Gesundheitspolitik

Für die inhabergeführte Apotheke; gegen Fremdbesitz, Versand und Pick up

DAZ/AZ-Serie: Gesundheitspolitiker vor der Wahl / Interview mit Frank Spieth (DIE LINKE)

Noch vier Wochen bis zur Bundestagswahl 2009 – der diesjährige Wahlkampf kommt langsam in Schwung. In den nächsten Ausgaben der DAZ und ihrer Montagsausgabe AZ fragen wir bei den Gesundheitspolitikern der Parteien nach, welche Positionen sie im Gesundheitswesen vertreten, welche Rezepte sie haben und wie sie über die deutsche Apotheke denken. Wir beginnen mit Frank Spieth, DIE LINKE. Das Interview führte Dr. Christian Rotta.

Frank Spieth

Frank Spieth wurde 1947 im hessischen Wetzlar geboren. 1966 trat er in die SPD ein. Er machte eine Ausbildung zum technischen Zeichner und war bis 1971 in diesem Beruf tätig. Dann stieg er in die Gewerkschaftsarbeit ein. Von 1975 bis 1992 war er Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Kreis Vogelsberg, 1992 bis 2006 DGB-Landesvorsitzender in Thüringen. Seit 1974 ist er zudem in die Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenkassen eingebunden; seit 1994 als Verwaltungsratsvorsitzender der AOK Thüringen.
2003 trat Spieth nach 37-jähriger Mitgliedschaft aus der SPD aus. Er begründete diesen Schritt mit der Politik der "Agenda 2010" und dem hiermit verbundenen Abbau des Sozialstaates. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 kandidierte der gebürtige Hesse als Gewerkschafter auf der offenen Liste der Linkspartei.PDS und wurde über die Landesliste der Thüringer Linkspartei.PDS in den Bundestag gewählt. Seit 2007 ist Spieth Mitglied der Partei DIE LINKE. Er ist gesundheitspolitischer Sprecher und Obmann der Linksfraktion im Gesundheitsausschuss. Zur Bundestagswahl 2009 tritt Spieth als Direktkandidat seiner Partei für den Wahlkreis 193 in Erfurt und Weimar an.
Frank Spieth

Foto: DIE LINKE

AZ: Herr Spieth, Ende Mai hat der Europäische Gerichtshof das in Deutschland und den meisten EU-Staaten geltende Fremdbesitzverbot bei Apotheken für gemeinschaftskonform erklärt. Hat Sie die Entscheidung überrascht? Sind Sie damit zufrieden?

Spieth: Mit dem Urteil bin ich sehr zufrieden, weil es unsere Position bestätigt hat. Bei einer anderen Entscheidung hätte die Gefahr bestanden, dass die inhabergeführte Präsenzapotheke in relativ kurzer Zeit "in der Vergangenheit verschwunden wäre". Ich war allerdings von Anfang an guter Hoffnung, dass der EuGH so entscheidet, wie er entschieden hat, weil ich mir schon frühzeitig die EuGH-Rechtsprechung zur Verantwortung der Nationalstaaten im Rahmen von Sozialstaatsregelungen der EU-Verträge angeschaut hatte. Das Apotheken-Urteil des EuGH bewegt sich im Rahmen dieser Rechtsprechung – allerdings immer unter der Voraussetzung, dass Apothekerinnen und Apotheker sich als Heilberufler verstehen. Das ist der zentrale Ansatzpunkt, den ich auch vor drei, dreieinhalb Jahren auf Veranstaltungen immer wieder vertreten habe. Damals gab es keine andere Partei, die das ebenso klar vertreten hat wie wir. Es gab auch viel Skepsis in der Apothekerschaft selbst – auch einige, die offenkundig mit anderen Modellen geliebäugelt haben. Insofern begrüße ich die Klarheit und Eindeutigkeit des Urteils sehr.

