Arzneimittel und Therapie

Keine Altersgrenze für Statine

Nutzen-Risiko-Verhältnis der Primärprävention scheint auch in höherem Alter günstig

Die Ergebnisse einer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie aus Frankreich deuten darauf hin, dass eine Beendigung der Therapie mit Statinen das Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse erhöht. Eine kontinuierliche Einnahme zur Primärprävention scheint somit auch noch nach Erreichen des 75. Lebensjahrs sinnvoll.

Über die Vor- und Nachteile einer Statin-Therapie zur Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei älteren Menschen wird schon länger diskutiert. Viele, auch groß angelegte Studien untersuchten das Nutzen-Risiko-Profil der HMG-CoA-Reduktase-Hemmer. Während der Nutzen in der Sekundärprävention für alle Altersgruppen klar belegt ist, wurde für ältere Menschen ohne kardiovaskuläre Erkrankungen in der Vorgeschichte bisher noch kein Konsens gefunden. Für die Anwendung von Statinen in der Gruppe der über 75-Jährigen gibt es hierzu so gut wie keine Empfehlungen. Mit der Überalterung der Gesellschaft ist aber gerade diese Altersgruppe von großer Bedeutung. Eine wichtige Frage aus der Praxis lautet demnach: Überwiegt der Nutzen von Statinen oder sollten sie abgesetzt werden, sobald der Patient die Altersgrenze von 75 Jahren überschreitet?

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Ältere Menschen sollten Statine besser nicht aussortieren.

Höheres kardiovaskuläres Risiko bei Therapieabbrechern

Für die populationsbasierte Kohorten-Studie wurden Daten der französischen Gesundheitsdatenbank (Système National d’information Inter­Régimes de l’Assurance Maladie) ausgewertet. Die untersuchte Kohorte bestand aus 120.173 Patienten, die zwischen 2012 und 2014 ein Alter von 75 Jahren erreichten. Allen Patienten waren in den vorangegangenen zwei Jahren Statine verschrieben worden. Ausgeschlossen wurden all jene, die Thrombozytenaggregationshemmer, Betablocker, ACE-Hemmer und/oder Angiotensin-II-Hemmer einnahmen, und solche, die bereits eine kardio­vaskuläre Vorerkrankung in ihren Gesund­heitsdaten dokumentiert hatten. Die mittlere Beobachtungsdauer betrug 2,4 Jahre. Primärer Endpunkt der Studie war eine Krankenhauseinweisung aufgrund eines schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisses, darunter zusammengefasst koronare, zerebrovaskuläre und sonstige vaskuläre Ereignisse. Insgesamt brachen 17.204 (14,3%) Patienten im Beobachtungszeitraum die Statin-Therapie ab, d. h. sie nahmen mindestens drei Monate lang kein Statin ein. 5396 (4,5%) Probanden wurden mit einem kardiovaskulären Ereignis stationär auf­genommen. Vier Jahre nach dem 75. Geburts­tag betrug die adjustierte kumulative Inzidenzrate für eine kardiovaskulär bedingte Krankenhauseinweisung in der Gruppe der Statin­Therapieabbrecher 10,1% und war damit höher als in der Vergleichsgruppe ohne Therapieunterbrechung. Dort lag die Inzidenzrate bei 7,6%. Das Risiko, nach Therapieabbruch aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses stationär behandelt zu werden, war im Vergleich zu einer ununterbrochenen Therapie um 33% erhöht. Das adjustierte Hazard Ratio (aHR) betrug nach Berücksichtigung aller Kovariablen wie Geschlecht, Einnahme kardiovaskulär wirkender Medikamente, Alter und Multimorbidität 1,33 (95%-Konfidenzintervall [KI] 1,18 bis 1,50). Die Risiko­erhöhung beruhte insbesondere auf koronaren (aHR 1,46; 95%-KI 1,21 bis 1,75) und zerebrovaskulären Ereignissen (aHR 1,26; 95%-KI 1,05 bis 1,51). Im Hinblick auf sonstige vaskuläre Ereignisse zeigte sich keine Assoziation (aHR 1,02; 95%-KI 0,74 bis 1,40).

Was nun tatsächlich schwerer wiegt, Nutzen oder Schaden einer Therapie mit HMG-CoA-Reduktase-Hemmern, kann die hier vorgestellte Studie nicht abschließend beantworten. Für eine etwaige Änderung der Leitlinien bedarf es weiterführender Untersuchungen unter randomisiert kontrollierten Bedingungen. Die Studienautoren kommen dennoch zu dem Schluss, dass auch über 75-Jährige in der Primär­prävention von Statinen profitieren. |

Literatur

Giral P et al. Cardiovascular effect of discontinuing statins for primary prevention at the age of 75 years: a nationwide population-based cohort study in France. Eur Heart J 2019; doi:10.1093/eurheartj/ehz458

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi, MPH

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