Gesundheitspolitik

Die Wahl 09 –Arzneimittelpolitik auf den Punkt gebracht

Fragen des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten - VDPP an die Fraktion

Wie vor jeder Bundestagswahl erreicht den politisch Interessierten eine Flut von hehren Zielen und Gemeinplätzen. Um dem Fachpublikum und sich selbst eine Übersicht über die Standpunkte der einzelnen Parteien zu ermöglichen, hat der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP) jede der im Bundestag vertretenen Fraktionen Fragen zu zentralen Themen in der Apotheken- und Arzneimittelpolitik gestellt. So kann sich jede Leserin und jeder Leser ein eigenes Bild machen, die politischen Ansichten direkt miteinander vergleichen und überprüfen, inwieweit heutige politische Forderungen mit der tatsächlichen politischen Arbeit in der Vergangenheit übereinstimmen. Kurz vor der Wahl wird die DAZ führende Repräsentanten der Parteien befragen, wie sie zu den drängendsten Problemen stehen, mit denen sich die Apotheke konfrontiert sieht. Diese Aufstellung werden wir in der Montagsausgabe der DAZ vom 21. September veröffentlichen.

VDPP: In Deutschland wurde eine Vielzahl von Regelungsmechanismen zur Dämpfung der Arzneimittelausgaben der GKV eingeführt (Rabattverträge, Festbeträge, Importregelung, von der Erstattung ausgeschlossene Arzneimittel und Erkrankungen, Aut-idem-Regelung u. a.). Wie bewerten Sie diese Regelungen hinsichtlich ihrer Effektivität und ihrer Auswirkungen auf die Compliance der Patientinnen und Patienten? Welche anderen/weiteren Regelungen können Sie sich in Zukunft vorstellen bzw. welche sind aus Ihrer Sicht überflüssig? Wie stehen Sie insbesondere zur Einführung einer Positivliste?

CDU: Unverzichtbare Anforderungen an die Arzneimittelversorgung sind für uns unabhängige Information, Beratung und Betreuung, Sicherheit und Verfügbarkeit sowie Innovation, Vielfalt und Wirtschaftlichkeit.

Wir werden Auswüchse im Versandhandel eindämmen, den gesetzlichen Rahmen für Rabattverträge im Interesse der Wettbewerbs- und Verbraucherfreundlichkeit überarbeiten und die Vielzahl der zum Teil gegensätzlichen Instrumentarien zur Preisfindung und -festsetzung auf ihre Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit hin überprüfen. Die Union hat in der Vergangenheit die ideologischen Ausreißer, wie zum Beispiel die Zulassung von Apothekenketten und die Positivliste, erfolgreich verhindern können. Dadurch wurde erst wieder eine verlässliche Grundlage und Perspektive für die Leistungserbringer im Gesundheitswesen geschaffen. Wir lehnen die Einführung einer Positivliste auch weiterhin ab.

SPD: Die aufgeführten Regelungen stellen in ihrer Gesamtheit ein sehr flexibel handhabbares und politisch zielgerichtet nachjustierbares Instrumentarium zur Dämpfung der Arzneimittelausgaben dar. Insofern besteht kein Grund, einzelne Bausteine aus diesem Instrumentarium herauszulösen. Eine Positivliste dagegen ist hinsichtlich ihrer kostendämpfenden Wirkung und der Flexibilität der Anwendung diesem breit angelegten Instrumentarium unterlegen. Vor allem die Rabattverträge sowie die Regelung zur Verordnung preisgünstigerer, wirkungsgleicher Präparate wirken preisregulierend. Die Krankenkassen haben zudem gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt bekommen, Rabattverträge künftig auch für patentgeschützte Arzneimittel auszuhandeln, so dass auch in diesem Bereich ein zusätzliches preisregulierendes Element existiert. Durch die mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz eingeführte Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln wurde ein weiteres wirkungsvolles Instrument zur Umsetzung einer kosteneffizienten Arzneimittelversorgung geschaffen, dessen Wirkungen ebenfalls denen einer Positivliste entsprechen. Nicht zuletzt wirken die eingeführten Festbetragsregelungen insgesamt preisregulierend.