Arzneimittel sind Waren besonderer Art. Die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung erfordert hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards. Dabei ist eine umfassende und unabhängige Beratung in der Apotheke unerlässlich. Bei der Abgabe und beim Umgang mit Arzneimitteln müssen andere als Marktregeln gelten. Deshalb wäre es fatal, Apothekerinnen und Apotheker als bloße Kaufleute und Arzneimitteldistributeure zu sehen. Das hat der Europäische Gerichtshof hervorragend herausgearbeitet. Die Entscheidung des EuGH für die inhabergeführte Apotheke ist daher ein großer Erfolg für die Patientinnen und Patienten.

AZ: … mit der Linken wird es also keine Apothekenketten geben?

Spieth: Nein, ganz bestimmt nicht. Die Aufhebung des Fremdbesitzverbots würde der "Aldisierung" von Apotheken Tür und Tor öffnen. Im Übrigen bergen Apotheken-Discounter ein erhebliches Gefährdungspotenzial in sich – von den Folgekosten ganz zu schweigen. Als Angestellte von Kapitalgesellschaften könnten sich Apothekerinnen und Apotheker kaum den Renditevorgaben der Kapitaleigentümer entziehen. Wer, wie z. B. meine Kollegin im Gesundheitsausschuss, Biggi Bender, glaubt durch Apothekenketten Kosten reduzieren zu können, ist auf dem Holzweg. Die Ausgaben für Arzneimittel haben sich seit 1995 weit mehr als verdoppelt, im gleichen Zeitraum sind die Rohgewinne der Apotheken und des Großhandels sogar leicht zurückgegangen. Dies zeigt, wo die wahren Kostentreiber sitzen. Und da sollen Apothekenketten in der Hand von Pharmaunternehmen Kosten sparen? Die Erfahrungen in Ländern, in denen Apothekenketten erlaubt sind, zeigen, dass die entstehenden Oligopole die Patienten am Ende teuer zu stehen kommen. Über die Positionen von Biggi Bender, der Front-Frau grüner Gesundheitspolitik, und so manch anderer kann man nur den Kopf schütteln und sich so seine Gedanken machen.

AZ: Nun wird ja aber trotz EuGH-Urteil von interessierter Seite weiterhin an allen möglichen Ecken und Enden geknabbert, um die Durchökonomisierung der öffentlichen Apotheke voranzutreiben. Stichwort: einheitlicher Apothekenabgabepreis bei Arzneimitteln. Da gibt es ja durchaus Versuche der Aufweichung. Wie stehen Sie dazu?

Spieth: Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bin ich ohne Wenn und Aber für die Aufrechterhaltung der bestehenden Rechtslage. Der Apotheker sollte auch weiterhin für die Abgabe eines Arzneimittels unabhängig vom Preis des Arzneimittels einen Fixbetrag erhalten, so dass er kein betriebswirtschaftliches Interesse an der Abgabe teurer Arzneimittel und großer Arzneimittelpackungen haben kann. Der Apotheker kann sich dadurch auf seine pharmazeutischen Grundkompetenzen konzentrieren. Aufgrund vieler Gespräche, auch im persönlichen Bereich, ist mein Eindruck, dass die Apotheker-schaft mit dieser Regelung einverstanden ist. Gleiches muss auch für den pharmazeutischen Großhandel gelten.

AZ: Sehen Sie Möglichkeiten, die Kostensteigerungen im Arzneimittelbereich in den Griff zu bekommen?

Spieth: In anderen Ländern gibt es staatliche Preisverhandlungen mit der pharmazeutischen Industrie. Warum nicht auch bei uns? In der Vergangenheit hat sich noch keine Regierungspartei an die Arzneimittelpreisbildung der Pharmaindustrie gewagt. Mit uns würde dies anders. Es muss gewährleistet sein, dass wir auch in Zukunft z. B. neuartige Medikamente zu vertretbaren Preisen für alle zur Verfügung stellen können. Hierfür brauchen wir endlich eine Arzneimittel-Positivliste mit Festpreisen. Preissteigerungen erzielen Pharmaunternehmen heute vorrangig mit Scheininnovationen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, dieser Entwicklung weiterhin tatenlos zuzusehen. Kosten-Nutzen-Analysen sind ein geeignetes Mittel, um Scheininnovationen und Phantasiepreisen die Stirn zu bieten. Im Übrigen könnten allein durch die Halbierung der Mehrwertsteuer bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln Patienten und Krankenkassen um knapp 4 Mrd. Euro entlastet werden. Hierzu haben wir im Bundestag einen Antrag eingebracht, der jedoch leider keine Mehrheit fand.

