Arzneistoffporträt

Herbert Stradtmann: Bicarbonat-haltige Präparate bei metabolischer Azidose

Die Azidose ist ein komplexes Krankheitsbild mit schleichendem Charakter. Wegen ihrer vieldeutigen und allgemeinen Symptomatik wird sie meist spät erkannt. Um schwerwiegende Folgen zu vermeiden, ist eine frühzeitige Diagnose und wirksame Therapie angezeigt. Arzt und besonders Apotheker haben bei der Azidoseindikation ein intensives Beratungsfeld. Dem Patienten müssen die komplexen Zusammenhänge erst verdeutlicht werden, damit er Ursachen und die therapeutische Wirksamkeit von unterschiedlichen Präparaten einzuschätzen vermag.

Magensaftresistentes Natron (Bicarbonat) gegen Störungen im Säure-Basen-Haushalt Eine ausgeglichene Säure-Basen-Bilanz ist für die Stoffwechselprozesse im Organismus essenziell. Bereits geringe Schwankungen führen zu komplexen Störungen. In einer umfangreichen, auf den medizinischen Laien zugeschnittenen Ratgeberliteratur spricht man von "Säure- und Basenliebenden Organen", dem grauen "Säure-Alltag" usw. Eine Vielzahl von Korrekturkuren bis hin zu den homöopathischen Schüßler-Salzen gehört zum Angebot, verbunden mit großem Heilversprechen bei chronischer Übersäuerung (Azidose). Machen die zu solchen Entsäuerungskuren geforderten Lifestyle-Änderungen, Umgestaltungen der Ernährungsgewohnheiten und ein Placebo-Effekt durchaus Sinn, weil allein sie bereits Wirkung zeigen, so ist die Reaktionsweise der Substanzen selbst zu hinterfragen.

Schmales pH-Wert-Fenster Nur ein schmales pH-Wert-Fenster gestattet effektive Reaktionen von Enzymen, Verdauungssekre–ten, Hormonen sowie von Muskulatur und Nerven. Es ist Voraussetzung für eine ideale Beschaffenheit der Zellen und Gewebe, für eine bestmögliche Fließfähigkeit des Blutes sowie für eine schlagkräftige Funktion des Immunsystems. Im Organismus herrschen dabei verschiedene Optima vor. Der pH-Wert des Blutes als der wichtigsten Körperflüssigkeit ist mit Werten von 7,35 bis 7,45 sehr eng einreguliert. Diesen Normwert zwischen 7,35 bis 7,45 halten im Wesentlichen drei Puffersysteme mit Hilfe von vier Puffersubstanzen aufrecht.

Intrazellulär fungieren Phosphat (HPO42-) und Hämoglobin als Puffersubstanzen, extrazellulär Bicarbonat (HCO3-) und Plasmaproteine. Als Puffersysteme dienen die Puffersubstanzen selber, hinzu kommen die Ausscheidung von Wasserstoff–ionen und Bicarbonat über die Nieren und die Abatmung von Kohlendioxid über die Lunge.

Beim Blick auf Puffersubstanzen und -systeme wird klar, dass verschiedene Organe und Organsysteme in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle spielen, sei es als Ort der Regulation, der Synthese, als Lieferant von Puffersubstanzen oder von Bausteinen dafür.

Die kompensierte Azidose Störungen im Säure-Basen-Haushalt gleicht der gesunde Organismus zunächst immer aus. Als eine Art Säurespeicher kann man das Bindegewebe bezeichnen, worin der Körper nicht gepufferte saure Metaboliten vorübergehend oder für länger ablagern kann. Die Folge ist eine Gewebeazidose.

Ein normaler pH-Wert im Blut signalisiert nicht immer einen ungestörten Säure-Basen-Haushalt, sondern zeigt eventuell nur an, dass die Kompensationsmechanismen ausreichen, um einen ausgeglichenen Zustand zu erhalten. Man spricht hier von einer voll kompensierten Übersäuerung (Azidose). Ist der pH-Wert im Blut im Normbereich, dann handelt es sich also entweder um den Idealzustand oder um eine komplette Kompensation. Ist dieser Zustand nicht zu erreichen, dann sinkt der pH-Wert des Blutes. Die Nomenklatur ist hier nicht ganz einheitlich (Tab.1).

Metabolische Azidose – viele Ursachen Eine einseitige Dauerbelastung durch ständig hohen Anfall saurer Stoffwechselmetaboliten, eine reduzierte Funktion oder der komplette Ausfall der Kompensationsorgane führt zu einer chronisch sauren Stoffwechselsituation. Hier spielen als Ursachen eine Über- und Fehlernährung, die Nierenschädigung bei den Volkskrankheiten Diabetes mellitus, Hypertonie, aber auch die physiologisch abnehmende Funktionsbreite der Nieren im Alter eine entscheidende Rolle. Die metabolische Azidose stellt mit ihrem pathophysiologischen Szenario den größten Anteil der ambulant therapiebedürftigen Störungen im Säure-Basen-Haushalt dar (Tab. 2).

