Ernährung aktuell

Basensupplemente für starke Knochen?

Aktuelle Studie belegt: Kaliumcitrat wirkt sich günstig auf den Kalzium- und Knochenstoffwechsel aus

Der Einfluss der Ernährung auf den Säure-Basen-Haushalt wird immer wieder kontrovers diskutiert. Naturheilkundlich orientierte Kreise vertreten seit Langem die Auffassung, dass eine nahrungsinduzierte "Übersäuerung" die Entstehung verschiedener Erkrankungen, u. a. auch der Osteoporose, begünstigt [19]. Entsprechend kommen bei der Prävention und adjuvanten Therapie der Osteoporose Basensupplemente zum Einsatz. Diesem Ansatz wurde mit dem Argument widersprochen, dass die Homöostase des Säure-Basen-Haushalts bei gesunden Personen durch keine noch so einseitige Ernährung gestört wird [13]. Nun mehren sich die Hinweise, die der "Übersäuerungstheorie" Auftrieb geben [1; 12; 20], wie auch eine kürzlich im Fachblatt der American Society for Bone and Mineral Research veröffentlichte, randomisierte placebokontrollierte Studie belegt [11].

Im Zuge der Metabolisierung fällt bei einer üblichen westlichen Ernährung ein täglicher Säureüberschuss von 50 bis 100 Milliäquivalenten (mEq) an, der über die Nieren eliminiert werden muss [15; 14]. Ursachen hierfür sind [17; 19]:

  • Der hohe Konsum von Eiweißträgern wie Wurst- und Fleischwaren sowie Getreideprodukten liefert reichlich Methionin und Cystein. Beide Aminosäuren bilden bei ihrem Abbau in der Leber Schwefelsäure.

  • Stark verarbeitete Produkte wie Schmelzkäse sowie Fleisch- und Wurstwaren enthalten phosphorhaltige Verbindungen, die im Zuge der Verdauung Phosphorsäure bereitstellen, die in den Organismus gelangt. Auch Cola-Getränke enthalten Phosphorsäure und tragen zur Säurelast des Organismus bei.

  • Der vergleichsweise geringe Verzehr von Obst und Gemüse bedingt eine niedrige Zufuhr an organischen Salzen (z. B. Kalium- und Calciumcitrat sowie Magnesiummalat), die im Organismus als Basenäquivalente fungieren.

Der Säureüberschuss der westlichen Kost ist also Ausdruck eines Zuviel an potenziell säureüberschüssigen und eines Zuwenig an basisch wirkenden Lebensmitteln. Als Maß für den Einfluss eines Lebensmittels auf den Säure-Basen-Haushalt dient der sog. PRAL-Index (Potential Renal Acid Load). Vereinfacht gilt: Je mehr Methionin und Cystein und je weniger organische Salze ein Lebensmittel enthält, desto höher sein PRAL-Wert, d. h. sein säuernder Charakter (siehe Tabelle).


Tabelle: Potenzielle renale Säurelast (PRAL) ausgewählter Lebensmittel in Abhängigkeit von ihrem Gehalt an schwefelhaltigen Aminosäuren [8; 16].

Lebensmittel
Methionin
(mg/100 g)
Cystein
(mg/100 g)
PRAL (mEq)
Emmentaler (45% i. Tr.)
0,6 – 1,0
0,2 – 0,35
21,1
Rindfleisch, mager
0,7
0,35
7,8
Lachs
0,8
0,24
9,7
Hühnerfleisch
0,5
0,28
8,7
Erdnüsse
0,32
0,36
8,3
Vollkornbrot
0,15
0,24
5,3
Weißbrot
0,14
0,22
1,8
Vollmilch
0,094
0,031
0,7
Reis (gekocht)
0,048
0,037
1,7
Erbsen
0,048
0,056
1,2
Kartoffeln
0,023
0,018
– 4,0
Zwiebel
0,02
0,0
– 1,5
Orangen
0,012
0,01
– 2,7
Karotten
0,07
0,07
– 4,9
Äpfel
0,02
0,03
– 2,2

Trotz des "sauren" Charakters der üblichen Ernährung bleiben starke Schwankungen des Blut-pH-Wertes aus. Ursache hierfür ist die Fähigkeit der Nieren, sehr hohe Mengen an Protonen (bis zu 1000 mmol/Tag) auszuscheiden; eine nahrungsinduzierte klinisch-manifeste Azidose (Blut-pH < 7,35; Azidämie) ist bei Gesunden somit ausgeschlossen. Allerdings nimmt die Fähigkeit der Nieren zur Säureausscheidung mit fortschreitendem Alter ab [3; 7]. Unter westlichen Ernährungsbedingungen entwickelt sich so eine chronische, geringfügige Azidose ("latente Azidose"). Dabei liegt der pH-Wert des Blutes im (unteren) Normbereich, während die Pufferkapazität des Blutes vermindert ist [11].

