FUTUREPHARM

Geld verdienen mit pharmazeutischen Dienstleistungen – so geht´s (nicht)

17.03.2022, 17:50 Uhr

Apotheker Prof. Dr. Herzog hat bei der FUTUREPHARM die finanziellen Aspekte der Dienstleistungen beleuchtet. (c / Foto: DAV/Hahn)

Apotheker Prof. Dr. Herzog hat bei der FUTUREPHARM die finanziellen Aspekte der Dienstleistungen beleuchtet. (c / Foto: DAV/Hahn)


Welche pharmazeutischen Dienstleistungen Apotheken künftig zulasten der GKV erbringen können, ist nach wie vor eine Blackbox. Nichtsdestotrotz sollten Apotheken sich bereits jetzt ein paar grundsätzliche Gedanken zu diesem Thema machen. Apotheker Reinhard Herzog hat das vergangenen Freitag im Rahmen den FUTUREPHARM getan. Für alle, die seinen Vortrag verpasst haben, hat er selbst die wichtigsten Aspekte zusammengefasst.

Seit jeher bewegen sich Apotheken im Spannungsfeld „Heilberuf“ versus „Kaufmann“. Perspektivisch sehen sie sich immer leistungsfähigeren technischen Möglichkeiten gegenüber, beispielsweise bei der IT und künstlichen Intelligenz, welche so manch „kognitive Dienstleistung“ zu kapern vermag. Schon heute könnten Abgabeautomaten Apotheken (teil-)ersetzen. Der Versandhandel macht weiter Druck. Wir sehen verstärkt teure, individualisierte Spezialtherapien, die nicht mehr über den Apothekentisch gehen. „Predictive Analytics“ hat das Potenzial, Krankheiten noch vor ihrer klinischen Manifestation abzufangen, was nebenbei die Zukunftsbedeutung von Tests und Diagnostik auch für die Apotheke illustriert. Dagegen nimmt sich der reine demografische Überalterungseffekt erstaunlich bescheiden aus – durch ihn erwartet uns nur ein geringes Marktwachstum (unter 1 Prozent pro Jahr). 

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Hinter dem klassischen Apothekengeschäft stehen langfristig also gewisse Fragezeichen. Können neue Dienstleistungen das kompensieren?  Der Gesetzgeber hat die Tür dazu im Umfang von zunächst rund 150 Mio. Euro jährlich – pro Apotheke um 8.000 Euro – aufgestoßen. Im Moment reden wir hinsichtlich der konkreten Leistungen aber noch von einer „Blackbox“. Diese Summen retten keine Apotheke und stehen unter dem Vorbehalt des zu tätigenden Aufwandes. Aktuell tut sich mit dem Impfen in der Apotheke ein weiteres, wenn auch nicht unumstrittenes „echtes“ heilberufliches Betätigungsfeld auf.

Es braucht Kompensation für Einbußen im Kerngeschäft

Betrachtet man die reinen Ertragsrelationen (Abbildung), lässt sich unschwer erkennen, dass der heutige Produktverkauf mit einem ja bereits enthaltenen Dienstleistungs- und Beratungsanteil Roherträge einspielt, die nicht im Entferntesten mit den momentan realistischen Dienstleistungen kompensiert werden können. Ganz oben stehen dabei die Erträge aus Rx-Präparaten. Es wäre hochgefährlich, an dieser Statik zu rütteln. Einige Dienstleistungen haben das Potenzial zur (volkswirtschaftlich und therapeutisch sinnvollen) Optimierung des Arzneimitteleinsatzes, was dann aber andererseits Einbußen im Kerngeschäft beschert und einer Kompensation bedarf.

Welchen Preis müssten Dienstleistungen haben?

Dienstleistungen zeichnen sich dadurch aus, dass primär „Arbeitszeit“ verkauft wird, die in Zeiten des Personalmangels knapp und zunehmend teuer ist. Deshalb gilt es zunächst, die realen Kosten der Arbeitszeit zu quantifizieren, sachgerechte Zuschläge für die übrigen Betriebskosten und einen angemessenen Gewinn zu erheben und dann mit den gebotenen Preisen und Aufwänden der einzelnen Dienstleistungen abzugleichen. Ehrlich gerechnet müsste bei einer „Vollkostenbetrachtung“ einschließlich des heute erwirtschafteten Gewinnanteils eine Arbeitsstunde erfahrener approbierter Kräfte (Monats-Bruttogehalt um 5.000 Euro) mit knapp über 100 Euro (ggf. zuzüglich Mehrwertsteuer) abgerechnet werden. Eine erfahrene PTA (3.000 Euro Bruttogehalt) erfordert mindestens 60 Euro je effektiv geleistete Arbeitsstunde. Je Minute sind das gut 1,70 Euro bzw. 1,00 Euro. Das will erst einmal von den Kostenträgern akzeptiert sein. Zudem ist gerade bei Dienstleistungen zwischen „Bruttozeiten“ (nämlich einschließlich Bürokratie, Abrechnung, Schulungsaufwand etc.) und gern von den Kostenträgern angesetzten „Nettozeiten“ (effektiv am Patienten erbracht) zu unterscheiden und in die Kalkulation mit einzubeziehen.

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Ist das Honorar nicht gewinnträchtig oder gar allenfalls kostendeckend, bleibt zu erörtern, ob wenigstens ein Marketing- und Kundenbindungseffekt mit der Leistung verbunden ist, in der stillen Hoffnung auf Rezepte und OTC-Käufe. Dies würde zwar auf eine – im Grunde zu vermeidende – Querfinanzierung hinauslaufen, wäre für starke Apotheken aber erwägenswert. Kluge Entscheider ziehen zudem immer die Opportunitäts-Option in Betracht – wie stehe ich da, wenn ich das Thema an mir vorbeiziehen lasse und die gesparte Arbeitszeit stattdessen in meine bewährten Kerngeschäfte investiere?

Privatleistungen für besonders Gesundheitsbewusste?

Dienstleistungen können aber so attraktiv gestaltet werden, dass sie als Privatleistungen für besonders Gesundheitsbewusste in Betracht kommen. Die Apotheken wären gut beraten, bei diesem Thema nicht nur durch die „Kassenbrille“ zu schauen.

Eine spontane Idee am Schluss: Wie wäre es, auch angesichts der Personalengpässe, so einige „Bürokratiemonster“ auf den Prüfstand zu stellen und die gesparte Zeit in neue Dienstleistungen umzuwidmen? Quid pro quo, und in diesem Fall könnte man sogar bei den Preisen ein wenig entgegenkommen …

Die INTERPHARM online geht weiter

Für alle, die Lust auf mehr haben, geht es am 18. März weiter mit dem ApothekenRechtTag. Eine Woche später finden der pharmazeutische eKongress und der PTAheute-eKongress statt, und am 1. April bildet die Heimversorgung KOMPAKT den Abschluss der INTERPHARM online. Tickets und alle weiteren Informationen unter: http://www.interpharm.de/. 



Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Immer wieder extrem erhellend,

von gabriela aures am 18.03.2022 um 20:12 Uhr

wenn Prof. Herzog mal eiskalt die nackten Zahlen präsentiert.
Die gefallen nur leider den versammelten Milchmädchen (vulgo ABDA) nicht, weil es sie und ihre pharmazeutischen Wunschträume aus dem Regenbogenland wieder zurück in die Realität holen würde.

Seit Jahren werden seine Berechnungen geflissentlich ignoriert.

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