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Schilddrüsenkrankheiten: Die Uhr tickt für Millionen

Mindestens 25% der deutschen Bevölkerung (entsprechend 20 Mio. Personen) haben eine Struma. Zirka ein Drittel haben zusätzlich Knoten. Behandelt werden maximal 5 Mio. Personen (25% der Betroffenen), mehr als 15 Mio. bleiben unbehandelt. 100000 Schilddrüsenoperationen pro Jahr werden in Deutschland durchgeführt, davon 80% wegen einer Struma plus Folgeerkrankungen. Mögliche Nebenwirkungen: Recurrens-Paresen, frühpostoperativ 3 bis 4%, permanent weniger als 1%. 35000 Radioiodtherapien pro Jahr werden in Deutschland zusätzlich durchgeführt. Eine Vielzahl davon ebenfalls wegen einer Struma plus Folgeerkrankungen. Als Ziel gilt deshalb, dass durch geeignete Maßnahmen der Iodmangel in Deutschland behoben wird, Betroffene über Ursachen, Folgen und Vorsorgemaßnahmen aufgeklärt werden, 20 Mio. Kropfträger motiviert werden, ihren Arzt rechtzeitig zu konsultieren.

Täglich fehlen 100 µg Iod

Iod muss mit der Nahrung und dem Trinkwasser aufgenommen werden. Da unsere Umwelt (Boden) iodverarmt ist, enthält die Nahrung zu wenig Iod. Das konnte landesweit belegt werden. Die Iodausscheidung im Urin ist ein gutes Maß für die Iodversorgung. Werte unter 100 µg/g Kreatinin bzw. unter 10 µg/100 ml Urin weisen auf eine Mangelversorgung hin.

Durchschnittlich nehmen die Deutschen zurzeit täglich nur ca. 100 µ Iod auf (in den 70er-Jahren lagen die Werte bei ca. 30 bis 40 µg/Tag). Das von der WHO empfohlene Optimum liegt für Erwachsene bei 150–300 µg/Tag. Der Iodbedarf ist abhängig vom Lebensalter und besonderen Lebensphasen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für Jugendliche und Erwachsene 180–200 µg/Tag. Schwangere und Stillende benötigen 230 bis 260 µg/Tag. Damit fehlen den Deutschen täglich ca. 100 µg Iod. Bekannteste Folge des Iodmangels ist die Vergrößerung der Schilddrüse (Iodmangelkropf bzw. -struma).

Iodmangel führt zum Kropf

Der Pathomechanismus ist komplex. Iodmangel führt zu einer tendenziellen Minderproduktion von Schilddrüsenhormonen. Über den Regelkreis erfolgt eine verstärkte thyreotrope (TSH) Stimulation der Schilddrüse, die zur Hypertrophie der Thyreozyten und zur funktionellen Kompensation führt, d.h. die Euthyreose wird gesichert.

Bei ausgeprägtem Iodmangel reicht dieser Mechanismus nicht aus, und es kommt zur Hypothyreose. Zellhypertrophie und vermehrte Durchblutung lassen das Schilddrüsenvolumen ansteigen. Ein direkt TSH-vermitteltes Wachstum konnte aber nicht gesichert werden. Für das Wachstum, d.h. die Zellvermehrung (Hyperplasie), sind lokale Wachstumsfaktoren und Iodlipide verantwortlich. Dabei spielt die interthyreoidale Iodkonzentration eine entscheidende Rolle. Sinkt der Iodgehalt der Schilddrüse ab, erlangen wachstumsstimulierende Faktoren (besonders IGF I) das Übergewicht gegenüber wachstumshemmenden Stoffen (z.B. Iodlactone). Diese Balancestörung führt zur Proliferation. Steigt der Iodgehalt an, wird das Wachstum, durch Iodlactone vermittelt, gehemmt, und Wachstumsfaktoren werden vermindert formiert. Die Aufklärung dieser Zusammenhänge untermauert die Bedeutung des Iods für die Prophylaxe und die Therapie der Iodmangelstruma.

