DAZ.online-Serie Europa, deine Apotheken

Die Geschichte des europäischen Versandhandels

Berlin - 05.05.2017, 07:00 Uhr

Pillen aus dem Briefumschlag: Wo wurde wann der Versandhandel mit welchen Arzneimitteln in Europa zugelassen? (Foto: dpa)

Pillen aus dem Briefumschlag: Wo wurde wann der Versandhandel mit welchen Arzneimitteln in Europa zugelassen? (Foto: dpa)


Versand in Schweden und Holland nie reguliert gewesen

In den Niederlanden hat es nie Beschränkungen gegeben hinsichtlich des Versandhandels. Zwischen 2000 und 2002 gründeten sich die ersten Versandapotheken, die wohl bekannteste davon ist bis heute DocMorris. 1992 hatte der niederländische Gesetzgeber es ausdrücklich erlaubt, dass Kunden ihre Rezepte und Bestellungen an Apotheken auch via Post oder das Internet zustellen können.

Ähnlich war es in Schweden: Hier startete die staatliche Apothekenkette Apoteket AB noch weit vor der Liberalisierung im Jahr 2002 die ersten OTC-Verkäufe im Internet. Da es nur einen Anbieter im Markt gab, konnte der Kunde auch nur über ein Internetportal bestellen. Die Apotheke, die dem bestellenden Kunden am nächsten war, lieferte dann aus. Wirkliche Regulierungen zum Versandhandel gab es in Schweden nie. Es ist aber gesetzlich festgehalten, dass nur Apothekenbesitzer Arzneimittel im Internet anbieten dürfen. 2004 startete Apoteket dann mit den ersten Rx-Versand-Services.

Nach der Deregulierung des gesamten schwedischen Apothekenmarktes (2009) und der Zerschlagung des staatlichen Apotheken-Monopols explodierte der Versandhandel. Schnell gründeten alle privaten Kettenbetreiber, wie beispielsweise die Celesio-Kette Lloyds, auch Internet-Versandbetriebe. Seit ein paar Jahren gibt es in Schweden auch eine „reine“ Versandapotheke (Apotea). Der Marktanteil des Versandhandels ist nach der Liberalisierung stark angestiegen. Alleine im vergangenen Jahr nahmen die Kettenbetreiber laut Apothekerverband 20 Millionen mehr ein als noch 2015, das entspricht einem Anstieg von etwa 150 Prozent. Bezogen auf die Packungszahlen werden jetzt schon mehr als 8 Prozent aller Arzneimittel (Rx und OTC) versendet.

Noch vor dem berühmten DocMorris-EuGH-Urteil zum Versandhandel legalisierte auch der spanische Gesetzgeber den OTC-Versand. Im Jahr 2002 verabschiedete das spanische Parlament ein Gesetz zum e-Commerce, nach dem Apotheken OTC-Präparate versenden dürfen. Der OTC-Versand in Spanien war aber jahrelang graue Theorie, da der Gesetzgeber eine weitere Verordnung zu den Voraussetzungen und Bedingungen des OTC-Versandhandels, die er eigentlich angekündigt hatte, nicht auf den Weg brachte. Erst im Jahr 2013 wurde ein Dekret verabschiedet, das genau regelt, wie und wann Apotheker OTC-Arzneimittel versenden können. Das Gesetz verlangt unter anderem, dass jede Zusendung an einen Patienten von einem Apotheker kontrolliert wird. Der OTC-Versand gilt in Spanien als streng reguliert und hat bislang keinen großen Marktanteil.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Versandhandel, unsere neue Zielsetzung??

von Heiko Barz am 05.05.2017 um 12:02 Uhr

Bei dieser umfangreich verwirrenden Rechtslage der Arzneimittelbelieferung im Europäischen Raum kann und wird es mit Sicherheit keine erkennbar klaren Zukunftsperspektiven mehr geben.
Hier macht jetzt jeder was er will. Die Übersichtlichkeit, die Kontrolle und die Qualität der Arzneimittel wird für ausschließlich unkontrollierbare Kapitalvermehrung geopfert.
Ist das noch im Sinne unserer so lang diskutierten Apotheke 2030? Und wie seht unsere ABDA dazu??
F.Schmidt, wo ist Deine eindeutig klare Zielsetzung?
Die jetzige Lage läßt jede pharmazeutische Autentizität und unsere akademischen Leistungsprinzipien vermissen.
Da haben wir bündelweise Apothekengesetze und Rechtsnormen, die schon von einem Deutschen Justiz-und Gesundheitsminister wissentlich und unbestraft und ohne jede Konsequenz unterlaufen wurden ( J. Hecken ist heute Chef des GBA ).
Dazu noch inflexible und überflüssig hochdotierte Apotheken- und Industrie und Handelskammern, dennoch gibt es einen ungebremsten Wildwuchs der wie Pilze aus dem Boden schießenden Versender. Jeder möchte sich schnell an diesen 'dicken' Pfründen laben, bevor es vielleicht-politisch gewollt- ein schnelles Ende nimmt mit diesen paradiesischen Gewinnen.
Diese pharmazeutische Kakophonie, die sich derzeit in den Medien breit macht, ist jedenfalls in keiner Weise zielführend für die, um die es eigentlich geht, die Patienten.
Ich mache nun schon über 50 Jahre Apothekenwellenbewegungen in jeder Form mit. Die derzeitige, seit Oktober 2016, irrationale und großteils unkontrollierbare Arzneimittelversorgung hat nur ein Ziel, die klaren und eindeutigen deutschen Apothekenvorschriften und Gesetze zu unterlaufen, abzuwerten und letzlich abzuschaffen.
Auch wenn sich jetzt einige dieser "Wilderer" im Apothekenmarkt geldgierig die Hände reiben, so sollte man denen aber klarmachen, dass sie nicht das Ende der Versorgungskette sein werden. Ich sage da nur, vergeßt mir AMAZON und Co. nicht.

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Die ewig Gestrigen

von Thomas Luft am 05.05.2017 um 11:34 Uhr

Zunächst herzlichen Dank für den sehr informativen Artikel. Insbesondere das Beispiel Dänemark zeigt, wie es bei uns hätte besser laufen können. Aber damals, als DocMorris noch in den Kinderschuhen steckte, wäre eine solche Bestellplattform der deutschen Apothekerschaft mit den Führungskräften Friese/Keller/Schmall niemals möglich gewesen. Zu verbohrt und zu selbstsicher. Es mag jeder selbst entscheiden, ob das heutige "Dreigestirn" offener für neue Ideen ist.

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