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Supplemente in der Schwangerschaft – mit oder ohne Iod?

Stuttgart - 12.10.2018, 17:55 Uhr

Wer schwanger ist oder werden möchte, muss bei seiner Ernährung einige Entscheidungen treffen. (Foto: Drobot Dean / stock.adobe.com)

Wer schwanger ist oder werden möchte, muss bei seiner Ernährung einige Entscheidungen treffen. (Foto: Drobot Dean / stock.adobe.com)


Wer sich bewusst und gesund ernährt, der muss vor und während der Schwangerschaft im Hinblick auf Supplemente wenig beachten: Zum Pflichtprogramm gehören Folsäure und Iod. Anbieter für Schwangerschaftssupplemente gibt es allerdings viele. Die meisten Präparate enthalten neben Folsäure noch weitere Mikronährstoffe und sind sowohl mit Iod, als auch jodfrei erhältlich. Wann ist welche Variante angebracht und wie können Apotheker die werdende Mutter dabei beraten?

Meist kommen Frauen mit Kinderwunsch oder Schwangere schon mit einem konkreten Wunsch in die Apotheke, wenn sie ein Folsäurepräparat kaufen möchten. Oft hat der Arzt ihnen sogar den Markennamen empfohlen. Doch ob die Frau das Präparat mit oder ohne Iod kaufen sollte, das weiß sie oft nicht (mehr). Die Apotheke kann hier schnell mit zwei Fragen für Klarheit sorgen: „Nehmen Sie bereits ein anderes Iod-Präparat ein?“ und „Ist mit Ihrer Schilddrüse alles in Ordnung?“. Wird die erste Frage verneint und die zweite bejaht, steht einem Schwangerschaftssupplement mit Iod eigentlich nichts mehr im Wege.

Diverse Internetforen zeigen aber, dass Frauen sich bei der Frage „mit oder ohne Iod“ leicht verunsichern lassen, vor allem wenn sie aufgrund einer Hypothyreose Schilddrüsenhormone einnehmen. Denn: Bei Schilddrüsenerkrankungen soll generell vor der Iod-Supplementierung eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen. Das ist jedoch vor allem vor der Schwangerschaft oft noch nicht geschehen oder die Frau kann sich nicht mehr sicher an den Rat des Arztes erinnern. Wie kann ihr die Apotheke helfen, ohne sie zu verunsichern?

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Vor Kurzem sind die neuen Handlungsempfehlungen für 2018 des Bundeszentrums für Ernährung für die Schwangerschaft erschienen. Allgemein kann man sich merken, dass zumeist ab dem vierten Monat der Bedarf an mehreren Vitaminen und Mineralstoffen in der Schwangerschaft stärker steigt als der Energiebedarf. Deshalb gilt: „Für zwei denken, aber nicht für zwei (nicht das Doppelte) essen.“ Das heißt, es sollten grundsätzlich Lebensmittel mit hoher Mikronährstoffdichte zugeführt werden (Gemüse, Obst, Vollkorn- und Milchprodukte). 

Folat-Supplemetation in jedem Fall

Schon vor Beginn der Schwangerschaft wird allerdings für Folat und Iod eine deutlich erhöhte Zufuhr empfohlen. Zwar gilt grundsätzlich, dass die Einnahme von Supplementen eine ausgewogene Ernährungsweise nicht ersetzen kann. Bei Iod und Folat wäre dies theroretisch möglich, praktisch jedoch sehr schwierig. Bezüglich der Folatsupplemetation bestehen keine Zweifel, dass diese bereits ab Kinderwunsch erfolgen solle. Und bei Iod? 

Iodmangel und seine Folgen

Auch der Begriff „Kretinismus“ gehört in Deutschland eigentlich zur Allgemeinbildung: Bis ins 20. Jahrhundert hinein beobachtete man den Kretinismus vor allem in Alpentälern mit iodarmen Böden. Der Begriff beschreibt eine Entwicklungsstörung als Folge des Mangels an Schilddrüsenhormonen. Seit der Iodierung von Speisesalz kommt Kretinismus in Europa zwar nicht mehr vor. In Entwicklungsländern ist er aber noch ein Thema – und die Geschichte unterstreicht, wie wichtig die Iodversorgung in der Schwangerschaft ist. Eine Reihe von epidemiologischen Studien soll darauf hindeuten, dass sich selbst eine moderate Iodunterversorgung, insbesondere in der frühen Schwangerschaft, beziehungsweise ein Mangel an Schilddrüsenhormonen (Hypothyroxinämie) in dieser Zeit ungünstig auf die kognitive und psychomotorische Entwicklung des Kindes auswirken kann. Iod ist also wichtig, wer braucht dann überhaupt die iodfreien Schwangerschaftssupplemente?