In Deutschland war mit regionalen Schwankungen und je nach untersuchter Altersgruppe bei 15bis 50% der Bevölkerung (im Durchschnitt bei ca. 25%) klinisch ein Kropf nachweisbar. Mit Hilfe der Ultraschalluntersuchung kann das Volumen der Drüse genauer bestimmt werden. Dabei zeigte sich, dass die Schilddrüse bei Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren als Ausdruck des Iodmangels wesentlich häufiger vergrößert ist, als es durch eine klinische Untersuchung festgestellt werden kann. So fanden sich vergrößerte Schilddrüsenvolumen bei bis zu 40% der Erwachsenen und bei ca. 40 bis 70% der Schüler zwischen 11 und 17 Jahren. Damit hatte ca. jeder vierte Bundesbürger eine klinisch bedeutsame Schilddrüsenvergrößerung – aber fast Jeder zweite hatte schon eine vergrößerte Schilddrüse, und (fast) alle lebten unter Iodmangelbedingungen.

Heiße Knoten

Folgen des Kropfes sind unter anderem

  • Beeinträchtigung der Atmung,
  • Belastung des Herzens,
  • Schluckbeschwerden und
  • Veränderungen der Gewebestruktur (Knotenbildung, so genannte heiße [aktive] und kalte [inaktive] Knoten).

Andererseits können in der Schilddrüse auch Gewebebereiche dem normalen Kontrollmechanismus entgleiten, sodass die Hormonbildung nicht mehr dem Bedarf angepasst werden kann. Diese als "funktionelle Autonomie" (auch als "heiße Knoten") bezeichnete Folgeerkrankung des Iodmangels ist in Iodmangelgebieten die häufigste Ursache einer vermehrten Hormonbildung (Schilddrüsenüberfunktion = Hyperthyreose). Die Veränderungen vollziehen sich meistens langsam über viele Jahre, funktionelle Störungen bleiben oft unterschwellig, sodass die Gefahren im Sinne einer Zeitbombe versteckt schwelen. Damit wird ersichtlich, dass die Prophylaxe der Struma gleichzeitig auch eine Prophylaxe der in Deutschland häufigen Schilddrüsenüberfunktion auf der Basis einer so genannten Autonomie ist.

Vorbeugen mit Iodsupplementierung

In Strumaendemiegebieten mit nachgewiesenem Iodmangel empfiehlt die WHO eine Iodsupplementierung. In Industriestaaten kommt nur die Prophylaxe mit Iodsalz in Frage. Salz eignet sich als Träger, weil es lebenslang in einer angemessenen Menge aufgenommen wird. Somit kann auch die zusätzliche Iodzufuhr in einem gut kontrollierbaren Bereich gehalten werden.

Die Chance für eine weitgehende Ausrottung der Struma durch diese sichere und billige, in über 50 Ländern (unter anderem Schweiz, USA, Österreich) bewährte Präventivmaßnahme wurde in beiden Teilen Deutschlands lange Zeit nicht genutzt. Deutschland ist ein "Spätstarter", es ist das letzte "Kropfland" Europas, das erst vor ca. 15 Jahren eine Strumaprophylaxe eingeleitet hat.

Meilensteine auf dem Weg zu einer besseren Iodversorgung in der Bundesrepublik Deutschland waren 1981 Anhebung des Iodgehaltes im Speisesalz (32 mg Kaliumiodat/kg Salz, Aufdruck auf Salzverpackung "nur bei ärztlich festgestelltem Iodmangel" entfällt). 1991 wird Iodsalz für die Herstellung von Wurst-, Fleischwaren (als iodiertes Nitritpökelsalz) und von Käse erlaubt. 1996 führt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) im Auftrag des Bundesgesundheitsministers ein Iodsiegel ein.

Das Iodsalz enthält 20 mg Iod/kg Salz. 5 g Iodsalz enthalten damit 100 µg Iod. Diese Menge wird zusätzlich täglich benötigt. Es ist leicht verständlich, dass man durch die alleinige Nutzung von Iodsalz im Haushalt diese Salzmenge nicht verzehren kann und auch nicht verzehren soll. Deshalb sollte das Iodsalz in den Lebensmitteln enthalten sein.