AZ: … und wie steht es mit Rabattverträgen? Hat sich dieses Instrumentarium bewährt?

Spieth: Das Instrument der Rabattverträge ist viel zu kompliziert und viel zu intransparent. Alle zwei Jahre, immer wenn ein Rabattvertrag ausläuft, muss er neu verhandelt werden – und das bei 200 Krankenkassen, d. h. 200 mal. Alle zwei Jahre muss ein Millionen-Publikum auf neue Arzneimittel eingestellt werden. Das ist ein Unding! Rabattverträge schaffen nur Unfrieden und Verunsicherungen bei den Patienten und logistische Probleme in der Apotheke. Ordnungspolitisch stört mich, dass bei den Ausschreibungen qualitative Gesichtspunkte immer mehr in den Hintergrund treten und nur Preisaspekte eine Rolle spielen. Die kleineren Generika-Unternehmen in Deutschland, und auch das habe ich mir angesehen, bleiben dabei auf der Strecke. Mir wurde eindrucksvoll gezeigt, dass diese Firmen zum Teil nicht einmal mehr die Rohstoffpreise bezahlen können, wenn sie im Rahmen der Rabattverträge mitgelistet werden wollen. Das heißt in letzter Konsequenz: Hier wird eine ganze mittelständische Branche den Rabattverträgen geopfert. Ob das wirklich der Gesundheit der Bevölkerung und der Pharmaentwicklung und -forschung in Deutschland nutzt, wage ich zu bezweifeln. Hinzu kommt es bei häufigen Arzneimittel-Wechseln – und das zeigen Untersuchungen – zu gewaltigen Compliance-Problemen und Fehleinnahmen. Bei Patientinnen und Patienten, die ihre Kasse wechseln, können die Rabattverträge zu einem wahren Arzneimittel-Hopping führen, wenn ihre Krankenkassen mit verschiedenen Herstellern Rabattverträge abgeschlossen haben. Noch irrer wird es, wenn sich ein Patient, der seine Krankenkasse wechselt, zuvor bei einer Hausapotheke eingeschrieben hatte. Auch dieses Beispiel zeigt: Die Große Koalition betreibt eine zum Teil in sich völlig widersprüchliche Gesundheitspolitik, die zudem mit enormen handwerklichen Mängeln behaftet ist. Lassen Sie mich noch ein Wort zum pharmazeutischen Großhandel sagen. Ich konnte mich davon überzeugen, welche hervorragenden logistischen Leistungen dort erbracht werden, um für ein Vollsortiment an Arzneimitteln die Akutversorgung von Apotheken zu gewährleisten – und dies unter diesen Ausschreibungsbedingungen. Großhandlungen sind ja, wenn man so will, als Notare tätig und bringen innerhalb kürzester Zeit jedes Medikament in jede Apotheke. Ihre Funktion muss gestärkt werden – auch gegen die Tendenz in der Pharmaindustrie, Apotheken hochpreisige Arzneimittel direkt zu liefern. Diese Rosinenpickerei lehnen wir ab.

AZ: Gibt es Ihrer Ansicht nach Alternativen zu den Rabattverträgen?

Spieth: Wie gesagt: Als Alternative sehen wir die Positivliste mit Fixpreisen und die Absenkung der Mehrwertsteuer bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln.

AZ: Apropos Rosinenpickerei: Ein weiteres Problem, das Apothekerinnen und Apothekern weiterhin unter den Nägeln brennt, ist der Versandhandel mit Arzneimitteln. Seit 2004 ist er legalisiert. Würde Ihre Partei, so sie könnte, den Versandhandel auf rezeptfreie Arzneimittel begrenzen?

