Arzneimittel und Therapie

Onkologie: Neue Indikationen für Gemcitabin

Gemcitabin (Gemzar®) ist bislang zur Therapie des Pankreas- und nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms zugelassen. Für 2002 wird seine Zulassung beim Harnblasenkrebs erwartet. Aufgrund seiner Effektivität und seiner guten Verträglichkeit ist zu erwarten, dass Gemcitabin in den folgenden Jahren auch zur Therapie weiterer Tumorerkrankungen wie z. B. dem Mamma- und Ovarialkarzinom eingesetzt wird.

Das Pankreaskarzinom ist ein sehr bösartiger Tumor mit schlechter Prognose: Weniger als 15% der Patienten überleben ein Jahr, die Fünfjahres-Überlebenswahrscheinlichkeit liegt bei 5%. Der einzige kurative Therapieansatz - eine Resektion - ist bei der Diagnosestellung in den meisten Fällen nicht mehr möglich. Mit Gemcitabin steht nun seit fünf Jahren ein Zytostatikum zur Verfügung, das für den Patienten deutliche Vorteile aufweist. In sechs randomisierten Phase-III-Studien wurde mit einer Gemcitabintherapie ein mittleres Überleben von 5,4 bis 6,3 Monaten erzielt. Klinisch profitierten 20 bis 30% der Patienten von dieser Therapie. Das Einjahres-Überleben betrug 18% (vs. 2% bei einer Therapie mit 5-Fluorouracil).

Erfolgversprechende Kombinationstherapie

Kombinationen mit anderen Zytostatika wecken die Hoffnung auf noch bessere Therapieerfolge. So konnten mit der Kombination Gemcitabin/Cisplatin Ansprechraten von bis zu 36% und Einjahres-Überlebensraten von bis zu 30% erzielt werden. Bei einer Kombinationstherapie von Gemcitabin und 5-Fluorouracil wurden Ansprechraten bis zu 43% und ein medianes Überleben von 13 Monaten dokumentiert.

NSCLC - jeder zweite Patient erhält Gemcitabin

Bis vor kurzem überlebten lediglich 15 bis 20% der Patienten mit fortgeschrittenem nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) das erste Jahr nach der Diagnosestellung; heute sind es immerhin rund 30%. Dieser Fortschritt ist unter anderem dem frühzeitigen Einsatz platinhaltiger Kombinationstherapien zu verdanken, die teilweise auch präoperativ durchgeführt werden. Platinderivate werden zunehmend mit Gemcitabin kombiniert, das inzwischen jeder zweite Patient standardmäßig erhält. Derzeit gilt die Kombination aus Gemcitabin/Cisplatin als wirksamste Behandlungsmöglichkeit beim NSCLC, wobei Cisplatin auch durch Carboplatin ersetzt werden kann.

Gegenwärtig wird die Wirksamkeit von Gemcitabin mit weiteren Zytostatika untersucht. Kombinationspartner sind hierbei Cisplatin und der EGF-R-Tyrosin-Kinase-Hemmer ZD 1839 (geplanter Handelsname: Iressa), da insbesondere beim Bronchialkarzinom eine hohe EGF-R-Expression besteht (EGF-R = epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor). Eine weitere Perspektive ist eine molekularbiologische Therapie mit Protein-Kinase-C-Inhibitoren oder Multitarget Antifolaten (z. B. Pemetrexed).

Neue Option beim

Harnblasenkarzinom

Das fortgeschrittene Harnblasenkarzinom wurde bislang mit dem M-VAC-Schema (Methotrexat, Vinblastin, Adriamycin, Cisplatin) therapiert. Dieses Schema ist aggressiv, und man rechnet mit einer therapiebedingten Mortalitätsrate von 3 bis 4%. Daher besteht ein Bedarf nach weniger toxischen Therapien. Nachdem Gemcitabin allein und vor allem in Kombination mit Cisplatin gute Therapieerfolge aufwies, wurde in einer großen randomisierten Studie der herkömmliche Standard M-VAC mit Gemcitabin/Cisplatin beim lokal fortgeschrittenen, metastasierenden Harnblasenkarzinom verglichen.

Bessere Verträglichkeit

Bei den Ansprechraten (46% vs. 49%) und dem medianen Überleben (14,8 vs. 13,8 Monate) zeigte sich kein signifikanter Unterschied, wohl aber bei der Toxizität und Verträglichkeit der Therapie: Unter M-VAC traten signifikant häufiger neutropenisches Fieber (14% vs. 2%), mehr Sepsisfälle (12% vs. 1%) und deutlich häufiger eine Mukositis (22% vs. 1%) auf. Die reduzierte Toxizität der Chemotherapie erforderte weniger supportive Therapien (z. B. Aufwendungen für Antibiotika, Antimykotika, Virustatika), was sich auch letztendlich in den Folgekosten niederschlägt. Vor allem erhöht eine bessere Verträglichkeit der Therapie die Lebensqualität des Patienten.

