Reaktion auf Personalmangel

Verkürzte Öffnungszeiten – die Folgen für variable und fixe Kosten

Süsel - 28.07.2023, 07:00 Uhr

Wie wirken sich verkürzte Öffnungszeiten auf die fixen und variablen Kosten einer Apotheke aus? (Foto: DAZ/Schelbert)

Wie wirken sich verkürzte Öffnungszeiten auf die fixen und variablen Kosten einer Apotheke aus? (Foto: DAZ/Schelbert)


Immer mehr Apothekerkammern reduzieren die Mindestöffnungszeiten, damit Apotheken auf den Personalmangel reagieren können. Doch welche betriebswirtschaftlichen Folgen hat das? Bei den variablen Kosten wird wenig zu sparen sein und die Verteilung der Fixkosten hat das Potenzial für einige Probleme. Doch diese erscheinen zumindest auf kurze und mittlere Sicht beherrschbar, wie eine Analyse von DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn zeigt.

In diesem Jahr haben schon mehrere Apothekerkammern die Mindestöffnungszeiten für Apotheken verringert. Apotheken sollen damit auf den Personalmangel reagieren können. Göran Donner, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer, hat diese Idee kürzlich im DAZ-Interview so zusammengefasst: „Eine Apotheke, die nur sechs Stunden am Tag geöffnet hat, ist besser als gar keine Apotheke.“ Damit macht Donner deutlich, dass es nur um Apotheken in ländlichen Regionen geht – also dort, wo es sonst gar keine Apotheke gäbe. 

Eine solche Apotheke ist ein Angebot an Menschen im Ort, die nicht ohnehin täglich unterwegs sind und die sich ihren Apothekenbesuch nach den Öffnungszeiten organisieren können. Auf dem Land müssen auch viele andere Tätigkeiten so geplant werden. Die Einwohner sind das gewohnt. Umgekehrt können Menschen, die bis 18 Uhr oder länger arbeiten, auch Apothekenöffnungszeiten bis 18 Uhr oder 18.30 Uhr kaum nutzen. Wenn sie ohnehin fahren müssen, werden sie in urbanen Regionen Apotheken mit längeren Öffnungszeiten finden. Dort hätten Apotheken mit sechs Stunden Öffnungszeit keine Chance. Doch darum geht es hier nicht. Die Öffnungszeiten sind so vielfältig wie die Apotheken selbst. Verminderte Öffnungszeiten sind bestenfalls eine mögliche Antwort auf die zugespitzte Personalnot in besonderen Lagen, aber keine Perspektive für die Apotheken insgesamt.

Kaum Spielraum für sinkende variable Kosten

Das Konzept ist also eine Reaktion, keine Aktion. Es ist auch keine Sparmaßnahme. Doch natürlich hat ein solcher Schritt betriebswirtschaftliche Folgen für Apotheken, die davon Gebrauch machen. Wie sehen diese aus? 

Die Grundidee verkürzter Öffnungszeiten liegt darin, dass sich die Einwohner vor Ort dann entsprechend organisieren. Im Idealfall sinkt der Umsatz kaum, sondern der gleiche Umsatz wird in kürzerer Zeit erzielt. Das wäre insbesondere eine Erleichterung für Inhaber, die weitgehend ohne vertretungsberechtigtes Personal arbeiten oder die für die Randzeiten keine Vertretung finden. 

Falls in den einzusparenden Zeiten Mitarbeiter beschäftigt wurden und es Leerlaufzeiten beim Personal gab, würden die variablen Kosten durch die kürzeren Öffnungszeiten sinken. Dann würde die Rentabilität steigen. Doch das Potenzial dafür dürfte sehr gering sein. Wahrscheinlich würde sich der bisherige Personaleinsatz nur in einem kürzeren Zeitfenster ballen. Der Vorteil für die Apotheken liegt also primär nicht darin, Personal zu sparen, sondern die vorhandenen Beschäftigten zu praktikableren oder attraktiveren Zeiten einzusetzen.

Personalkosten sind variabel

Diese Überlegungen setzen voraus, die Personalkosten als variable Kosten zu begreifen. In Lehrbüchern werden Personalkosten für Angestellte zwar oft als fixe Kosten bezeichnet, aber das passt nicht zum tatsächlichen Personaleinsatz in Apotheken. Der Personaleinsatz wird durch individuelle Dienstpläne gesteuert und das Apothekenpersonal ist aufgrund seiner Qualifikation flexibel einsetzbar. Auch wenn gerade kein Kunde da ist, gibt es etwas zu tun. Darum müssen die Personalkosten als variabel betrachtet werden – und darum gibt es wahrscheinlich schon jetzt kaum Leerlaufzeiten.

Werden Fixkosten zum Problem?

Doch zurück zu den Folgen kürzerer Öffnungszeiten: Solange der Umsatz erhalten bleibt, ist für die Apotheke betriebswirtschaftlich alles in Ordnung. Doch falls dieser Plan nicht aufgeht und der Umsatz bei kürzeren Öffnungszeiten sinkt, drohen die Fixkosten zum Problem zu werden. Vermutlich wird sich das in verschiedenen Apotheken unterschiedlich entwickeln. Darum erscheint es sinnvoll, diese Möglichkeit durchzuspielen. 