100 (bis 150) µg Iod pro Tag für alle Schwangeren, mit einer Ausnahme?

Deutschland gilt immer noch als ein Gebiet mit mildem bis moderatem Iodmangel. Laut einer DEGS-Studie werden im Median weder die für erwachsene Frauen geltenden Zufuhrreferenzwerte von 200 µg/d, noch die höhere Zufuhrempfehlung der DGE für Schwangere von 230 µg/d erreicht. Zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung sollen Schwangere deshalb täglich ein Supplement mit 100 (bis 150) µg Iod einnehmen.   

Empfehlenswert sind außerdem immer die Verwendung von iodiertem Speisesalz und der regelmäßige Verzehr von Milch, Milchprodukten und Meeresfisch. Bei Lebensmitteln (z. B. Brot) sollten bevorzugt Produkte mit iodiertem Speisesalz ausgewählt werden. Salz sollte jedoch sparsam verwendet werden. Der regelmäßige Verzehr von Meeresfisch trägt ebenso wie Iodsalz zur Versorgung mit Iod bei. Raubfischarten (z. B. Thunfisch, Schwertfisch) können erhöhte Schadstoffgehalte aufweisen und sollten in der Schwangerschaft vermieden werden. 

Mehrfach-Supplementierungen können auch in der Apotheke aufgedeckt und vermieden werden. Werden bereits 150–200 µg Iodid eingenommen, darf kein zusätzliches Iodpräparate eingesetzt werden. Mit der Iodsupplementierung sollte möglichst schon vor einer geplanten Schwangerschaft begonnen und diese dann bis zum Ende der Stillzeit beibehalten werden. Kinder, die nicht gestillt werden, erhalten über die in Deutschland angebotene Säuglingsnahrung genügend Iod.

So weit so klar. Trotzdem gilt die Empfehlung, dass Frauen bei Schilddrüsenerkrankungen vor der Iod-Supplementierung Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten sollten. Der Arzt sollte dann eine Iodanamnese erheben, um unwahrscheinliche aber mögliche Überschreitungen der als sicher erachteten Gesamttageszufuhr von 500 µg Iod zu vermeiden. 

Iod trotz Schilddrüsenhormonen und Hashimoto?

Der Arbeitskreis Jodmangel e.V. ist nach eigenen Angaben eine gemeinnützige Vereinigung aus Ernährungswissenschaftlern und Medizinern der verschiedensten Fachrichtungen sowie Experten aus den Bereichen der Lebensmittelforschung, Kinderernährung, Pharmakologie und Toxikologie. Seine Gründung erfolgte 1984 durch Präsidiumsmitglieder der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Auf den Seiten dieses Arbeitskreises ist zu lesen, dass auch Frauen mit einer Autoimmunerkrankung wie Hashimoto-Thyreoiditis und einer L-Thyroxin-Substitution während Schwangerschaft und Stillzeit Iod zuführen sollten – zumindest  ab der zwölften Schwangerschaftswoche. Weil dann die fötale Schilddrüse mit der eigenen Hormonproduktion beginnt. Die Einnahme von Iodtabletten habe dabei keinen Einfluss auf die Erkrankung der Mutter. Einzige Ausnahme sei eine manifeste Schilddrüsenüberfunktion, zum Beispiel bei Morbus Basedow, dann sollte kein zusätzliches Iod zugeführt werden. Bei Frauen mit Hashimoto-Thyreoiditis gilt eine Iodaufnahme (durch Iodsalz, Lebensmittel mit Iodsalz als Zutat, Fisch etc.) in Höhe des Bedarfs in aller Regel als unproblematisch.    