Der chronische Säureüberschuss induziert eine Reihe von Kompensationsmechanismen. Sie betreffen vor allem den Calcium- und Knochenstoffwechsel [2; 4; 20]:

  • Lokale, physiko-chemische Freisetzung von Calcium und anderen Mineralstoffen aus der Knochenmatrix.

  • Abgabe von Carbonat (CO32-) und anderen organischen Anionen aus der Knochenmatrix zur Pufferung.

  • Osteoklasten-vermittelte Aktivierung der Knochenresorption.

  • Hemmung der Osteoblastenaktivität und damit verminderte Knochenbildung.

  • Mögliche Dysfunktionen im Hormonhaushalt wie z. B. Anstieg der Cortisolwerte. Damit indirekte Hemmung der Osteoblastenaktivität.

Insgesamt ist die chronisch erhöhte Säurelast der Nahrung mit einer erhöhten Calciumausscheidung [6] und einer verminderten Knochendichte assoziiert. Langfristig steigt so das Risiko für Osteoporose [Übersicht bei 12; 20].

Effekte auf den Calcium- und Knochenstoffwechsel

Vor diesem Hintergrund hat ein Team um Deborah Sellmeyer von der Universität San Franzisko untersucht, ob sich der Calcium- und Knochenstoffwechsel durch Basensupplemente längerfristig positiv beeinflussen lässt. Einbezogen in die randomisierte, placebokontrollierte Studie wurden 52 gesunde Frauen und Männer im Alter von > 55 (65 ± 6,6) Jahren. Nach einer zweiwöchigen Eingewöhnungsphase mit einem basischen Calciumsalz (630 mg elementares Calcium in Form von Calciumcitrat) und einem Vitamin-D3-Präparat (10 µg/Tag) wurden die Teilnehmer in drei Gruppen eingeteilt. Gruppe 1 erhielt ein Placebo (n = 18), die beiden Verumgruppen (jeweils n = 17) ein Kaliumcitrat-Präparat in unterschiedlicher Dosierung (Gruppe 2: 60 mmol Kaliumcitrat/Tag; Gruppe 3: 90 mmol Kaliumcitrat/Tag). Vor der eigentlichen sechsmonatigen Interventionsphase erfolgte bei allen Teilnehmern eine Basisuntersuchung. Erfasst wurden u. a. wichtige Funktionsmarker des Calcium- und Knochenstoffwechsels. Dazu zählten die Calcium- und Säureausscheidungen mit dem Urin, der Calcidiol- und PTH-Spiegel und die Knochenumsatzmarker C-Telopeptid (Marker der Knochenresorption) und knochenspezifische alkalische Phosphatase (beides Indikatoren für Knochenresorption). Um auch Effekte auf die Calciumbilanz zu untersuchen, wurde zusätzlich die Calciumabsorption mittels Isotopentechnik erfasst [11].


Die Kernergebnisse der Studie lassen sich wie folgt zusammenfassen [11]:

  • Säureausscheidung: Unter der Gabe des basischen Mineralsalzes wurde der Säureüberschuss nicht nur neutralisiert; vielmehr konnte eine Alkalisierung des Urins erreicht werden.

  • Calciumstoffwechsel: Die Gabe von Kaliumcitrat bewirkte eine deutliche Senkung der Calciumverluste mit dem Urin, wobei die Effekte in der Gruppe mit der höheren Basenzufuhr ausgeprägter waren als in der Gruppe mit der geringeren Basenaufnahme. Die Absorptionsrate von Calcium änderte sich indes nicht. Insgesamt resultierte aus der Basengabe eine positive Calciumbilanz (siehe Abbildung).

  • Knochenumsatz: Die Intervention verbesserte den Knochenumsatz in Richtung "Anabolismus". Ausdruck hierfür ist die signifikante Senkung des Knochenresorptionsmarkers C-Telopeptid in beiden Calcium-Citratgruppen, während die Konzentration der knochenspezifischen alkalischen Phosphatase unverändert blieb. Auch kam es unter der Basengabe zu einer Absenkung des PTH-Spiegels – ein Effekt, der mit Blick auf die Knochengesundheit ebenfalls positiv zu werten ist.