Was passiert also, wenn mit der Öffnungszeit auch der Absatz und der Umsatz geringer werden? Da die Fixkosten unverändert bleiben, verschlechtert sich die Relation zwischen Umsatz und Fixkosten und damit die Rentabilität. Das ist aber nur relevant, wenn die Fixkosten eine nennenswerte Höhe haben. Dabei ergeben sich für vier wichtige Fixkostenarten unterschiedliche potenzielle Folgen.

Raumkosten auf dem Land oft gering

Die größte Fixkostenposition in den meisten Apotheken sind die Raumkosten. Doch für Apotheken in kleinen Orten mit wenigen Geschäften gilt das oft nicht. Dort sind die Mieten nicht hoch. Es geht um Lagen, in denen Infrastruktur abgebaut wird. Dort stehen Läden leer. Die Miete ist dort kein Kostentreiber. Das gilt erst recht für Apotheken in eigenen Räumen, für die sich dort kaum ein anderer Mieter finden lässt. Dieser Aspekt ist daher zu vernachlässigen.

Kaum Spielraum für Investitionen

Der zweite wichtige Fixkostenblock sind die Abschreibungen für Möbel und für die technische Ausstattung. Doch es geht hier nicht um Neugründungen, sondern eher um schon länger bestehende Apotheken. Deren Einrichtung ist abgeschrieben. Kurz- und mittelfristig ist das also kein Problem, aber langfristig. Es erscheint fraglich, ob mit sehr kurzen Öffnungszeiten genug zu erwirtschaften ist, um neue Investitionen in zukunftsweisende Technik oder neues Mobiliar zu finanzieren. Eine Apotheke mit stark verkürzten Öffnungszeiten ist darum eher kein nachhaltiges Konzept, sondern ein Projekt auf Zeit. Es ist besonders interessant für Orte, in denen eine Phase des demografischen Wandels überbrückt werden soll. Dort geht es um die Zeit, in der sich entscheidet, ob ein Ort „stirbt“, weil die Infrastruktur zusammenbricht, oder ob sich das Geschäftsleben aus den umliegenden Dörfern gerade dort neu bündelt. Bis das entschieden ist, gilt es die Apotheke zu erhalten.

Ein dritter Fixkostenblock ist die Miete oder das Leasing für die IT-Ausstattung. Hier sind Apothekensoftwarehäuser und betroffene Apotheken gefragt, ein geeignetes Modell zu entwickeln. Dies ist eine Herausforderung, auf die der Markt eine Antwort finden sollte.

Neue Diskussion um „Apotheke light“?

Als vierter Fixkostenblock sollen die Kosten für apothekenspezifische Anforderungen betrachtet werden, die alle Apotheken prinzipiell gleich betreffen. Dies sind insbesondere die Qualitätssicherung für die Rezeptur, das QMS, der Arbeitsschutz und zahllose Formalitäten. Vielleicht verbessert sich die Lage durch einen neuen Anlauf zum Bürokratieabbau in allen Apotheken. Falls das nicht gelingt, kann dieser Aspekt eine neue Debatte um eine „Apotheke light“ entfachen. Eine solche gab es bereits vor rund zwanzig Jahren bei der Einführung der Filialen. Sie endete damals mit dem klaren Bekenntnis, auch Filialen als Vollapotheken zu betreiben. Insbesondere auf die Rezeptur sollte nicht verzichtet werden. Wesentliche Argumente dafür sind die flächendeckende Versorgung, die drohende Wettbewerbsverzerrung und die Qualifikation des Personals, das in „Apotheken zweiter Klasse“ von der beruflichen Entwicklung abgeschnitten werden könnte. 

Bei Apotheken mit stark verkürzten Öffnungszeiten gibt es allerdings einen wesentlichen Unterschied zu den Filialen. Während eine Filialisierung eine unternehmerische Wahl ist, die an jedem Standort getroffen werden kann, bietet sich die Verkürzung der Öffnungszeit nur unter sehr speziellen Bedingungen an. Ein Apothekeninhaber sucht sich das nicht aus, sondern wird dazu gezwungen. Die Vorzeichen sind also ganz anders als vor zwanzig Jahren. Darum sollte niemand überrascht sein, wenn aus den verkürzten Öffnungszeiten eine neue Debatte um eine „Apotheke light“ entsteht.

Fazit: kein betriebswirtschaftliches Hindernis

Das alles wird jedoch nur relevant, wenn überhaupt eine nennenswerte Anzahl von Apotheken auf die neue Möglichkeit eingeht und die Öffnungszeiten verringert. Das müssen die Betroffenen vor Ort prüfen und entscheiden. Die Kammern eröffnen nur eine Option. 

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bleibt festzuhalten, dass die Fixkosten potenziell ein begrenzender Faktor sind, falls der Umsatz sinkt und sich nicht in der kürzeren Öffnungszeit bündelt. Doch sogar dann würde sich der Einfluss der Fixkosten bei den meisten betroffenen Apotheken kurz- und mittelfristig in Grenzen halten, wie die obigen Überlegungen zeigen. Wenn die Rahmenbedingungen passen, sollte die Rentabilität daher kein Hindernis für die Verkürzung der Öffnungszeit in speziellen ländlichen Lagen sein.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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