FDP: Der deutsche Arzneimittelmarkt ist hochgradig überreguliert. Es gibt eine Vielzahl von Regelungen, die zum Teil ineinander greifen oder sich überschneiden: Arzneimittelrichtlinien, gesetzlich ausgeschlossene Arzneimittel, Festbeträge für Arzneimittel, Nutzenbewertung und Kosten/Nutzenbewertung von Arzneimitteln, Arzneimittelvereinbarung und Arzneimittelrichtgrößen, Aut-Idem-Regelung, Importförderung, Preisvergleichsliste, gesetzliche Zwangsrabatte, Rabattvereinbarungen, Sonderregelungen im Zusammenhang mit der Integrierten Versorgung, besondere Zuzahlungsregelungen, Bonus-Malus-Regelungen.

Für Arzneimittel, die nicht in eine Festbetragsgruppe einbezogen werden können, gibt es einen durch den GKV-Spitzenverband festgesetzten Höchstbetrag. Arzneimittel, deren Preis 30 Prozent unter Festbetrag liegt, können von der Zuzahlung freigestellt werden.

Arzneimittel, die besonders teuer oder risikobehaftet sind, dürfen nur in Abstimmung mit einem Arzt für besondere Arzneimitteltherapie verordnet werden.

Die Regelungen sind von niemandem zu durchblicken. Zudem wirken die Instrumente zum Teil gegenläufig. Dieses Dickicht muss nach der Wahl durchforstet werden. Man muss sich entscheiden, ob man auf regulatorische Eingriffe oder wie die FDP auf mehr Markt setzen will. Die FDP ist gegen Listenmedizin jeglicher Art. Sie gefährdet einen wichtigen Grundsatz des deutschen Gesundheitssystems: die Therapiefreiheit. Darüber hinaus macht eine bundesweit einheitliche über alle Kassenarten hinweg formulierte Positivliste im heutigen System keinen Sinn. Die Rabattverträge führen zu einer Vielzahl unterschiedlicher Preise, die zwischen den einzelnen Krankenkassen variieren. Auch bei den Befürwortern einer Positivliste, dürfte sich diese damit mittlerweile überlebt haben.

DIE LINKE: Rabattverträge, Festbeträge oder Re-Importe sind brauchbare Instrumente zur Kostendämpfung. Allerdings sehe ich mit Sorge, dass es für Patienten immer schwieriger wird, "sein" Medikament noch zu erkennen. Häufiger Wechsel des Präparats bei gleichem Wirkstoff birgt die Gefahr der falschen Medikamenteneinnahme. Hier sollten Regelungen getroffen werden, dass wirkstoffgleiche Präparate sich in Form und Aussehen gleichen.

Die beste Lösung wäre die offizielle Bekanntgabe einer Liste der verschreibungsfähigen Medikamente, einer Positivliste. Damit würden Festbeträge oder Rabattverträge überflüssig werden. Nur als wirksam erwiesene Medikamente könnten dort gelistet werden. Neue Präparate würden erst dann gelistet, wenn eine entsprechende Kosten-Nutzen-Analyse vorgenommen worden wäre. So könnten Scheininnovationen endlich vom Markt. Wir plädieren nachdrücklich dafür, endlich die Positivliste für Arzneimittel einzuführen. Auf der Positivliste würden alle Arzneimittel, die die gesetzlichen Krankenkassen zahlen, mit Festpreisen verzeichnet. Preissteigerungen erzielen die Pharmaunternehmen vor allem mit Scheininnovationen. Sie verändern oft nur die Darreichungsform – und den Preis. Es gibt keinen vernünftigen Grund, dieser Preistreiberei auch noch zu folgen. Die Gewinninteressen der Pharmaindustrie sind für die Regierungsparteien aber offensichtlich nicht antastbar. Für uns Linke aber sehr wohl.

Bündnis 90/Die Grünen: Auf eine Steuerung der Arzneimittelausgaben wird keine Bundesregierung verzichten können. Doch durch immer neue Steuerungsinstrumente ist der Arzneimittelbereich für verordnende Ärzte, Patienten und Industrie undurchschaubar geworden. Das kann sich letztendlich auch negativ auf die Compliance der PatientInnen auswirken. Wir wollen uns deshalb auf wenige wirksame Instrumente beschränken. Dabei stehen für uns die Rabattverträge und die Kosten-Nutzen-Bewertung im Vordergrund.