Für den Ausgleich einer Übersäuerung ist eine möglichst intakte Nierenfunktion notwendig. Er geschieht durch:

  • die renale Rückresorption des filtrierten Bicarbonats und
  • die renale Regeneration des für die Pufferung verbrauchten Bicarbonats

Bicarbonat-Defizit ausgleichen Bei verminderter Nierenfunktion entsteht ein Bicarbonat-Defizit. Bicarbonat ist der natürliche Puffer, dessen effektive Substitution ist daher der optimale therapeutische Grundpfeiler für die Therapie der chronisch metabolischen Übersäuerung. Die Galenik Bicarbonat-haltiger Präparate ist dabei von zentraler Bedeutung, weil HCO3- mit der Magensäure HCl zu CO2 und H2O reagiert. Dabei kommt es nicht nur zu unerwünschtem Verbrauch von Wirkstoff, sondern auch zur Reizung der Magenschleimhäute. Magenrupturen sind nach oraler Zufuhr von Bicarbonat beschrieben. Es bringt daher Vorteile, wenn das zugeführte Bicarbonat nicht bereits im Magen umgesetzt wird, sondern sich erst im Dünndarm auflöst. Der Hauptvorteile der magensaftresistenten Galenik (z. B. in bicaNorm®) als Filmtablette besteht darin, dass die verabreichte Bicarbonat-Dosis voll und ganz dem Ausgleich der metabolischen Azidose dient. Wichtige Therapieziele mit magensaftresistentem Bicarbonat sind:

  • Vermeiden eines Abgleitens in eine dekompensierte chronisch metabolische Azidose,
  • Verzögerung oder Reduktion der Altersosteoporose
  • Korrektur des Ernährungszustandes durch Verbesserung des Eiweißstoffwechsels,
  • Schutz der stoffwechselintensiven Nierenfunktion,
  • Reduktion des Herzminutenvolumens, damit Prävention einer linksventrikulären Hypertrophie,
  • allgemeine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit,
  • Erhöhung der kognitiven Leistung und der –Lebensqualität,
  • Besserung der allgemeinen Abwehrlage,
  • positive Auswirkungen auf die Langzeitüberlebensrate.

Die sichere Magensaftresistenz dieser Galenik bei unterschiedlichen pH-Werten im Magensaft zeigt, dass bis zu einem pH von 5,0 selbst 60 Minuten nach Einnahme kein Bicarbonat aus der Tablette in den Magen gelangt. Somit besteht in einem weiten Rahmen der Magensaftazidität eine hohe therapeutische Potenz.

Nierenleistung nimmt mit Alter ab

Der renale Plasmafluss nimmt pro Lebensdekade um zirka 10% ab. Auch ohne Hochdruck, Diabetes oder andere, die Nieren belastende Krankheiten, veröden funktionelle Einheiten der Nieren - die Nephrone. Überdies kommen im Alter Funktionsstörungen der Zellen in den Nierenkanälchen (Tubuluszellen) vor. Kommt es zur andauernden Säureüberlastung, dann erschöpft sich bei Senioren unter anderem binnen kurzem die renale Kompensation und führt zur Übersäuerung. Der altersabhängige Funktionsverlust der Nieren fördert eine schleichende Azidose (Abbildung) durch die mangelnde Neutralisierung der sauren Valenzen bei gleichzeitig rückläufiger Regeneration der wichtigsten Puffersubstanz, dem Bicarbonat.

Die unterschätzten Folgen der chronisch metabolischen Azidose

Eine lang anhaltende und/oder unzureichend kompensierte azidotische Stoffwechsellage hat schleichende Folgen:

  • Mobilisierung von Phosphat als Puffer aus dem Knochensystem fördert die Osteoporose
  • Verschlechterung der Sauerstoffausnutzung im –Gewebe führt zu einer verminderten körperlichen Leistungsfähigkeit
  • Reduzierte Kontraktionsleistung des Herzmuskels (siehe Punkt 2 und 6)
  • Erhöhte Schockgefahr durch Abnahme der Wirksamkeit gefäßaktiver Substanzen.
  • Hemmung der Albumineiweißsynthese
  • Abnahme von Enzymaktivitäten (auch die Herzfunk–tion ist von Funktionsenzymen abhängig)
  • Antikörpermangel-induzierte Infektanfälligkeit
  • Muskelschwund durch übermäßigen Eiweißabbau (Proteinkatabolismus)
  • Diffusionsstörungen, Verformung von Zellen und Geweben - Beschleunigung degenerativer Prozesse
  • Störung der Bicarbonatsekretion des Pankreas und Beeinträchtigung der Pankreasverdauungsenzyme
  • Verstärkung des oxidativen Stresses
  • Förderung der Tumorentstehung

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