Spieth: Unsere starken Bedenken gegen den Arzneimittelversandhandel sind nach wie vor vorhanden. Unser Antrag vom 25. Juni dieses Jahres, mit dem wir im Bundestag den Arzneimittelversandhandel auf das europarechtlich vorgegebene Maß reduzieren wollten, wurde ja von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen abgelehnt. Aber wir werden auch in der nächsten Legislatur für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln streiten. Nur so ist aus unserer Sicht eine patientennahe, sichere und rasche Arzneimittelversorgung gewährleistet. Denn der Versandhandel mit Medikamenten schwächt die Information und Beratung und gefährdet langfristig das flächendeckende Apothekennetz. Versandapotheken können nicht die gleichen Beratungsleistungen bieten wie Präsenzapotheken. Wir wissen, dass wir damit eine andere Position einnehmen als einige Krankenkassen. Aber damit können wir leben. Wir müssen die Versicherten und Kranken im Blick haben. Leider haben es die Parteien der Großen Koalition versäumt, ihren Fehler beim Versandhandel zu korrigieren. Es ist bei bloßen Ankündigungen geblieben. Aber wir bleiben dran.

AZ: Wie stehen Sie zu Pick-up-Arzneimittelstellen in Drogeriemärkten, Blumenläden und Tankstellen, die ja, so sieht es zumindest das Bundesverwaltungsgericht, eine Folge der Legalisierung des Versandhandels sind? Kann man Pick ups aus der Welt schaffen, auch wenn sich keine Mehrheit für ein Versandverbot findet?

Spieth: Ich hoffe, dass wir das schaffen, denn wir lehnen Pick-up-Stellen für Arzneimittel selbstverständlich ab. Ob man Pick-up-Stellen unterbinden kann, ohne den Versandhandel zu verbieten, kann ich nicht zuverlässig beantworten. Auch wenn unserer Ansicht nach ein alleiniges Verbot von Pick-up-Stellen zu kurz springt: an uns würde der Versuch nicht scheitern. Aber ich sage Ihnen auch: Da wir am 27. September kaum 51% der Bundestagssitze erringen werden, bin ich sehr skeptisch, ob dies auch gelingt.

AZ: Na, zumindest bei Pick up sagen doch alle Parteien, dass sie das Problem in den Griff bekommen möchten …

Spieth (lacht): Ihr Wort in Gottes Ohr! Ich glaube eher: im Wahlkampf wird anders geredet als im Gesundheitsausschuss. Zurzeit ist Wahlkampf, aber die Ghostwriter, die die Gesetze schreiben, sind immer noch dieselben. Auch die Debatten, die im Juni im Gesundheitsausschuss geführt wurden, müssen einen sehr zweifeln lassen. Nach der Wahl werden im Gesundheitsausschuss die Karten neu gemischt. Wolf Bauer, ein Apotheker, mit dem ich mich im Ausschuss gut verstanden habe und der dort mit seinem Sachverstand eine wichtige Rolle gespielt hat, verlässt den Bundestag. Gerade bei der CDU ist völlig unklar, wohin die Reise geht. Bei der FDP scheidet Detlef Parr, der in eine heilberufliche Richtung gedacht hat, aus. Dort dürfte jemand nachrücken, der gesundheitspolitisch eher neoliberale Positionen vertritt. Und auch bei den Grünen sehe ich überhaupt kein Land in Sicht, es sei denn, Biggi Bender wird auf die Hinterbank gesetzt – aber daran kann man nicht glauben. Und bei der SPD stehen weder Carola Reiman noch Peter Friedrich für eine versandhandels- und pick-up-kritische Position. Deshalb mit Verlaub: von wem reden Sie …? Im Wahlkampf wird viel taktiert.

AZ: Schon seit einiger Zeit steht eine Novelle der Apothekenbetriebsordnung auf der Agenda des Gesundheitsministeriums. Wo sehen Sie, unabhängig von Versand und Pick up, Regelungsbedarf?

