Arzneimittel und Therapie

Vorsichtig mit Schilddrüsenhormonen

Über- oder Unterbehandlung kann kardiovaskuläre Mortalität erhöhen

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind nach wie vor die führende Todesursache auch in Deutschland. Neben den allgemein bekannten ­Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Rauchen gibt es zahlreiche weitere Faktoren, die das kardiovaskuläre Risiko erhöhen können. Das sind unter anderem Schilddrüsenerkrankungen und ­damit assoziierte Wirkungen von Schilddrüsenhormonen auf das Herz-Kreislauf-System.

Synthetische Schilddrüsenhormone zählen sowohl in den USA als auch in Deutschland zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln. Schätzungsweise die Hälfte der damit behandelten Patienten ist jedoch nicht gut eingestellt, was sich in einer exogenen Hyper- oder Hypothyreose mit Thyreotropin (Thyreoidea-stimulierendes Hormon, TSH)-Werten ober- oder unterhalb des Referenzbereichs äußert. Eine Studie hatte kürzlich gezeigt, dass die Intensität einer Behandlung mit Schilddrüsenhormonen das Risiko für Vorhofflimmern und Schlaganfall beeinflussen kann. Das Team um Maria Papaleontiou der University of Michigan, Ann Arbor und Josh M. Evron von der University of North Carolina, Chapel Hill, beide USA, ging nun der Frage nach, ob eine Verbindung zwischen der Intensität einer Schilddrüsenhormonbehandlung und kardiovaskulärer Mortalität besteht.

Foto: Rasi/AdobeStock

Dazu wurden in einer retrospektiven Kohortenstudie Daten von 705.307 überwiegend männlichen (88,7%) Patienten, die mindestens 18 Jahre alt waren und eine Schilddrüsenhormonbehandlung erhielten, analysiert. Die Nachbeobachtungszeit lag zwischen zwei und neun Jahren. Es wurden zwei Kohorten gebildet. Für eine Kohorte (701.929 Patienten) waren mindestens zwei TSH-Messwerte verfügbar, die zwischen Behandlungsbeginn und Eintritt des Todes oder Ende der Studienperiode erhoben wurden. Für die zweite Kohorte (373.981 Patienten) lagen mindestens zwei Messwerte von freiem Thyroxin (FT4) vor. Euthyreose war mit TSH-Spiegeln zwischen 0,5 und 5,5 mlU/l bzw. FT4-Spiegeln zwischen 0,7 und 1,9 ng/dl erreicht. TSH < 0,5 mlU/l bzw. FT4 > 1,9 ng/dl entsprachen einer Therapie-bedingten exogenen Hyperthyreose, und TSH > 5,5 mlU/l bzw. FT4 < 0,7 ng/dl wurden als exogene Hypothyreose betrachtet. Primärer Studienendpunkt war die kardiovaskuläre Mortalität, d. h. Tod aufgrund kardiovaskulärer Ursachen einschließlich Herzinfarkt, Herzversagen und Schlaganfall. Im Studienzeitraum verstarben insgesamt 224.943 (31,9%) Patienten, davon 75.963 (10,8%) Patienten aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses. Die Ergebnisse der Überlebensanalyse mithilfe der Cox-Regression zeigten, dass sowohl Patienten mit exogener Hyperthyreose (z. B. TSH < 0,1 mlU/l: adjustierte Hazard Ratio [aHR] 1,39; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,32 – 1,47; FT4 > 1,9 ng/dl: aHR 1,29; 95%-KI 1,20 – 1,40) als auch Patienten mit exogener Hypo­thyreose (z. B. TSH > 20 mlU/l; aHR 2,67; 95%-KI 2,55 – 2,80; FT4 < 0,7 ng/dl: aHR 1,56; 95%-KI 1,50 – 1,63) ein ­höheres Risiko für kardiovaskuläre Mortalität hatten als eu­thyreotische Patienten. Im Vergleich zum euthyreotischen Zustand erhöhte sich das Risiko für kardiovaskuläre Mortalität zunehmend mit höheren oder niedrigeren TSH-Spiegeln. Der Zusammenhang wurde auch nach Anpassung bezüglich demografischer Faktoren wie Alter und Geschlecht sowie traditioneller kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes beobachtet.

Korrekte Einstellung und Monitoring

Evron und seine Kollegen konnten zeigen, wie wichtig die korrekte Einstellung einer Schilddrüsenhormonbehandlung einschließlich einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung und regelmäßigen Kontrollen, insbesondere für vulnerable Gruppen wie z. B. Ältere oder Personen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen, ist. Sowohl eine therapeutisch verursachte ­Hyperthyreose als auch eine Hypothyreose gehen mit einem signifikant erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Mortalität einher. Die Ergebnisse sind insbesondere vor dem Hintergrund zu betrachten, dass kardiovaskuläre Krankheiten in den USA nach wie vor die führende Todesursache sind. Das Gleiche gilt nach Angaben des statistischen Bundesamts für Deutschland. Die Identifizierung und Adressierung modifizierbarer Risikofaktoren, wie eine Über- oder Unterbehandlung mit Schilddrüsenhormonen, haben somit einen entscheidenden Stellenwert für die Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen und die Reduktion der damit verbundenen Sterblichkeit. |

Literatur

[1] Evron JM et al. Association of thyroid hormone treatment intensity with cardiovascular mortality among US Veterans. JAMA Network Open, 2022;5(5):e2211863

[2] Gesundheitsreport 2022 Arzneimittelverordnungen, Techniker Krankenkasse, www.tk.de

[3] Todesursachen in Deutschland, Statistisches Bundesamt, www.destatis.de

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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