Abbildung: Effekte der Kaliumcitrat-Supplementierung auf den Calciumstoffwechsel. Dargestellt sind die Veränderungen der Calciumausscheidung (A), der Calciumabsorption (B) und der Calciumbilanz (C) im Verlauf der sechsmonatigen Interventionsphase. *: p < 0,05 versus Placebo; Mittelwert ± Standardabweichung. Pbo: Placebogruppe; KCit 60: Verumgruppe 1 (60 mmol Kaliumcitrat/Tag); KCit 90: Verumgruppe 2 (90 mmol Kaliumcitrat/Tag [11].

Fazit

Eine Vielzahl von experimentellen und epidemiologischen Untersuchungen unterstreicht die negativen Effekte einer langfristigen säureüberschüssigen Nahrung auf den Knochenstoffwechsel [1; 2; 4; 20]. Dies gilt insbesondere im höheren Alter, da hier die renale Ausscheidungskapazität für Säuren vermindert ist [3; 7]. Mit der nun vorliegenden Interventionsstudie wurde erstmalig der Beleg erbracht, dass die längerfristige Gabe eines alkalisierenden Mineralsalzes den Calcium- und Knochenstoffwechsel günstig beeinflusst.

Die Ergebnisse decken sich mit den Befunden früherer Kurzzeituntersuchungen, die unter Basengabe eine verminderte Knochenresorption und eine verbesserte Calciumbilanz nachweisen konnten [18; 5; 9 – 10]. Nun müssen weitere Untersuchungen zeigen, inwieweit es effizient und sinnvoll ist, Basensupplemente zur Prävention und adjuvanten Therapie der Osteoporose einzusetzen, insbesondere bei Risikogruppen [11].


Literatur

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[2] Arnett TR. Extracellular pH regulates bone cell function. J Nutr. 2008;138:415S-8S.

[3] Berkemeyer S, Vormann J, Günther AL, Rylander R, Frassetto LA, Remer T. Renal net acid excretion capacity is comparable in prepubescence, adolescence, and young adulthood but falls with aging. J Am Geriatr Soc. 2008;56:1442-8.

[4] Bushinsky DA. Acid-base imbalance and the skeleton. Eur J Nutr. 2001;40:238-44.

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[6] Fenton TR, Eliasziw M, Lyon AW, Tough SC, Hanley DA. Meta-analysis of the quantity of calcium excretion associated with the net acid excretion of the modern diet under the acid-ash diet hypothesis. Am J Clin Nutr. 2008;88:1159-66.

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[11] Moseley K, Weaver C, Appel L, Sebastian A, Sellmeyer DE. Potassium citrate supplementation results in sustained improvement in calcium balance in older men and women. J Bone Miner Res. 2012 Sep 18. doi: 10.1002/jbmr.1764. [Epub ahead of print]

[12] Pizzorno J, Frassetto LA, Katzinger J. Diet-induced acidosis: is it real and clinically relevant? Br J Nutr. 2010;103:1185-94.

[13] Rehner G, Daniel H. Biochemie der Ernährung. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin, 1999.

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[15] Remer T, Manz F. Estimation of the renal net acid excretion by adults consuming diets containing variable amounts of protein. Am J Clin Nutr. 1994;59:1356-61

[16] Remer T, Manz F. Potential renal acid load of foods and its influence on urine pH. J Am Diet Assoc. 1995;95:791-7.

[17] Remer T. Influence of nutrition on acid-base balance - metabolic aspects. Eur J Nutr. 2001; 40:214-20.

[18] Sebastian A, Morris RC Jr. Improved mineral balance and skeletal metabolism in postmenopausal women treated with potassium bicarbonate. N Engl J Med. 1994;331:279.

[19] Siener R. Einfluss der Ernährung auf den Säure-Basen-Haushalt. Ernähr Umsch. 2006; 53:168-173.

[20] Wynn E, Krieg MA, Lanham-New SA, Burckhardt P. Postgraduate Symposium: Positive influence of nutritional alkalinity on bone health. Proc Nutr Soc. 2010;69:166-73.


Autor
Dr. Alexander Ströhle
Am Landwehrgraben 8
30519 Hannover
E-Mail: stroehle@nutrition.uni-hannover.de



DAZ 2012, Nr. 46, S. 66

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