). Auch eine Übertragbarkeit auf die elektronische Gesundheitskarte (eGK) ist geplant, doch dafür steht noch kein Datum fest.

Foto: Bundesministerium für Gesundheit

Der bundeseinheitliche Medikationsplan – hier eine vorläufige Fassung – soll dem Patienten eine zusammenfassende Information über die von ihm aktuell einzusetzenden Arzneimittel bereitstellen und ihm Hinweise für deren richtige Anwendung geben. Grundlage dafür sind die Vorgaben von Heilberuflern bei der Arzneimittelverordnung oder beim Erwerb von Arzneimitteln zur Selbstmedikation. Darüber hinaus soll der Medikationsplan auch die am Medikationsprozess Beteiligten (in Arztpraxis, Krankenhaus, Apotheke, Pflegeeinrichtung) über die Gesamtmedikation des jeweiligen Patienten informieren.

Evaluation in drei Modellregionen

Die Grundstruktur des Plans steht bereits (s. Abb.). Vor der bundesweiten Implementierung ist noch eine ausführliche Erprobung hinsichtlich Akzeptanz und Praktikabilität vorgesehen. Dies geschieht derzeit in drei vom BMG geförderten Modellregionen in Thüringen, Sachsen und Nordbayern. Das Testprojekt in Sachsen/Thüringen trägt die Bezeichnung PRIMA (Primärsystem-Integration des Medikationsplans mit Akzeptanzuntersuchung). Getragen wird PRIMA von der ABDA, zu den Kooperationspartnern zählen unter anderen die FU Berlin, die AOK plus und die KBV. Die Ergebnisse der PRIMA-Evaluation werden auch in das ARMIN-Projekt (Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen) einfließen. Im September 2016 soll die Evaluation in allen Testregionen abgeschlossen sein. |

Quellen

[1] Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Aktionsplan 2010 – 2012 zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland. www.bmg.bund.de, Berlin, 19. Juni 2010.

[2] Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Aktionsplan 2013 – 2015 zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland. www.bmg.bund.de, Berlin, 6. Juni 2013.

[3] Koordinierungsgruppe zur Umsetzung und Fortschreibung des Ak­tionsplanes zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland. Spezifikation für einen patientenbezogenen Medikationsplan. Bearbeitet von Dr. Amin-Farid Aly, Berlin; Dr. Gunther Hellmann, Erlangen; Dr. Horst Möller, Bonn. Version 2.0, Dezember 2013

[4] Bundesministerium für Gesundheit. Referentenentwurf eines Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen vom 13.01.2015

[5] „Im Dienste des Patienten – Herausforderung Arzneimitteltherapie­sicherheit“. Thematisches Forum im Rahmen des Jahreskongresses „Patientenorientierung: Schlüssel für mehr Qualität“ des Bundesverbandes Managed Care e. V. (BMC), Berlin, 21. Januar 2015

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