Eine Positivliste für verordnungsfähige Arzneimittel halten wir für sinnvoll. Scheininnovationen, die keinen Zusatznutzen gegenüber den bereits vorhandenen Arzneimitteln haben, sollten nicht von den Krankenkassen erstattet werden. PatientInnen und behandelnde ÄrztInnen sollten mithilfe einer Positivliste der erstattungsfähigen Arzneimittel den Überblick über die Medikamente haben können, die ihre therapeutische Qualität bewiesen haben und von den Krankenkassen auch bezahlt werden.

VDPP: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat der inhabergeführten Apotheke eine weniger gewinnorientierte und ethischere Arzneimittelversorgung zugesprochen als etwa Apotheken im Besitz von Kapitalgesellschaften und belässt die Entscheidung, Fremd- und Mehrbesitz zuzulassen, in der Verantwortung der Nationalstaaten. Wie bewerten Sie dieses Urteil? Welche Organisationsform werden Sie in Zukunft unterstützen?

CDU: Die Luxemburger Richter haben in ihrem Urteil deutlich gemacht, dass die Mitgliedstaaten – in Anbetracht der Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung – verlangen können, dass Arzneimittel von Apothekern vertrieben werden, die über tatsächliche berufliche Unabhängigkeit verfügen. Dabei steht es im Wertungsspielraum des nationalen Gesetzgebers zu beurteilen, ob der Betrieb einer Apotheke durch einen Nichtapotheker im Gegensatz zum Betrieb durch einen Apotheker diese Unabhängigkeit gefährdet.

In Deutschland wollen wir den bewährten und erfolgreichen Weg mit der unabhängigen, inhabergeführten Apotheke im Interesse der Arzneimittelsicherheit und -verfügbarkeit weitergehen. Andere Wege können nur beschritten werden, wenn sie sicherer und besser sind. Die Diskussion um neue Vertriebswege zeigt aber auch, dass sich das bestehende System mit Blick auf Kundenorientierung und Konkurrenzfähigkeit in Zukunft bewähren muss.

Zum Erfolg des deutschen Gesundheitswesens haben entscheidend die Freien Berufe beigetragen. Sie gewährleisten eine patientennahe, humane und fachlich hochwertige medizinische Versorgung nicht nur in Ballungszentren, sondern auch in ländlichen Regionen und gewährleisten so Versorgungssicherheit. Die Freien Berufe müssen deshalb auch weiterhin eine der tragenden Säulen erstklassiger Patientenversorgung sein.

Freie Gesundheitsberufe gehören für uns zum Kern eines freiheitlichen Gesundheitswesens. Apotheker sind für uns auch in Zukunft Garanten für eine qualitativ hochwertige, patientennahe Versorgung. Diese Strukturen gilt es zu bewahren und geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Der Sicherung einer wohnortnahen Versorgung vor allem in ländlichen Regionen werden wir besondere Aufmerksamkeit widmen. Eigentümer-geführte Apotheken und strikte Grenzen für den Arzneimittelversandhandel sind unverzichtbare Stützen für die Arzneimittelsicherheit.

SPD: Nach Auffassung der SPD hat das EuGH-Urteil zum Fremd- und Mehrbesitzverbot die Stellung der inhabergeführten Apotheke noch einmal ausdrücklich gestärkt. Der Apotheker vor Ort ist auch aus Sicht der SPD im sensiblen und beratungsintensiven Bereich der Arzneimittelversorgung unverzichtbar. Persönliche Beratung, Präsenz in der Fläche und die schnelle Verfügbarkeit der Medikamente sind Alleinstellungsmerkmale der Präsenzapotheke, die es zu stärken gilt – auch gegen die Auswüchse des Versandhandels, wie zum Beispiel die Rezeptsammlung an Tankstellen und anderen dazu nicht geeigneten Orten. Hier sind gesetzliche Beschränkungen notwendig.

FDP: Die FDP begrüßt das Urteil des EuGH für ein Fremd- und Mehrbesitzverbot in Deutschland. Das trägt der Tatsache Rechnung, dass der Apothekerberuf nicht nur ein kaufmännischer, sondern auch ein Heilberuf ist. Es geht darum, eine flächendeckende, möglichst gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Hiefür ist die inhabergeführte Apotheke gut geeignet. Apothekenketten in anderen Ländern haben teilweise dazu geführt, dass die Versorgung in der Fläche ausgedünnt worden ist, weil nur noch dort Filialen errichtet werden, wo sich das für den Gesamtkonzern rechnet.