Diese Maßnahmen führten durch breite Öffentlichkeitsarbeit von Fachgremien zu ersten positiven Ergebnissen:

  • Der Iodsalzanteil am Paketsalz beträgt 70%,
  • die Akzeptanz von Iodsalz in Haushalten beträgt 80%, ca. 80% der Bäcker und Fleischer verwenden Iodsalz,
  • Einsatz von Iodsalz in der Nahrungsmittelindustrie in ca. 50% der Betriebe (leider noch nicht 50% des Sortiments),
  • Iodsalz in der Gemeinschaftsverpflegung ca. 80%,
  • Iodsalz in der Gastronomie ca. 90%,
  • der Iodgehalt vieler Nahrungsmittel stieg deutlich an,
  • der Iodverzehr Erwachsener stieg von 46 bzw. 66 µg/Tag (Frauen/Männer) auf ca. 100 bzw. 149 µg/Tag.

Fazit: Nach wie vor besteht Iodmangel in Deutschland. Die sich abzeichnende deutliche Verbesserung der Iodversorgung lässt alle Empfehlungen bezüglich der weiteren Steigerung des Iodsalz-Einsatzes und der zusätzlichen Verwendung von Iod-Tabletten (besonders in der Pubertät, Schwangerschaft und Stillperiode) unberührt.

Die Ideallösung zur sicheren Beseitigung des Iodmangels in Deutschland wäre die Einführung bzw. Wiedereinführung der allgemeinen Strumaprophylaxe. Die Prophylaxe auf dem Boden des Freiwilligkeitsprinzips ist eine Notlösung. Die Ergebnisse der letzten Jahre und die Resultate in verschiedenen Ländern haben aber gezeigt, dass auch unter Wahrung der Freiwilligkeit eine Verbesserung der Iodversorgung und damit eine wirksame Strumaprophylaxe erreicht werden kann. Dieser Weg ist aber ungleich schwerer. Es bleibt ein großes Gemeinschaftswerk, für eine ausreichende Iodversorgung in unserem Land Sorge zu tragen.

Am 14. Mai 1990 wurde auf der 43. Tagung der WHO eine Resolution verabschiedet, die auf die Überwindung des Iodmangels bis zum Jahr 2000 ausgerichtet war. Alle Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, Präventivmaßnahmen höchste Bedeutung beizumessen. Beim Weltkindergipfel in New York im September 1990 hat sich die Bundesrepublik Deutschland durch die Unterschrift des Bundespräsidenten gemeinsam mit mehr als 130 Staaten verpflichtet, diese Aufgaben zu erfüllen. Bei der Folgekonferenz in Montreal 1991 und bei der Welternährungskonferenz in Rom 1992 ist diese Verpflichtung bekräftigt worden. Deutschland hat dieses Ziel zwar verfehlt, ist aber auf einem guten Weg.

Kosten des Iodmangels

Der Kropf mit seinen geweblichen und funktionellen Veränderungen stellt eine erhebliche gesundheitliche Belastung dar und kann zur Gefahr für den Patienten werden. Die medizinischen und finanziellen Aufwendungen sind beträchtlich. Etwa 100000 Schilddrüsenoperationen werden jährlich notwendig. In den Operationsstatistiken nehmen Kropfoperationen den dritten Platz ein: nach Blinddarm- und Leistenbruchoperation, noch vor der Gallenblasenoperation.

Nur ca. 10% der Strumapatienten werden ärztlich betreut. Diagnostik und Behandlung des Kropfes und seiner Folgekrankheiten verschlingen jährlich über 2 Mrd. DM. Die ambulanten Kosten pro Patient belaufen sich auf ca. 250 bis 500 DM, stationäre Kosten betragen ca. 5000 bis 7000 DM pro Patient. 114000 Krankenhaustage pro Jahr und 2,5 Mio. Tage Arbeitsausfall pro Jahr waren zu registrieren.

Ambulante Kosten haben mit 41% (850 Mio. DM) den höchsten Anteil. Medikamentenkosten sind relativ gering (9% = 190 Mio. DM). Stationäre Kosten liegen bei 24% (486 Mio. DM), Kosten durch Arbeitsausfall bei 23% (479 Mio. DM). Eine generelle Prophylaxe bei Kindern, Jugendlichen und Schwangeren mit Iodtabletten (Kosten ca. 725 Mio. DM/Jahr) würde eine potenzielle Einsparung von 1,3 Mrd. DM/Jahr bedeuten.

