Arzneimittel und Therapie

Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom: EGF-Rezeptor-Blockade für die Second-lin

Die Diagnose "nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom" ist verheerend, denn die Langzeitprognose dieser Krebserkrankung ist nach wie vor miserabel, die Chemotherapie weitgehend ausgereizt. Der Blick richtet sich daher auf molekulare Therapien, die gezielter und selektiver angreifen. Eine derartige Strategie ist die Blockade des EGF-Rezeptors. Profitieren scheinen dabei vor allem therapieresistente Patienten.

Jahr für Jahr wird in Deutschland bei 37 000 Menschen, überwiegend Männern, ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom (Non small cellular lung cancer, NSCLC) diagnostiziert. Wird der Tumor bereits in einem frühen Stadium (Stadium T1) gefunden, leben nach fünf Jahren noch 70 Prozent der Patienten. Hat sich dagegen schon eine Metastase entwickelt, überlebt kein Patient länger als fünf Jahre.

Wesentlicher Grund für die schlechte Prognose ist der hohe Anteil an Rezidiven, die sich als Fernmetastasen manifestieren. Er wird mit etwa zwei Drittel angegeben. So finden sich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bei 40 Prozent der Patienten eine Fernmetastase, etwa 80 Prozent entwickeln sie aber nach operativer oder radiologischer Entfernung des Primärtumors.

Chemotherapie am Ende ihrer Möglichkeiten

Die systemische Therapie spielt daher neben der Chirurgie und der Strahlentherapie eine wesentliche Rolle. Etabliert ist hier die Chemotherapie, wobei Kombinationstherapien den Monotherapien, und platinhaltige Therapieschemata den nicht-platinhaltigen Schemata überlegen sind. In den letzten 20 Jahren konnte durch die Optimierung des Behandlungsprozederes, den Einsatz platinhaltiger Regimes und die Entwicklung innovativer Zytostatika das mediane Überleben von fünf Monaten auf neun Monate verlängert, die Ein-Jahres-Überlebensrate von 10 Prozent auf 35 Prozent gesteigert werden.

Neue Zytostatika werden kaum mehr entscheidende Vorteile bringen. Von einem wirklichen Durchbruch in der Therapie lässt sich angesichts dieser Zahlen kaum sprechen. Da ist es nur verständlich, wenn intensiv nach Wirkstoffen gesucht wird, die gezielter angreifen und selektiver wirken als Zytostatika, um eine bessere Wirkung bei weniger Nebenwirkungen zu erreichen. Kurz: Die Suche geht auf molekularer Ebene weiter.

Überlebensvorteil für therapieresistente Patienten

Im Fokus der molekularen Therapie, die auch "targeted therapy" genannt wird, steht hier unter anderem die EGF-Rezeptor (epidermal growth factor receptor)-Blockade (s. Kasten) mit dem EGF-Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitor Gefitinib (ZD1839, Iressa®), der oral appliziert werden kann. Er ist der erste Wirkstoff dieser Art, der bei NSCLC intensiv in größeren Studien untersucht wurde. Geprüft wurde der Effekt bei therapieresistenten Patienten, die bereits eine oder mehrere Chemotherapien hinter sich hatten (IDEAL-Studien I und II) sowie als Add-on-Therapie bei chemonaiven Patienten zur üblichen Chemotherapie (INTACT-Studien).

In den Phase-II-Studien IDEAL I und II (Iressa dose evaluation in advanced lung cancer) erhielten 209 Patienten mit einer oder zwei Chemotherapien in der Vorgeschichte bzw. 216 Patienten, die zwei und mehr Chemotherapien hinter sich hatten, täglich entweder 250 mg oder 500 mg Gefitinib als Monotherapie.