Spieth: Die Informations- und Beratungsfunktion von Apothekerinnen und Apothekern sollte weiter gestärkt und ausgebaut werden. Die Qualität der Arzneimittelversorgung hängt wesentlich von der Beratungsqualität in der abgebenden Apotheke ab. Dafür ist es wichtig, individuell auf die Patienten einzugehen, die richtige Sprache zu finden und komplexe Sachverhalte zu erklären. Eine unabhängige Beratung ist heute wichtiger denn je. Wichtig ist es aber auch, dass Apothekerinnen und Apotheker die Zusammenarbeit mit Ärzten intensivieren. Ärzten fehlt oftmals das nötige Wissen in pharmakotherapeutischen Fragen. Deshalb wünsche ich mir eine stärkere Kommunikation zwischen niedergelassenem Arzt und Apotheker und ich denke auch, dass wir eine erweiterte Kompetenz bei aut idem brauchen. Apothekerinnen und Apotheker sind die Fachleute, die bei allen Fragen rund um das Arzneimittel und seiner Anwendung die größte heilberufliche Kompetenz haben. Auf diese Aufgabe sollten sie sich konzentrieren. Natürlich muss sich in diesem Zusammenhang auch die Frage einer angemessenen Honorierung der Beratungstätigkeiten stellen. Von Luft und Liebe kann niemand leben. Die Apotheken müssen sich entscheiden: Möchten sie qualifizierte Heilberufler oder bloße Kaufleute sein? Diese Entscheidung kann und wird ihnen niemand abnehmen. Ich plädiere für die heilberufliche Ausrichtung. Sie sollte sich auch in der Apothekenbetriebsordnung niederschlagen.

AZ: Lassen Sie uns zum Schluss noch einen Blick auf die Schwerpunkte werfen, die Ihre Partei in der kommenden Legislaturperiode in der Gesundheitspolitik setzen möchte. Was steht auf Ihrer Agenda?

Spieth: Unser erster Schwerpunkt ist die Einführung der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Alle, auch Beamte, Selbstständige und Politiker, sollen darin versichert sein. Die private Krankenversicherung wird auf Zusatzversicherungen beschränkt. Die Beitragsbemessungsgrenze sollte aufgehoben werden. Wir wollen die Arbeitgeber wieder hälftig an den Beiträgen ihrer Beschäftigten beteiligen. Außerdem muss die Finanzierungsbasis verbreitert werden: Neben dem Erwerbseinkommen sollen auch Beiträge auf Kapital-, Zins- und Mieteinkünfte erhoben werden. Dadurch kann der Beitragssatz auf ca. 10 Prozent gesenkt werden – bei gleichzeitiger Abschaffung aller Zuzahlungen und Praxiseintrittsgebühren. Insgesamt ist es unser Ziel, die Privatisierung und Kommerzialisierung im Gesundheitswesen zu stoppen. Es muss wieder vorrangig an die Patientinnen und Patienten gedacht werden. Gesundheit ist keine Ware.

AZ: Herr Spieth, wir danken für dieses Gespräch.

In der kommenden Ausgabe der DAZ: Interview mit Jens Spahn, CDU.

DIE LINKE: Das Programm zur Bundestagswahl


57 Seiten umfasst das Bundestagswahlprogramm 2009 der LINKEN, nur ein Unterpunkt von knapp zwei Seiten widmet sich der Gesundheitspolitik ("Gesundheit und Solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung"). Darin heißt es u. a.:

"Gesundheit ist keine Ware. Eine vorrangig an den Interessen der Pharmaindustrie ausgerichtete Gesundheitspolitik verhindert eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung für alle, unabhängig von Einkommen, Bildung und sozialem Status. Gesundheit ist ein individuelles Grundrecht und muss für alle in einem System der öffentlichen Daseinsvorsorge erreichbar sein.