Iodtabletten sind relativ preiswert. Der Preis pro Jahr beträgt bei 100 µg/Tag ca. 35 DM, bei 200 µg/Tag 54 DM und bei 1,5 mg/Woche 36 DM. Die noch billigere Iodsalzprophylaxe ist eine Investition in die Zukunft. Soforteffekte sind bei Schwangeren, Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen zu erwarten. Für die Erwachsenen und speziell für die älteren Patienten kommt die Prophylaxe hinsichtlich der Struma, die meist umgewandelt ist, zu spät – wobei ein gewisser Schutz vor weiterem Wachstum jedoch angenommen werden darf.

Epidemiologie und Kosten von Schilddrüsenfunktionsstörungen

Die Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) kommt in der Gesamtbevölkerung bei weniger als 1% vor. Bei Kindern ist sie sehr selten. Frauen sind etwa fünfmal häufiger betroffen als Männer. Da die Autonomie eine Folge des Iodmangels ist, ist die Hyperthyreose auf der Basis einer Autonomie in Deutschland etwa genauso häufig wie die Hyperthyreose vom Typ Morbus Basedow (immunologisch bedingte Erkrankung).

Die medikamentöse Therapie ist hinsichtlich der Kosten etwa der Radioiodtherapie gleichzusetzen. Bei Rezidiven wird die medikamentöse Therapie allerdings aufwendiger. Die Kosten der Radioiodtherapie liegen bei ca. 3500 bis 4000 DM. Sie wird erst bei größeren Strumen (ab 60 ml bei Morbus Basedow, 25 ml bei unifokalen und 90 ml bei multifokalen Autonomien) weniger kosteneffizient als die chirurgische Therapie (ca. 4500 bis 5000 DM).

Neben der Verhütung der Autonomie durch eine konsequente Iodprophylaxe ist eine generelle Prophylaxe der Hyperthyreose nicht möglich. Eine individuelle medikamentöse Prophylaxe kann aber bei bekannten Autonomien erfolgen, die noch eine normale Stoffwechsellage unterhalten.

Die Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) wird oft übersehen. Besonders im Anfangsstadium bei älteren Patienten ist sie maskiert. Manifeste Formen treten in der Gesamtbevölkerung bei etwa 1% auf, und bei Patienten über 60 Jahren wird sie mit 1 bis 2% veranschlagt. Subklinische Formen lassen sich bei 2 bis 5% der älteren Patienten nachweisen, Frauen sind etwa fünfmal häufiger betroffen als Männer.

Die Diagnose ist mit wenig Kostenaufwand zu stellen, und die Therapie umfasst als spezifische Maßnahme die Hormonersatzbehandlung mit Schilddrüsenhormonen (Levothyroxin = L-Thyroxin = T4). Die Therapie muss lebenslang erfolgen, die Kontrollen sind aber gleichfalls wenig kostenaufwendig. Thyroxinpräparate kosten bei einer Tablettendosis von 100 µg ca. 18 DM/100 Tabletten. Eine Prophylaxe ist nur bei der Iodmangel-bedingten Hypothyreose möglich.

Schilddrüsen-Diagnostik

Die treffsicherste, kostengünstigste und heute breit verfügbare Methode zur Untersuchung von Organgröße und -form ist die Sonographie. Mit Hilfe der Sonographie können Querschnittsbilder der beiden Schilddrüsenlappen in verschiedenen Ebenen erzeugt werden, aus denen das Organvolumen berechnet werden kann. Diese Methode zur Größenbestimmung der Schilddrüse ist wesentlich genauer als das Abtasten des Halses oder die Messung des Halsumfanges.

Nachdem mittels Sonographie ein Ausgangsbefund erhoben wurde, können auch Veränderungen der Organgröße im Verlauf (z.B. unter medikamentöser Behandlung) gut überwacht werden. Neben der Größenbestimmung erlaubt die Sonographie aber auch Einblicke in die Struktur der Schilddrüse. So können Knoten oder herdförmige Veränderungen frühzeitig entdeckt und recht präzise in ihrer Größe und Innenstruktur erfasst werden. Aufgrund des typischen Schallmusters kann die Diagnose einer Schilddrüsenzyste in der Regel anhand des Sonographiebefundes gestellt werden.