DIE LINKE: Das EuGH-Urteil zu Apotheken ist eine gute Entscheidung für die inhabergeführte Apotheke. Es sichert unabhängige Beratung, da Apotheken nicht zum Spielball von profitorientierten Kapitalgesellschaften werden. Nur entsprechend qualifizierte Apothekerinnen und Apotheker gewährleisten eine umfassende und unabhängige Beratung. Doch als Angestellte von Kapitalgesellschaften könnten sie sich kaum den Profitinteressen der Kapitaleigentümerinnen und Kapitaleigentümer widersetzen. An eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung wäre dann nicht mehr zu denken. Die inhabergeführte Apotheke gewährleistet derzeit eine patientennahe, sichere und rasche Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten. Der EuGH hat mit seinem Urteil Raum geschaffen, gesetzgeberisch die qualifizierte und hochwertige Arbeit in der Apotheke zu stärken und weiterhin sicherzustellen.

Bündnis 90/Die Grünen: Der Wandel auf dem Apothekenmarkt ist in vollem Gange. Franchise-Systeme, Versandapotheken und die Beteiligung von Drogerie-Discountern am Arzneimittelhandel sind längst Teil der Versorgungsrealität. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes wird die Entwicklung hin zu mehr Wettbewerb nicht aufgehalten. Die BefürworterInnen von mehr Wettbewerb im Arzneimittelhandel werden sich jetzt zu Wort melden müssen. Weitere Tatenlosigkeit ist keine Alternative. Wir werden uns in der kommenden Legislaturperiode der Aufgabe stellen müssen, das Apothekenrecht so weiterzuentwickeln, dass die Versorgungssicherheit und der Patientenschutz auch unter veränderten Rahmenbedingungen gewährleistet werden können. Dabei werden auch Alternativen zum Fremdbesitzverbot auf die Tagesordnung gehören.

VDPP: Wie sollte Ihrer Meinung nach die Preisgestaltung von Arzneimitteln in Zukunft aussehen? Bitte nehmen Sie hier zum Preisdiktat der Hersteller und zu einer möglichen Kosten-Nutzen-Bewertung als "Vierte Zulassungshürde" Stellung.

CDU: Wir halten das System der Festbeträge und der Kosten-Nutzen-Bewertung grundsätzlich für ein geeignetes Instrument, um dem Zielkonflikt "Wirtschaftlichkeit versus allgemeiner Zugang zu qualitativ hochwertiger Arzneimittelversorgung", gerecht zu werden. Bei der Kosten-Nutzen-Bewertung ist es uns besonders wichtig, dass Bewertungen und der Bezug auf Studien transparent und fachlich ausgewogen getroffen werden. Hier gilt es, Verfahren so zu gestalten, dass eine klare Trennung von medizinischen Bewertungen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten gewährleistet ist.

SPD: Grundsätzlich müssen sich Arzneimittel an ihrem Nutzen und an ihren Kosten messen lassen. Bereits mit der Gesundheitsreform 2004 wurden daher Strukturen für eine stärkere Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln geschaffen. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz kamen 2007 Möglichkeiten für die Bewertung der Kosten-Nutzen-Relation hinzu. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) kann seitdem das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit einer solchen Bewertung beauftragen. Die SPD begrüßt, dass Fragen des therapeutischen Zusatznutzens sowie Fragen nach den damit verbundenen Zusatzkosten bei der Entscheidung der Selbstverwaltung über die Verordnungsfähigkeit zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung eine zunehmende Rolle spielen. Die Kosten-Nutzen-Analyse ergänzt sinnvoll das unter Frage 1 bereits beschriebene Instrumentarium zur Durchsetzung von Kosteneffizienz im Arzneimittelbereich. Eine unmittelbare Einflussnahme auf die Preisgestaltung der Hersteller ist in Deutschland nicht gegeben.

FDP: Viele Menschen warten dringend auf die Entwicklung neuer Arzneimittel. Es müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass möglichst viele dieser Medikamente in Deutschland entwickelt werden. Um den Pharmastandort Deutschland zu erhalten und zu stärken, ist neben der Verlässlichkeit der politischen Rahmenbedingungen eine Verbesserung des Forschungsklimas sowie der Abbau unnötiger bürokratischer Vorschriften und zu langer Genehmigungsverfahren notwendig. Darüber hinaus brauchen wir kein zweites Zulassungsverfahren, sondern eine praktikable Nutzenbewertung, die die Qualität der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel belegt und den Behandlern und ihren Patienten eine gute Grundlage für ihre Therapieentscheidungen bietet. Eine vierte Hürde lehnt die FDP ab.