Die Umstrukturierungen im Gesundheitssystem zielten seit den 1990er Jahren darauf ab, es vermehrt privaten Anbietern und den Kapitalmärkten zu öffnen, an den Wettbewerbsinteressen der Wirtschaft auszurichten und Umverteilung zulasten der gesetzlich Versicherten zu betreiben. Dieser Weg wird auch mit dem Gesundheitsfonds bestritten. (…) Wir haben das Ziel, die Gesetzliche Krankenversicherung und die Gesetzliche Pflegeversicherung zu einer Solidarischen Bürgerinnen und Bürgerversicherung zu entwickeln. Es geht darum, die Finanzierung sowie den versicherten Personenkreis und damit die Einnahmebasis auszuweiten."

Zum Thema Gesundheit fordert DIE LINKE:


  • Umgestaltung der Gesetzlichen Krankenversicherung, so dass alle Berufsgruppen und Einkommensarten in die Finanzierung einbezogen werden;
  • Abschaffung aller Zuzahlungen, einschließlich der Praxisgebühr, sowie Wiedereinführung des Anspruchs auf Brillen und Zahnersatz;
  • Einführung einer Positivliste für Arzneimittel mit festen Preisen;
  • Ermäßigung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf 7 Prozent;
  • Verzicht auf Einführung der elektronischen Gesundheitskarte;
  • Sicherstellung der bedarfsgerechten, wohnortnahen Versorgung im Gesundheitswesen;
  • Stopp der Privatisierung von Krankenhäusern und Medizinischen Versorgungszentren;
  • Planmäßige Nachwuchsförderung, gute Bezahlung sowie enge Vernetzung ambulanter und stationärer Einrichtungen (Polikliniken) durch Schaffung von Gemeindeschwesterstationen bzw. kommunale Sozialstationen;
  • Verabschiedung eines Präventionsgesetzes;
  • Verbesserung der stationären Versorgung von Heimbewohnern;
  • Angehörige und Pflegende beraten und finanziell und sozialrechtlich besserstellen.

Das Bundestagswahlprogramm 2009 der LINKEN im Wortlaut: www.die-linke.de/wahlen/positionen/wahlprogramm

DIE LINKE und die Apotheke


Mit den Forderungen nach einer Halbierung der Mehrwertsteuer bei Arzneimitteln, der Einführung einer Positivliste sowie der Abschaffung aller Zuzahlungen thematisiert die LINKE die Arzneimittelversorgung in Deutschland. Spezifisch apothekenpolitische Themen werden im Wahlprogramm dagegen nicht ausdrücklich angesprochen.

Allerdings hat die LINKE in der zu Ende gehenden Legislaturperiode bei Fremdbesitz, Versandhandel und Pick up Positionen vertreten, die durchweg mit der der offiziellen Berufspolitik der Apothekerinnen und Apotheker deckungsgleich sind. So war die LINKE auch die einzige im Bundestag vertretene Fraktion, die den Versuch unternommen hat, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten zu lassen. Ein entsprechender Antrag "Für eine qualitätsgerechte und flächendeckende Arzneimittelversorgung – Versandhandel auf rezeptfreie Arzneimittel begrenzen" vom 25. 6. 2008 (Drucksache 16/9754) wurde jedoch von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP abgelehnt. Die Liberalen hatten am gleichen Tag ihrerseits einen Antrag "Auswüchse des Versandhandels mit Arzneimitteln unterbinden" in den Bundestag eingebracht, in dem sie die Bundesregierung aufforderten, "einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Abgabe von Arzneimitteln über Abholstellen, wie es z. B. von Drogeriemärkten angeboten wird, zu unterbinden". Auch dieser Antrag wurde mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Vor dem Hintergrund ihres eigenen Antrags enthielt sich die LINKE beim FDP-Antrag der Stimme.

Auch beim apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbot ist die Position der LINKEN eindeutig: Sie spricht sich geschlossen für die inhabergeführte Apotheke und eine flächendeckende Arzneimittelversorgung sowie gegen die Bildung von Apothekenketten im Eigentum von Kapitalgesellschaften aus. Das Apotheken-Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Fremd- und Mehrbesitz hat die LINKE einhellig begrüßt.

DIE LINKE in Zahlen


Mitglieder: ca. 76.000

Ergebnis Wahl 2005: 8,7 Prozent

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