Von wesentlich größerer Relevanz für die Therapieentscheidung ist jedoch die Szintigraphie, mit der sich die Funktion des Gesamtorgans und von Knoten oder Herdbefunden bildlich und quantitativ darstellen lässt. Deshalb gilt als Regel, dass jeder Knoten (mit Ausnahme von eindeutigen Zysten) szintigraphisch geklärt werden muss. Im Falle von so genannten "kalten" Knoten, die sich sonographisch "echoarm" darstellen, ist darüber hinaus eine Feinnadelpunktion erforderlich, um der Frage nach einer bösartigen Veränderung nachzugehen. Die Szintigraphie erlaubt eine Abschätzung der Stoffwechselaktivität der Schilddrüse und von Herdbefunden. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die "heißen" Knoten zu nennen, die sehr häufig sind und nicht selten mit einer Schilddrüsenüberfunktion einhergehen.

Zur Beurteilung der Organfunktion stehen heute leistungsfähige Laboratoriumstests zur Verfügung. Es handelt sich dabei einerseits um Tests, mit denen sich die stoffwechselaktiven freien Schilddrüsenhormone T3 und T4 im Blut messen lassen, und andererseits um Verfahren, mit denen das die Schilddrüse steuernde Hormon TSH der Hirnanhangsdrüse gemessen werden kann. Der TSH-Test ist die beste und kostengünstigste Methode zum Nachweis und zum Ausschluss einer Schilddrüsenfunktionsstörung.

Gute therapeutische Möglichkeiten

Bei der häufigsten, in der Regel im Frühstadium problemlos zu behandelnden Erkrankungsform – dem Iodmangel-Kropf – können Medikamente (Schilddrüsenhormone und/oder Iod) sehr effektiv innerhalb von Monaten zu einer Größenabnahme der Schilddrüse führen.

Für die Schilddrüsenüberfunktion stehen Schilddrüsenhemmstoffe zur Verfügung, die in der Regel allerdings nur über befristete Zeiträume (max. ein bis zwei Jahre) eingesetzt werden. Da eine Schilddrüsenvergrößerung nicht durch Medikamente ausreichend zu beeinflussen ist – dies gilt insbesondere für Knoten –, ist häufig eine Operation nicht zu umgehen.

Schilddrüsenoperationen sind heute wegen der in den letzten Jahrzehnten verbesserten Operationstechnik, der schonenden Narkosemöglichkeiten und der effektiven medikamentösen Nachbehandlungen risikoarme und den Patienten kaum belastende Eingriffe.

Bei verschiedenen Schilddrüsenerkrankungen, insbesondere den auf Schilddrüsenhemmstoffe schlecht ansprechenden Formen der Schilddrüsenüberfunktion, den heißen Knoten, stellt jedoch die Radioiodtherapie eine Alternative zur Operation dar. Mittels dieser nebenwirkungsarmen und praktisch risikofreien Form der Strahlentherapie kann die Funktion der Schilddrüse normalisiert und eine Volumenreduktion erreicht werden.

Auch beim (allerdings seltenen) Schilddrüsenkrebs kommt die Radioiodtherapie zur Anwendung, wobei das in der Regel sehr erfolgreiche Therapiekonzept hier aber immer aus einer Kombination von Operation, Radioiodbehandlung und nachfolgender Verabreichung von Medikamenten beruht.

Prophylaxe bei Erwachsenen und in der Schwangerschaft

Die Erfolge einer Iodprophylaxe bei Erwachsenen sind nur nach sehr viel längeren Zeiträumen erkennbar, vor allem auch deshalb, weil bei älteren Menschen mit Iodmangelstrumen mit regressiven Veränderungen bzw. Autonomien eine Rückbildung oder Verkleinerung der Strumen nicht mehr möglich ist. Allenfalls lässt sich eine weitere Größenzunahme vermeiden. Bei fortdauerndem Iodmangel findet eine solche Größenzunahme bis ins hohe Alter statt, gleichzeitig nimmt die Anzahl und Größe der Knoten jenseits des 30. Lebensjahres kontinuierlich zu.