DIE LINKE: Wir brauchen dringend die Kosten-Nutzen-Analyse, um Scheininnovationen und Phantasiepreisen die Stirn zu bieten. Im Rahmen der Zulassung müssen Obergrenzen für innovative Medikamente gefunden werden, da ansonsten die Kosten für Arzneimittel irgendwann nicht mehr zu bezahlen sind.

Bündnis 90/Die Grünen: Es gibt eine Vielzahl von Instrumenten zur Preisgestaltung auf dem Arzneimittelmarkt. So halten wir Grünen Rabattverträge für ein sinnvolles Instrument des Vertragswettbewerbes zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen. Wettbewerb braucht jedoch faire kartell- und wettbewerbsrechtliche Bedingungen, unter denen er stattfindet. Eine Nutzenbewertung als Vierte Hürde halten wir für richtig, auf dieser Basis können Preise verhandelt werden zwischen Pharmaindustrie und Krankenkassen.

VDPP: Der Versandhandel mit Arzneimitteln ist in Deutschland seit 2004 legal. Wie bewerten Sie heute diesen Distributionsweg? Was halten Sie vom Vertrieb über Pick-up-Stellen in Drogerien oder Tankstellen?

CDU: Der Versandhandel mit Arzneimitteln wurde 2004 im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes in Deutschland eingeführt. Selbst einige Jahre später liegen die Marktanteile für den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten bei ca. zwei Prozent. Im Bereich nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel liegt der Marktanteil zwischen sechs bis sieben Prozent. Dabei ist die Zahl der Apotheken in den letzten Jahren trotz Zulassung des Versandhandels weiter gestiegen. Der Versandhandel mit Arzneimitteln kommt bestimmten Gruppen – zum Beispiel chronisch Kranken – spürbar zugute. Gefahren für die Arzneimittelsicherheit treten nicht beim Bezug über zugelassene deutsche Versandapotheken auf, sondern beim Bezug über Drittländer, insbesondere über das Internet. Eine Abschaffung des Versandhandels hätte keine Auswirkungen auf diese Gefahren. Wo wir aber dringenden Handlungsbedarf sehen, ist bei der Problematik der Pick-up-Stellen.

Die Union unterstützt nachdrücklich ein Verbot von Pick-up-Stellen. Dies haben wir auch in den Verhandlungen zur 15. AMG-Novelle gegenüber unserem Koalitionspartner deutlich gemacht. Leider hat die SPD unsere Forderungen bis zuletzt abgelehnt. Unter Berufung auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein Verbot drangen SPD und Bundesgesundheitsministerium auf die Festschreibung von "Qualitätskriterien" für Pick-up-Stellen. Diese sollten zum Beispiel Regelungen zu Beratung, Verpackung, getrennten Räumlichkeiten zur Lagerung der Arzneimittel, etc. enthalten. Der SPD-Vorschlag hätte allerdings zur Konsequenz gehabt, dass es Gewerbebetrieben auch weiterhin – sofern bei ihnen freiverkäufliche Arzneimittel verkauft werden dürfen – möglich gewesen wäre, Rezepte zu sammeln und verschreibungspflichtige Arzneimittel auszuliefern. Dies hätte in der Folge die Etablierung einer "Apotheke light" in Gewerbebetrieben und den Aufbau einer Parallelstruktur bei der Distribution von Arzneimitteln zur Folge gehabt. Dem wollte die Union nicht zustimmen. Wir hoffen daher, unsere Vorstellungen in der kommenden Wahlperiode mit anderen politischen Konstellationen umsetzen zu können.

