Sanacorp-Chef zu Apothekenplattformen

„Wir fixieren uns nicht auf eine Entscheidung“

Stuttgart - 17.02.2022, 07:00 Uhr

Der Vorstandsvorsitzende der Sanacorp, Herbert Lang, erläutert im Interview mit der DAZ, wie er die derzeitigen Entwicklungen von Digitalprojekten im Apothekenmarkt bewertet. (s / Foto: Sanacorp)

Der Vorstandsvorsitzende der Sanacorp, Herbert Lang, erläutert im Interview mit der DAZ, wie er die derzeitigen Entwicklungen von Digitalprojekten im Apothekenmarkt bewertet. (s / Foto: Sanacorp)


„Wir haben es geschafft, das Thema Apothekenplattformen anzustoßen“

DAZ: Herr Lang, der „Zukunftspakt Apotheke“ unter Beteiligung von Noweda startete 2018. Knapp ein Vierteljahr später gründete die Sanacorp zusammen mit vier anderen großen Unternehmen aus der Apothekenbranche die Initiative Pro AvO. Immer wieder wurde damals betont, man arbeite an der Branchenlösung. Ist das immer noch das Ziel, oder hat man inzwischen erkannt und akzeptiert, dass auch im Digitalmarkt Wettbewerb herrschen kann?

Lang: Als wir damals loslegten, gab es erkennbar nur die von Ihnen genannten zwei Initiativen. Die weitere Entwicklung, gerade bei Pro AvO oder auch im Hinblick auf das DAV-Portal, hat da niemand absehen können. Wir haben es also geschafft, das Thema „Apothekenplattformen“ anzustoßen. Wenn es tatsächlich die Branchenlösung gäbe, dann wäre das sicher die optimale Lösung für alle Apotheken in Deutschland. Aber der Wettbewerb hat seitdem nun mal viele Facetten entwickelt und am Ende des Tages werden die Kunden entscheiden, welche Plattform die erfolgreichste sein wird.

Haben Sie sich deshalb auch dafür entschieden, sich mit der Sanacorp-Kooperation „mea – meine apotheke“ am Zukunftspakt zu beteiligen?

Wir fixieren uns nicht nur auf eine Entscheidung, sondern bieten unseren Mitgliedern unterschiedliche Optionen an. Je nachdem wie sich die wettbewerblichen Strömungen entwickeln, haben unsere Mitgliedsapotheken dann Alternativen. Die Zusammenarbeit mit dem Zukunftspakt ist sehr vertrauensvoll und professionell. Es ist wichtig, dass wir auch hier unsere Erfahrungen machen und unsere Mitglieder einbinden. Welche Plattformlösung am Ende des Tages die erfolgreichste sein wird, kann heute niemand sagen. Dafür stehen wir noch zu sehr am Anfang.

Das heißt, Sie gehen nicht davon aus, dass es am Ende nur die eine Apothekenplattform geben wird, sondern je nach Kundenbedürfnis mehrere digitale Kanäle in die Apotheke?

Plattformen sind wichtig. Ich selbst gehe auch auf verschiedene Plattformen, wenn ich bestimmte Bedarfe habe und mich uninformiert fühle. Wenn daneben aber etablierte Kundenbeziehungen herrschen, dann wird die Kontaktaufnahme und Bestellung weniger über eine Plattform, sondern gezielt beispielsweise über die Stammapotheke laufen. Wer diese Differenzierung ignoriert, wird mit seinem Konzept scheitern. Junge, ansonsten gesunde Menschen wollen konkret ihren akuten Bedarf decken können. Für chronisch Kranke mit Polymedikation ist der Bezug zu ihrer Hausarztpraxis und Stammapotheke essenziell wichtig. Deshalb bieten wir Apotheken eben auch individuelle Digitalpräsenz im Rahmen der mea-App an. Die Plattform ist aber nicht für alle Kunden die passende Lösung.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund das Aufkommen der Arzneimittel-Lieferdienste – Chance oder Gefahr?

Entsprechende Pilotprojekte haben wir selbst bereits gestartet. Es läuft eine Kooperation mit einem externen, auf den Apothekenmarkt spezialisierten Partner namens Aponia. Denn, wenn wir uns konsequent am Bedarf der Kunden orientieren, dann muss das „Bringen bis an die Haustür“ eben auch darstellbar sein. Diese Erwartungshaltung ist weit verbreitet. Daher haben wir zusammen mit Aponia ein entsprechendes Konzept mit 30 Münchner Apotheken getestet und in die Umsetzung gebracht. Derzeit befinden wir uns in Vorbereitung, das Konzept in Nürnberg, Potsdam und Hamburg größer auszurollen. Wichtig ist aber: Dieser Lieferdienst darf niemals ein Ersatz für alle Leistungen darstellen, die die Individualapotheke schon heute anbietet. Es ist ein ergänzender Service, mit dem wir auf das veränderte Konsumverhalten reagieren. Übrigens ersetzen wir damit auch nicht pauschal den klassischen Apothekenbotendienst. Es ist ein optionales und individuell zugeschnittenes Modell, das die Apotheken bei erhöhtem Bedarf, Stichwort „E-Rezept“, unterstützen soll.

Es wird deutlich, dass Sie sich als Sanacorp sehr intensiv und eigenständig Gedanken gemacht haben, wie Sie Ihre Mitglieder digital unterstützen können. Das schien damals in der Anfangszeit von Pro AvO anders: Dort traten Sie als einer von fünf Partnern auf und jede Vision und jedes öffentliche Statement wurde zunächst innerhalb dieses Joint Venture abgestimmt.

Wir haben sicherlich gelernt, dass es für Gesellschafter häufig sehr schwierig ist, eigene Interessen hinter das Gemeinschaftsinteresse zu stellen. Bei Pro AvO sind es einfach sehr unterschiedliche Unternehmen. Als Sanacorp-Genossenschaft ist es sicher nicht unser Kerngeschäft, Geld zu investieren, wenn wir den Ausgang der Entwicklung am Ende des Tages nicht einigermaßen mit unserer Fachkenntnis prognostizieren können. Konkret auf Pro AvO bezogen, heißt das: Plattform bauen als Initiative – ja! Dauerhaft betreiben – eher weniger! Wir sind froh, dass wir die Initiative ergriffen haben, das Thema Apothekenplattformen für unsere Mitglieder anzustoßen. Wir sind ja auch weiterhin bei gesund.de mit einer Minderheitsbeteiligung engagiert. Wir wollen mitgestalten, sehen aber darin nicht unser Kerngeschäft.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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