Was sich in jedem Fall verhindern lässt, ist die Entwicklung des Kretinismus infolge schwersten Iodmangels, der in Deutschland praktisch nicht mehr existiert, aber in einigen Regionen der Erde mit extremem Iodmangel immer noch vorkommt und zumindest auf historischen Bildern aus der Schweiz noch nachvollziehbar ist. Eine Abnahme des Schilddrüsenvolumens bei der älteren Bevölkerung ist derzeit noch nicht festzustellen, wobei eine aktuelle epidemiologische Kontrolluntersuchung noch aussteht.

Eine besondere Risikogruppe stellen noch immer Schwangere dar, deren Iodbedarf erhöht ist bei gleichzeitiger Einschränkung des Salzkonsums. Auch das Iod-Monitoring von 1996 weist Schwangere noch als eindeutig unterversorgt aus. Hier sind die Effekte der Iodprophylaxe schon in der Schwangerschaft messbar: Schwangere ohne Iodidbehandlung erfahren eine Volumenzunahme der Schilddrüse im Mittel um 30 bis 40% im letzten Schwangerschaftsdrittel.

Diese Zunahme lässt sich durch Iodidgabe verhindern. Die Iodprophylaxe hat hier mit Iodid-Tabletten zu erfolgen, da der Bedarf von 250 µg/Tag durch Salz in der Schwangerschaft nicht zu decken ist. Selbst Schwangere mit bereits bestehender Struma lassen sich erfolgreich behandeln. Ihr Schilddrüsenvolumen nimmt unter Therapie mit Iod und Schilddrüsenhormonen in der Schwangerschaft ab. Entscheidend für den Effekt prophylaktischer Maßnahmen ist ihr frühzeitiger Einsatz, das heißt ihr Wirksamwerden schon während der fetalen Entwicklung und im Kindesalter.

Schilddrüsenerkrankungen bei Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen

Die angeborene Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) stellt mit einer Häufigkeit von 1 auf 3000 Neugeborene die häufigste Hormonstörung des Neugeborenen dar. Die Ursache der angeborenen Hypothyreose ist in den meisten Fällen eine Entwicklungsstörung des Organs. So kommen 80% dieser Neugeborenen mit viel zu kleinen Schilddrüsen zur Welt, oder es lässt sich gar kein Schilddrüsengewebe nachweisen (Athyreose).

Die Folgen des Fehlens des Schilddrüsenhormons sind, wenn die angeborene Hypothyreose nicht rechtzeitig erkannt wird, eine schwere Entwicklungsverzögerung der betroffenen Kinder mit bleibenden Schäden bis zur schweren geistigen Behinderung. Durch Einführung einer Früherkennungsuntersuchung (Bestimmung des TSH in getrockneten Blutstropfen), die seit 1982 für alle Neugeborenen empfohlen wird, kann die angeborene Hypothyreose bereits beim Neugeborenen erkannt werden.

Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass selbst bei einem Fehlen der kindlichen Schilddrüse eine frühzeitige und ausreichende Substitution von L-Thyroxin bei über 90% der betroffenen Kinder zu einer völlig normalen Entwicklung führen kann. Es konnte gezeigt werden, dass die Therapie in den ersten zwei Lebenswochen beginnen sollte, um dies zu erreichen. Die Dosis des L-Thyroxins, zumindest bei den schweren Formen, muss 10 bis 15 µg/kg/Tag betragen, da der Bedarf an Schilddrüsenhormon im Neugeborenen- und Säuglingsalter sehr viel höher ist als bei Erwachsenen oder älteren Kindern.

In der Bundesrepublik ist nach wie vor nicht sicher, dass dieses Vorsorgeuntersuchung bei allen Neugeborenen durchgeführt wird, da nur in Bayern bei einem Modellversuch der Krankenkassen und des Landes eine Dokumentation der Erfassung erfolgt und Neugeborene, die primär nicht erfasst wurden, durch ein so genanntes Tracking aufgespürt werden.