Keine Algen: Wann Iod kontraindiziert ist, und wie man es nicht zuführen sollte

Als „Iodexzess“ wird in der Regel eine Iodzufuhr von mehr als 1000 μg/Tag angesehen. Eine derartig hohe Zufuhr kann über eine normale Ernährung nicht erreicht werden. Vom Verzehr von Algen und Algenprodukten wird deshalb aber abgeraten: In Meeresalgen, insbesondere in getrockneten Algen- und Tangprodukten, können die Iodgehalte erheblich schwanken und zum Teil sehr hoch sein. Daher kann es selbst bei geringen Verzehrmengen von Algen/-produkten wie auch bei der Einnahme von mehreren iodhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln zu einer überhöhten Iodaufnahme kommen. Algen können außerdem Arsen und andere Verunreinigungen enthalten. Sehr hohe Ioddosen (im mg-Bereich) müssen während Schwangerschaft und Stillzeit vermieden werden, da die fetale Schilddrüse und die Schilddrüse von Neugeborenen eine hohe Iodempfindlichkeit aufweist. Ausnahme ist die hochdosierte Iodprophylaxe nach einem kerntechnischen Unfall.

Iod darf laut Arzneimittel-Fachinformationen nicht angewendet werden, wenn eine manifeste Hyperthyreose besteht. Bei einer latenten Hyperthyreose dürfen nicht mehr als 150 µg/Tag zugeführt werden. Außerdem ist Iod kontraindiziert bei einem autonomen Adenom der Schilddrüse so wie fokalen und diffusen Schilddrüsenautonomien. Wie bei jedem Arzneimittel kann es zu Überempfindlichkeitsreaktionen kommen. Eine Iod-Allergie gibt es laut Bundesinstitut für Risikobewertung allerdings nicht. Allergien können aber gegen iodhaltige Produkte, zum Beispiel Röntgenkontrastmittel, auftreten.

Der Iodbedarf steigt in der Schwangerschaft in zwei Phasen

Bei nur geringgradigem Iodmangel und einem Mangel an Thyroxin kann die Schilddrüsenfunktion der Mutter zwar noch normal sein. Beim Kind tritt dann aber trotzdem eine latente Hypothyroxinämie mit negativen Folgen für die Gehirnentwicklung auf. Der erhöhte Iodbedarf in der Schwangerschaft hat laut BfR mehrere Ursachen: Er ist unter anderem auf eine Steigerung des mütterlichen Grundumsatzes, eine Vergrößerung des Iodverteilungsraumes und eine vermehrte renale Elimination zurückzuführen. Außerdem steige infolge einer östrogenbedingten Vermehrung des Thyroxin-bindenden-Globulins (TBG) im Serum die Bindungskapazität für Schilddrüsenhormone an, sodass es über den Regelmechanismus zu einer vermehrten Sekretion des Thyreoidea-stimulierenden-Hormons (TSH) und dadurch zu einer Synthesesteigerung der Schilddrüsenhormone um ca. 30 bis 100 Prozent kommen kann.

Etwa in der 12. Schwangerschaftswoche beginnt die fetale Schilddrüse selbst Hormone zu bilden. Das hierzu benötigte Iod muss der fetale Organismus aus dem mütterlichen Iodpool beziehen. Die mütterliche Schilddrüse muss daher vermehrt Iod zur Verfügung stellen.

Übrigens sollten Frauen bei langfristiger Kontrazeptiva-Einnahme und Raucherinnen besonders auf ihren Iod-Status achten. 

Hypo- und Hyperthyreosen auch in der Schwangerschaft behandeln!

Laut www.embryotox.de sollten sowohl eine Hyperthyreose als auch eine Hypothyreose in der Schwangerschaft behandelt werden. Etwa 0,4 Prozent der Schwangeren seien von einer manifesten Hypothyreose betroffen und müssen behandelt werden. Häufigste Ursache ist eine Autoimmunthyreoiditis, wie zum Beispiel die oben erwähnte Hashimoto-Thyreoiditis. Die Substitution einer manifesten Hypothyreose mit Thyroxin und eine ausreichende Iodversorgung (in der Regel 100-150 µg/d) sind essentiell für die Schwangerschaft. Um bei hypothyreoten Schwangeren eine ausgeglichene Stoffwechsellage zu erreichen, sei häufig eine Steigerung der Substitutionsdosis nötig, so embryotox. Mittel der Wahl ist Levothyroxin. Weil die fetale Schilddrüse erst zwischen der 18. und 20. Schwangerschaftswoche voll funktionsfähig ist, sei gerade bis dahin eine gute Einstellung der mütterlichen Schilddrüsenhormone wichtig.

Ob eine „latente” oder subklinische Hypothyreose und eine Hypothyroxinämie in der Schwangerschaft zu einer Einschränkung der kognitiven Entwicklung der Kinder führt, gilt mittlerweile als umstritten. Ob mit Levothyroxin in diesen Situationen therapiert werden soll, wird kontrovers diskutiert.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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