SPD: Der Versandhandel hat sich als Distributionsweg grundsätzlich bewährt. Allerdings hat sich gezeigt, dass durch Auswüchse dieses Vertriebsweges – insbesondere im Bereich der Rezeptsammelstellen – Probleme entstanden sind, denen durch geeignete gesetzliche Regelungen begegnet werden muss. Aufgrund verfassungsrechtlicher Hürden und bereits ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen ist ein Verbot von Rezeptsammelstellen nicht möglich. Die SPD setzt sich daher dafür ein, über Änderungen im Apothekengesetz die Rezeptsammlung und Arzneimittelabgabe an dazu ungeeigneten Orten wirksam zu unterbinden. Diese im Sinne des Patientenschutzes unerwünschte Ausweitung der Pick-Up-Stellen auf Gewerbebetriebe wie Tankstellen, Blumenläden oder Textilreinigungen kann durch schärfer gefasste Auflagen und zusätzliche Qualitätskriterien für den Betrieb der Rezeptsammelstellen wirksam eingeschränkt werden, ohne den Versandhandel generell zu verbieten. Leider konnten die dazu von der SPD vorgelegten Maßnahmen in dieser Wahlperiode nicht umgesetzt werden. Das Thema werden wir in der nächsten Wahlperiode wieder aufgreifen.

FDP: Für die FDP sind die wohnortnahen, inhabergeführten Apotheken ein unverzichtbarer Baustein, um eine gute, flächendeckende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. In der Arzneimitteltherapie kommt es mehr noch als in anderen Bereichen darauf an, dass sich die Patienten auf die Qualität der Produkte verlassen können, dass sie jederzeit Zugang zu den benötigten Arzneimitteln haben und dass sie qualifiziert beraten und betreut werden. Die FDP hat damals der Einführung des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel widersprochen. Hintergrund war die Befürchtung, dass es in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten mit der Arzneimittelsicherheit geben könnte. Insbesondere Versandapotheken im Ausland sind kaum daraufhin kontrollierbar, ob sie die im Gesetz fixierten Bedingungen tatsächlich alle erfüllen. Die Rund-um-die-Uhr-Versorgung im Notfall muss zudem durch die niedergelassenen Apotheken in der Region sichergestellt werden. Das ist mit zusätzlichen Kosten verbunden, die solche Versandapotheken nicht haben.

Nachdem jedoch das Versandhandelsverbot durch CDU/CSU, SPD und Grüne aufgehoben worden ist und sich seither entsprechende Versandhandelsstrukturen ausgebildet haben, kann man nicht ohne Weiteres den Versandhandel wieder verbieten. Dies ist übrigens auch nur für den Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel möglich, nicht jedoch für den der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Arzneimittelfälschungen nehmen zwar zu, aber hauptsächlich bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, sog. Life-Style-Arzneimitteln und Arzneimitteln für Entwicklungsländer. Die Hauptvertriebswege sind nach Aussage des Bundeskriminalamtes Fitness-Studios und illegale Internetseiten.

Im Zusammenhang mit dem Versandhandel hat sich jedoch mittlerweile ein gravierendes Problem ergeben, das dringend gelöst werden muss, die sog. Pick-Up-Stellen. Die FDP spricht sich dafür aus, diesen Auswuchs zu unterbinden. Ein Bezug über sie lässt das Bewusstsein dafür schwinden, dass es sich bei Arzneimitteln um ein ganz spezielles Gut handelt, das mit Nebenwirkungen verbunden ist und bei dem eine sorglose Ausweitung des Konsums auf jeden Fall verhindert werden muss. Eine solche Entwicklung kann weder unter Sicherheitsaspekten noch im Hinblick auf gleiche Wettbewerbsbedingungen gewollt sein.

Die Pick-up-Stellen müssen unterbunden werden. Die FDP hat deshalb einen Antrag im Deutschen Bundestag vorgelegt, der Pick-up-Stellen untersagt. Die FDP rät davon ab, Vorgaben für Pick-up-Stellen zu formulieren. Wer Standards für Abholstellen hochsetzen will, der schafft ein mittelfristig viel größeres Problem, der schafft eine "Apotheke light". Wir brauchen aber fachkundiges Personal und die Apotheke.

DIE LINKE: Vom Versandhandel mit Arzneimitteln geht ein großes Gefährdungspotenzial aus. Dieser sollte daher auf nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel begrenzt werden. Auch Pick-up-Stellen lehnen wir ab. Medikamente sind besondere Waren. Sie gehören nicht in den Supermarkt, die Tankstelle oder in die Drogerie.