Einsatz bei gynäkologischen Tumoren

Das metastasierende Mammakarzinom hat eine ungünstige Prognose. Je nach Tumorart und Grad der Metastasierung werden endokrine oder chemotherapeutische Therapien durchgeführt. Die Chemotherapie enthält oftmals ein Anthracyclin, das wegen seiner Kardiotoxizität nicht beliebig oft gegeben werden kann. Ist aufgrund der fortschreitenden Erkrankung eine weitere Therapie erforderlich, müssen andere Substanzen eingesetzt werden. In solchen Situationen wird Gemcitabin mit weiteren Zytostatika wie Taxanen, Cisplatin, 5-Fluorouracil oder Vinorelbin kombiniert. So führt z. B. die Gabe von Gemcitabin und Taxanen zu Ansprechraten zwischen 36% bis 79%. Möglicherweise findet Gemcitabin auch seinen Stellenwert in der intensivierten First-line-Therapie bei Hochrisikopatientinnen, was gegenwärtig in Studien geprüft wird. Des Weiteren wird der Einsatz von Gemcitabin in Kombination mit Taxanen und Platinderivaten beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom untersucht.

Kastentext: Metastasierendes Mammakarzinom

Die Therapiestrategien beim metastasierenden Mammakarzinom hängen von mehreren Faktoren ab:

  • Vorbehandlung: z. B. können Anthracycline aufgrund ihrer kumulierenden Toxizität nicht unbegrenzt gegeben werden
  • Co-Morbidität
  • Wunsch der Patientin: Erhalt der Lebensqualität oder Erhalt der Lebenszeit
  • Individuelles Risiko>
  • Krankheitsfreies Intervall
  • Lokalisation der Metastasen
  • Zahl der befallenen Organe
  • Her-2-Überexpression

Kastentext: Wirkmechanismus von Gemcitabin

Gemcitabin ist ein Pyrimidinanalogon und unterbindet die DNA-Synthese durch Hemmung der Ribonukleotidreduktase. In der Folge können keine Desoxynukleotide mehr gebildet werden. Die Zelle versucht nun, den Mangel an natürlichen Nukleotiden durch Einbau von Gemcitabin-Nukleotid auszugleichen. Gemcitabin wird also als falsche Base in die DNA eingebaut. Normalerweise wird eine falsche Base in der DNA von den Reparaturenzymen erkannt, was bei Gemcitabin aber nicht der Fall ist. Es wird sogar noch eine weitere Base angehängt, erst dann erfolgt der DNA-Strangbruch. Diesen Mechanismus bezeichnet man als maskierten Kettenabbruch.

Kastentext: Gemcitabin klinische Daten

  • Pharmakokinetik: - Spitzenkonzentration im Plasma bereits 15 bis 30 Minuten nach Infusionsbeginn - mittlere Plasmahalbwertszeit 8 Minuten - schnelle intrazelluläre Metabolisierung, weniger als 10% werden unverändert renal ausgeschieden
  • Applikation: Gemcitabin 1000 - 1250 mg/m² i. v. als 30-Minuten-Infusion entweder alle 3 Wochen Tag 1 und 8 oder alle 4 Wochen Tag 1, 8 und 15 - gut geeignet für die ambulante Therapie
  • Nebenwirkungen: - moderate, kurzzeitige Myelosuppression - selten Erbrechen; meist keine antiemetische Therapie erforderlich - sehr selten Alopezie

Quelle: Prof. Dr. Hans-Joachim Schmoll, Halle; Prof. Dr. Christian Manegold, Heidelberg; Prof. Dr. Kurt Miller, Berlin; Prof. Dr. Gunther Bastert, Heidelberg; anlässlich der Pressekonferenz "5 Jahre Gemzar - ein starker Partner in der Onkologie", Hamburg, 14. November 2001, veranstaltet von der Lilly Deutschland GmbH.

Gemcitabin ist bislang zur Therapie des Pankreas- und nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms zugelassen. Für 2002 wird seine Zulassung beim Harnblasenkrebs erwartet. Aufgrund seiner Effektivität und seiner guten Verträglichkeit ist zu erwarten, das Gemcitabin in den folgenden Jahren auch zur Therapie weiterer Tumorerkrankungen wie z. B. dem Mamma- und Ovarialkarzinom eingesetzt wird.

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