Auch Kranken- und Pflegekassen sollen dem Entwurf nach „datengestützte Auswertungen zum individuellen Gesundheitsschutz ihrer Versicherten, zur Verbesserung der Versorgung und zur Verbesserung der Patientensicherheit vornehmen und insoweit ihre Versicherten individuell ansprechen“ dürfen (§ 287a SGB V). Eine automatisierte Verarbeitung der bei den Kranken- und Pflegekassen vorliegenden personenbezogenen Daten der Versicherten ist demnach ohne Einwilligung der betroffenen Person zu den genannten Zwecken zulässig, soweit sie erforderlich und geeignet ist zur Früherkennung von seltenen Erkrankungen, der Überprüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit zur Erkennung von Gesundheitsgefahren, der risikoadaptierten Früherkennung von Krebsrisiken oder zur Erkennung und Identifizierung akuter und schwerwiegender Gesundheitsgefährdungen, soweit dies im überwiegenden Interesse der Versicherten ist. Widerspricht ein Versicherter ausdrücklich der Nutzung seiner Daten gegenüber der Kasse, ist die Datenverarbeitung zu unterlassen.
Automatisierte AMTS-Prüfung durch Kassen im Einzelfall erlaubt
Für die Apotheken ist vor allem interessant, dass das BMG dabei ausdrücklich auch auf eine Überprüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit abstellt. „Patientinnen und Patienten bekommen ihre Arzneimittel oft von unterschiedlichen Leistungserbringern verschieben, ohne dass zwangsläufig überprüft wird, ob bereits wirkstoffgleiche Präparate mit unterschiedlichen Handelsnamen verschrieben worden sind oder potenziell lebensgefährliche Arzneimittelwechselwirkungen durch bestimmte Kombinationen drohen“, schreibt das Ministerium dazu in der Begründung zum Entwurf. „Diese Daten laufen allerdings bei den Krankenkassen zusammen, so dass dort eine entsprechende automatisierte Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit im Einzelfall erfolgen kann. Die Verarbeitung und Information der Betroffenen liegt im Interesse der Betroffenen, da Überdosierungen und potenziell tödliche Arzneimittelwechselwirkungen erkannt und den Betroffenen kommuniziert werden können.“
In der geplanten Neufassung des § 287a SGB V konkretisiert das BMG in Absatz 4 jedoch zugleich, wie eine Kasse mit möglicherweise erkannten Problemen umzugehen hat. „Sofern bei einer Verarbeitung nach Absatz 2 eine konkrete Gesundheitsgefährdung bei Versicherten identifiziert wird, sind diese umgehend über die bestehende Gefährdung zu unterrichten“, heißt es darin. „Diese Unterrichtung ist als unverbindliche Empfehlung auszugestalten, medizinische Unterstützung eines Leistungserbringers in Anspruch zu nehmen. Die ärztliche Therapiefreiheit der Leistungserbringer wird dabei nicht berührt.“
Kassen dürfen Patienten nicht gefährden
In besonders dringenden Fällen sollte die Kontaktaufnahme telefonisch erfolgen, stellt das Ministerium in der Begründung klar. Bei Information und Empfehlung der Früherkennung genügt eine Information elektronischen Weg oder in Schriftform. „Dabei dürfen keine Vorgaben hinsichtlich der Beseitigung der Gefährdung gemacht werden, die Therapiefreiheit der Leistungserbringer wird somit nicht eingeschränkt“, betont es. „Die Krankenkassen haben dafür Sorge zu tragen, dass durch die Information der Versicherten keine Gefährdung derselben entsteht. So ist etwa darauf zu achten, dass Versicherte nach einem Hinweis auf mögliche Kreuzmedikationen medizinischen Rat einholen, anstatt selbständig Medikamente abzusetzen.“
Des Weiteren soll künftig der elektronischen Patientenakte (ePA) eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung zukommen: Sofern die Versicherten nicht widersprochen haben, sollen die enthaltenen Daten zu bestimmten Zwecken nutzbar gemacht und automatisiert an das Forschungsdatenzentrum nach § 303d übermittelt werden. „Es werden ausschließlich Daten übermittelt, die zuverlässig automatisiert pseudonymisierbar sind“, hält das BMG in der geplanten Änderung des § 363 Absatz 2 SGB V fest. „Die Übermittlung wird in der elektronischen Patientenakte dokumentiert.“ Möchte ein Versicherter der Nutzung seiner Daten widersprechen, soll er das über die Benutzeroberfläche eines geeigneten Endgeräts tun können. Das Nähere zum technischen Verfahren bei der Ausleitung von Daten aus der ePA regelt das BMG per Rechtsverordnung.
Die Verbände haben nun bis kommenden Montag, den 14. August, Zeit, ihre Stellungnahmen zum Entwurf einzureichen. Für diesen Tag ist auch die Verbändeanhörung im Ministerium vorgesehen.
Lauterbach stellt DigiG und GDNG vor
Zusammen mit dem Digitalgesetz, das bereits als Referentenentwurf vorliegt, soll das Gesundheitsdatennutzungsgesetz die digitale Gesundheitsversorgung in Deutschland voranbringen. Während das GDNG vor allem die Nutzung von Gesundheitsdaten in den Blick nimmt, adressiert das Digitalgesetz insbesondere praktische Versorgungsaspekte und konkretisiert unter anderem die Regeln rund um ePA und E-Rezept. Am morgigen Mittwoch stellt Bundesgesundheitsminister Lauterbach beide Vorhaben nochmals persönlich vor: Dann wird er eine kardiologische Gemeinschaftspraxis in Berlin-Charlottenburg sowie eine Apotheke besuchen und sich dort über die Abläufe beim E-Rezept informieren. Anschließend wird er der Presse die Neuerungen zum E-Rezept sowie die beiden Digitalgesetze präsentieren.
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Wann nächster Protest?
von V. Herkert am 12.08.2023 um 9:25 Uhr
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