Bündnis 90/Die Grünen: Der Versandhandel erleichtert den Zugang zu Arzneimitteln für mobilitätsbehinderte Personen. Das spiegelt sich auch im Kundenspektrum der Versandapotheken wieder, das mehrheitlich aus älteren Personen besteht, die an einer oder mehreren chronischen Krankheiten leiden. Die Anforderungen an die Transportsicherheit der bestellten Arzneimittel sind hoch. Sicherheitsprobleme sind seit der Zulassung des Versandhandels im Jahr 2004 keine bekannt geworden. Zu einer Verdrängung von wohnortnahen Apotheken ist es nicht gekommen. Untersuchungen der Stiftung Warentest haben gezeigt, dass Unterschiede in der Beratungsqualität nicht auf Versandapotheken beschränkt sind.

Verschiedentlich wird der Versandhandel als Einfallstor für Arzneimittelfälschungen bezeichnet. Allerdings sind diese vornehmlich ein Problem des unkontrollierten und illegalen Internethandels und nicht des Vertriebs über zugelassene Versandapotheken. Das Problem der Arzneimittelfälschungen würde durch ein Verbot des Versandhandels nicht gelöst, da sich illegale Anbieter nicht verbieten lassen.

Wir wollen die "Pick-up-Stellen" Qualitätsanforderungen unterwerfen. So könnte ihre Einrichtung auf Drogeriemärkte beschränkt werden. Drogerien unterliegen der amtlichen Arzneimittelüberwachung.

VDPP: Es existieren inzwischen diverse Untersuchungen zur Wirkung von Zuzahlungen auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Wie stehen Sie zu diesem Instrument?

CDU: Ein stabiles finanzielles Fundament, wie es CDU und CSU mit der Gesundheitsreform 2007 geschaffen haben, versetzt die Krankenversicherung in die Lage, die notwendige medizinische Versorgung für kranke Menschen, vor allem chronisch Kranke sicherzustellen. Aber klar ist auch, dass wir auch in Zukunft nicht auf eine sozialverträgliche und damit begrenzte Selbstbeteiligung verzichten können.

SPD: Die SPD beabsichtigt nicht, das Instrument der Zuzahlungen abzuschaffen, auch wenn immer wieder Kritik an der Steuerungswirkung geäußert wird. Bestehende Zuzahlungsbefreiungsgrenzen sowie die gesetzlichen Belastungsobergrenzen von 2 Prozent des Bruttoeinkommens, bzw. 1 Prozent bei chronisch Kranken, vermeiden eine übermäßige Belastung und Benachteiligung von Chronikern und sozial schwachen Versicherten. Im Bereich der Arzneimittel ermöglichen zudem die Regelungen für Festbeträge und Rabattverträge Optionen für eine zuzahlungsfreie Arzneimittelversorgung.

FDP: Zuzahlungsregelungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sind vom Grundsatz her sinnvoll, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie teuer Gesundheitsleistungen sind und Anreize zu setzen, sich möglichst wirtschaftlich und sparsam zu verhalten. Die Praxisgebühren z. B. sind jedoch mit einem viel zu hohen bürokratischen Aufwand verbunden. Und die Regelung ist kompliziert. Für Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt wird keine Praxisgebühr fällig. Ist allerdings im Anschluss daran eine Behandlung notwendig, fällt die Praxisgebühr an. Bei Arzneimitteln ist für den Einzelnen kaum noch nachvollziehbar, warum er bei dem einen Medikament zuzahlen muss, bei anderen jedoch nicht. Um Akzeptanz in der Bevölkerung für die notwendige Eigenbeteiligung zu schaffen, muss deshalb insgesamt eine sozial ausgewogene transparente, einfache und unbürokratische Lösung gefunden werden, die gleichzeitig dafür sorgt, dass niemand vom Zugang zu medizinisch notwendigen Leistungen ausgeschlossen wird.

DIE LINKE: Zuzahlungen sind ein Instrument, um Patienten für ihre Erkrankung zu bestrafen. Sie sind sozial ausgrenzend, weil insbesondere Menschen mit geringem Einkommen sich oft nicht in der Lage sehen, die verordneten Arzneimittel zu bezahlen. Deshalb will DIE LINKE alle Zuzahlungen abschaffen.

Bündnis 90/Die Grünen: Leistungseinschränkungen oder die Ausgliederung ganzer Leistungsbereiche aus der GKV lehnen wir ab, ebenso wie die von der Großen Koalition vorgesehenen Zusatzbeiträge. Außerdem wollen wir die Praxisgebühr und die Arzneimittelzuzahlungen abschaffen. Die Erweiterung der Solidarität durch die Bürgerversicherung macht Schluss mit der 2-Klassen-Medizin.

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