Welt-MS-Tag

MS-Arzneimittel: grundsätzlich immer lebenslang?

Stuttgart - 28.05.2021, 17:50 Uhr

Wie sollte im Jahr 2021 nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft Multiple Sklerose behandelt werden?(Foto: decade3d / AdobeStock)

Wie sollte im Jahr 2021 nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft Multiple Sklerose behandelt werden?(Foto: decade3d / AdobeStock)


Einmal MS-Arzneimittel, immer MS-Arzneimittel?

Gibt es eigentlich die Möglichkeit, dass Patienten, die keine Krankheitsaktivität zeigen, ihre MS-Arzneimittel auch wieder absetzen können? Diese Option räumen die Leitlinienautoren durchaus ein. Allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur für Patienten, die Arzneimittel der Wirksamkeitskategorie 1 erhalten – Betainterferon Dimethylfumarat, Glatirameroide und Teriflunomid. Zeigen diese Patienten unter diesen Arzneimitteln keine Krankheitsaktivität und hatten bereits vor Therapiebeginn nur eine geringe Krankheitsaktivität, kann nach Einschätzung der Leitlinienautoren „bei entsprechendem Patientenwunsch“ und „nach einem Zeitraum von mindestens fünf Jahren“ eine Therapiepause erwogen werden.

Wie hat sich die Prognose bei MS geändert?

Den Leitlinienautoren zufolge hat sich die Prognose der MS-Erkrankung in den letzten Jahren „deutlich“ verbessert. In den 1980er-Jahren erreichten noch 50 Prozent aller Patienten nach 15 Jahren einen Behinderungsgrad (EDSS) von 6, und 50 Prozent aller Patienten mit remittierend schubförmiger MS entwickelten nach 20 Jahren eine sekundär progrediente MS. Das zeigt unter anderem eine Kohortenstudie aus dem Jahr 1989. Nun gebe es „belastbare Hinweise auf eine inzwischen deutlich bessere Prognose“, erklären die Leitlinienautoren: Etwa 90 Prozent aller MS-Patienten hatten 10 bis 16 Jahre nach Erkrankungsbeginn einen EDSS unter 6, das zeigte eine Studie. Ganz aktuelle Daten stammen aus dem Jahr 2020 von der Londoner KIS-Langzeitkohorte: 30 Jahre nach Erkrankungsbeginn blieben 42 Prozent der Patienten unter einem EDSS von 3,5, obwohl nur 10 Prozent der Patienten jemals eine Immuntherapie erhielten, nur 40 Prozent der Patienten hatten einen EDSS von 6 oder höher. Zum Teil seien die Verbesserungen auf bessere therapeutische Möglichkeiten zurückzuführen, allerdings tragen den Wissenschaftlern zufolge auch „Verdünnungseffekte“ durch eine frühere und feinere Diagnosestellung bei. Sie betonen, dass sich diese Richtzahlen nicht für eine individuelle Prognose in der Patientenberatung  eigneten. Was sich jedoch gezeigt habe: Es sei prognostisch von Bedeutung, nach welcher Zeit der Patient einen EDSS von 4 erreiche. Ungünstige Faktoren seien ein später und polysymptomatischer Krankheitsbeginn, das männliche Geschlecht, sich unvollständig zurückbildende Schübe und eine hohe Schubrate zu Beginn der Erkrankung.

Muss sofort beim ersten Schub therapiert werden?

Was ist besser für die Prognose – wenn der Patient so früh wie möglich, direkt nach Diagnosestellung, eine Immuntherapie anwendet? Oder kann man vielleicht auch abwarten, ob es sich um ein einmaliges Ereignis gehandelt hat und die Arzneimittel überhaupt nötig sind? Die Leitlinie empfiehlt hier klar: „Bei Patienten mit KIS oder MS soll eine Immuntherapie begonnen werden“. Allerdings sei ein therapiefreies Zuwarten möglich, wenn ein milder MS-Verlauf erwartet und der Patient engmaschig überwacht werde. Wichtig ist, dass nur einige Beta-Interferone und die Glatirameroide für die Behandlung eines KIS zugelassen sind



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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