Darüber hinaus ist zu befürchten, dass die Anzahl nicht oder zu spät durchgeführter Screening-Untersuchungen zunehmen wird, da bereits jetzt in Großstädten die Anzahl der Mütter, die vor dem Zeitpunkt der Blutentnahme für das Screening die Geburtskliniken verlässt, über 10% liegt. Die Erfahrung zeigt auch, dass die Bestätigungsdiagnostik und Behandlung der Neugeborenen, die im Screening mit pathologischen Werten auffallen, oft nicht nach dem Stand des Wissens erfolgt.

Bei Kindern und Jugendlichen war die Iodmangelstruma bislang die häufigste Schilddrüsenerkrankung; sie war – mit regionalen Unterschieden – in der Pubertät bei bis zu 30% der sonst gesunden Jugendlichen vorhanden. Mit Verbesserung der Iodversorgung in der Bundesrepublik ist es zu einem deutlichen Rückgang der Häufigkeit vergrößerter Schilddrüsen bei Kindern gekommen. Die Messung mit Ultraschall ergab, dass sich das Schilddrüsenvolumen deutlich verringert hat. Da es jedoch noch erhebliche regionale Unterschiede gibt, ist es weiterhin wichtig, auf die Notwendigkeit einer adäquaten Iodzufuhr insbesondere bei Schwangeren und stillenden Müttern sowie bei Kindern und Jugendlichen hinzuweisen.

Als Konsequenz der nahezu normalisierten Iodversorgung ist zu beachten, dass bei dem Symptom Struma bei Kindern und Jugendlichen nun, wie bereits seit langem in Skandinavien, nicht mehr die Iodmangelstruma die wahrscheinlichste Diagnose ist, sondern eine Autoimmunthyreoiditis. Eine Gabe von Iodid, die bei der Iodmangelstruma indiziert ist, sollte aber bei einer Autoimmunthyreoiditis vermieden werden.

Somit sollten Kinder und Jugendliche mit dem immer seltener werdenden Symptom Struma einem spezialisierten Kinderarzt vorgestellt werden, um falsche therapeutische Konsequenzen zu vermeiden. Eine Grundvoraussetzung zur Qualitätssicherung in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Schilddrüsenerkrankungen wäre somit eine geregelte Weiterbildung im Fach Pädiatrische Endokrinologie.

Kastentext: Was kann man selbst tun?

  • Verzehr von Seefisch, Milch und Milchprodukten
  • wenn Salz, dann Iodsalz
  • bei Bäckern und Metzgern einkaufen, die Iodsalz verwenden
  • Nahrungsmittel bevorzugen, die mit Iodsalz hergestellt wurden
  • Schilddrüsenuntersuchung
  • Im Schulalter und in der Schwangerschaft
  • Iodtabletten in kritischen Lebensphasen: Schwangerschaft, Stillperiode, Pubertät

Quelle: Nach Vorträgen auf einer Veranstaltung des Forum Schilddrüse e.V., Hamburg, und der Schilddrüseninitiative Papillon am 20. Oktober 2000 in Berlin

Etwa ein Viertel der deutschen Bevölkerung hat eine krankhafte Vergrößerung der Schilddrüse (Kropf oder Struma), viel von ihnen, ohne dass sie es wissen. Ursache ist in den meisten Fällen ein Mangel an Iod. Die Supplementierung mit diesem Spurenelement, z. B. durch iodiertes Speisesalz oder durch Iodidtabletten, ist besonders für Kinder und Schwangere wichtig. Darauf wies das Forum Schilddrüse auf einer Veranstaltung hin.

2 Kommentare

Veraltet

von Jens am 28.11.2019 um 15:23 Uhr

18 Jahre nach Erscheinen des Artikels hat er wohl nur noch historischen Wert. Sollte mal aktualisiert werden, damit niemand auf die Idee kommt, das Geschriebene auf die Gegenwart zu beziehen. Zum Glück erkennt man das Alter an der verwendeten Währung ?

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Veraltet

von Jens am 28.11.2019 um 15:23 Uhr

18 Jahre nach Erscheinen des Artikels hat er wohl nur noch historischen Wert. Sollte mal aktualisiert werden, damit niemand auf die Idee kommt, das Geschriebene auf die Gegenwart zu beziehen. Zum Glück erkennt man das Alter an der verwendeten Währung ?

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