Als große Überraschung gilt die in beiden Untersuchungen hohe Ansprechrate (Tumorregression) von durchschnittlich 15 Prozent (10 bis 18 Prozent). Sie entspricht der einer, vergleichsweise schlecht verträglichen, Chemotherapie. Ein Unterschied zwischen den beiden Dosierungen war nicht zu erkennen (Responderraten IDEAL I: 18,4 Prozent unter 250 mg, 19 Prozent unter 500 mg). Eine Stabilisierung des Krankheitszustands in der Klinik konnte bei 54,4 bzw. 42,2 Prozent der Patienten erreicht werden.

Besonders interessant im Hinblick auf die Lebensqualität war die schnelle Besserung der Symptome wie Dyspnoe und Husten. Bereits nach neun Tagen war bei 30 bis 40 Prozent der Patienten eine deutliche Linderung eingetreten. Interessanterweise ergab sich hier eine direkte Korrelation zwischen der Verbesserung der Symptomatik und der Überlebenszeit: Hatten sich die Beschwerden gebessert, lebten die Patienten im Mittel noch 8,1 Monate, ohne Symptomverbesserung nur noch 3,7 Monate. Gefitinib wurde insgesamt gut vertragen. Am häufigsten traten akneähnlicher Hautausschlag und Diarrhö in meist leichter Form auf. Da die 250-mg-Dosierung ähnlich gut wirksam, aber noch besser verträglich ist, wird sie derzeit empfohlen.

First-line-Theapie: Direkte Kombination mit Chemo bringt nichts

Weit weniger günstig ist die Situation, wenn der EGF-Rezeptor-Inhibitor in der First-line-Therapie als Kombinationspartner von Zytostatika eingesetzt wird. Das zeigen die Phase-III-Studien INTACT 1 und 2 (Iressa NSCLC trial assessing combination treatment), in die rund 2000 chemonaive Patienten im fortgeschrittenen Stadium III und IV eingeschlossen wurden. Sie wurden mit sechs Zyklen einer Chemotherapie (Gemcitabin/Cisplatin oder Carboplatin/Paclitaxel) behandel und erhielten zusätzlich, jeweils bis zum Progress, Gefitinib oder Plazebo.

Ergebnis: Die Kombination brachte keinen Überlebensvorteil im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie. Möglicherweise wird durch die Zytostatika das therapeutische Target bereits so besetzt, dass mit Gefitinib kein zusätzlicher Effekt mehr erzielt werden kann – so die derzeitigen Überlegungen. Doch noch werfen die Forscher nicht die Flinte ins Korn, zumal Subgruppen durchaus einen geringen Benefit zeigen. Versucht wird die Kombination mit anderen Zytostatika, aber auch eine sequenzielle Therapie.

Gefitinib stoppt Signalkaskade

Beim NSCLC wird der EGF(epidermal growth factor)-Rezeptor in mehr als 80 Prozent der Fälle überexprimiert. Das ist fatal, denn dieser epidermale Wachstumsfaktor stimuliert über intrazelluläre Signalkaskaden das Wachstum von Tumorzellen durch Steigerung der Zellproliferation, Verbesserung der Angiogenese und Hemmung der Apoptose.

Gefitinib (Iressa®) kann die Überstimulation des Rezeptors und dadurch auch die Wirkung auf die Tumorzellen hemmen. Und zwar folgendermaßen: Der EGF-Rezeptor ist in der Zellmembran lokalisiert. Binden Liganden wie EGF oder TGF-alpha findet ein Konformationswechsel statt, der eine Dimerisierung des Rezeptors nach sich zieht.

Die Folge: Die intrazellulären Untereinheiten des Rezeptors werden aktiviert und phosphorylieren die jeweils andere Untereinheit. Dieser Prozess wird auch als Autophosphorylierung bezeichnet. Dabei wird ATP in ADP umgewandelt. Dieses Signal wird weitergeleitet und fördert das Tumorwachstum. Gefitinib stoppt die Signalkaskade, indem es die spezifische ATP-Bindungsstelle blockiert.

Zitat

"In der Therapie des nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms sind Fortschritte nur durch neue Ideen möglich. Mit den alten medikamentösen Regimes ist das Plateau erreicht." Prof. Dr. C. Manegold, Heidelberg

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