Arzneimittel und Therapie

Auch auf das Auge achten!

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Bei Diabetes regelmäßig zum Augenarzt gehen

Diabetische Retinopathie und Makulopathie gehören zu den mikrovaskulären Komplikationen des Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Das Risiko lässt sich durch eine möglichst gute Blutzuckereinstellung reduzieren. Um Netzhautveränderungen möglichst früh zu erkennen, werden regelmäßige augenärztliche Kontrollen empfohlen. Die Therapie stützt sich im Wesentlichen auf die Laserkoagulation und, bei Visusbeeinträchtigungen durch ein diabetisches Makulaödem, auf die intravitreale Applikation eines VGF-Inhibitors.

Der Diabetes mellitus geht mit mikrovaskulären Veränderungen einher, die auch das Auge in Gefahr bringen. Dabei drohen vor allem eine diabetische Retinopathie und /oder Makulopathie. Immerhin etwa ein Viertel der Typ-1-Diabetiker entwickelt innerhalb von fünf Jahren eine Retinopathie, nach 15 bis 20 Jahren sind es etwa 95%. Nur wenig günstiger sind die Daten bei Typ-2-Diabetikern: Etwa 15% haben bereits bei Diagnosestellung eine Retinopathie, nach 15 bis 20 Jahren sind 50% der nicht-insulinpflichtigen und 95% der insulinpflichtigen Typ-2-Diabetiker betroffen. Die Prävalenz eines klinisch signifikanten Makulaödems, das das Sehvermögen besonders gefährdet, liegt bei 6% für Typ-1- und bei 7,5% für Typ-2-Diabetiker. Wie relevant die Schädigung ist, zeigt die hohe Zahl der jährlichen Neuerblindungen bei Diabetikern, die 2010 bei 1728 lag. "Diabetes-bedingte Veränderungen am Auge sind die häufigsten Erblindungsursachen bei Menschen im erwerbsfähigen Alter in den Industriestaaten", resümierte der Augenarzt Dr. Aris Pervanidis, Stuttgart, auf einem von der Novartis Pharma GmbH veranstalteten Symposium am 16. Mai 2012 in Stuttgart.

Risikofaktor: mangelhafte Blutzuckereinstellung

Die Entwicklung der diabetischen Retinopathie hängt wesentlich von der Dauer des Diabetes, aber auch von der Therapie des Diabetes ab. "Der wichtigste Risikofaktor ist die mangelhafte Blutzuckereinstellung des Diabetes", so Pervanidis. Denn die permanente Hyperglykämie führt zu einer lokalen Hypoxie am Auge, die letztlich Angiogenese und Makulaödem den Weg bereitet. Auch um mikrovaskuläre Schäden am Auge zu verhindern, sollte deshalb auf die Blutzuckerwerte geachtet werden. Neben der Hyperglykämie zählen die arterielle Hypertonie, die Hyperlipidämie, und, last but not least, der Nicotinabusus zu den Risikofaktoren. Auch die hormonelle Umstellung während Schwangerschaft und Pubertät können die Progression vorantreiben. Zusätzlicher Risikofaktor für die Progression ist eine gleichzeitig bestehende Nephropathie.

Regelmäßig zum Augenarzt

Diabetische Retinopathie und Makulopathie verlaufen lange Zeit symptomlos. Deshalb sind für Diabetiker regelmäßige ophthalmologische Kontrollen Pflicht (siehe Kasten), um Veränderungen rechtzeitig erkennen und behandeln zu können. Wenn erste Warnzeichen auftreten, ist bereits wertvolle Zeit vergangen. Entscheidend für das klinische Bild ist die Lokalisation der pathologischen Veränderungen. Je zentraler sie im Auge sind, umso ausgeprägter sind die klinischen Folgen. Hinweise für Netzhautkomplikationen sind plötzlicher Visusverlust oder nicht korrigierbare Visusverschlechterung. Ist die Makula betroffen, kommt es unter anderem zu Leseschwierigkeiten, Farbsinnstörungen und "verschwommenem Sehen".


Diabetiker zum Augenarzt schicken


Bei Typ-1-Diabetikern sollten augenärztliche Kontrollen ab dem 5. Erkrankungsjahr jährlich durchgeführt werden. Kinder vor dem 11. Lebensjahr müssen erst untersucht werden, wenn der Diabetes bereits seit fünf Jahren besteht.

Typ-2-Diabetiker sollten bei Diagnosestellung sofort augenärztlich untersucht werden, dann ebenfalls im jährlichen Intervall.

Schwangere Diabetikerinnen sollten bei Feststellung der Schwangerschaft, anschließend im Abstand von drei Monaten kontrolliert werden.

Bei einer bereits bestehenden Retinopathie entscheidet der Augenarzt über die Kontrollintervalle.

Wichtig: Vor einer geplanten und nach einer schnellen und deutlichen Blutzuckersenkung müssen alle Patienten kurzfristig vom Augenarzt überwacht werden, da sich eine Retinopathie dadurch verschlechtern kann.

NPDR und PDR: entscheidender Unterschied

Bei der diabetischen Retinopathie werden die nicht-proliferative und die proliferative Form (NPDR und PDR) differenziert. Der Unterschied: Anders als bei der PDR kommt es bei der NPDR nicht zur Neubildung von Gefäßen. Das Sehvermögen wird noch nicht oder kaum beeinträchtigt. Leichte Formen sind durch Mikroaneurysmen gekennzeichnet. Bei der mäßigen Form finden sich auch vereinzelte intraretinale Blutungen und perlschnurartige Venen. Im fortgeschrittenen Stadium, der schweren nicht-proliferativen Retinopathie also, lassen sich bereits intraretinale mikrovaskuläre Anomalien erkennen. Dabei handelt es sich um dilatierte präexistente Kapillaren, die bereits auf eine zunehmende retinale Ischämie mit vermehrter VEGF-Produktion hinweisen. Sie gelten als Indiz für den Übergang in eine proliferative Retinopathie. Bei der PDR kommt es schließlich als Folge einer Unterversorgung mit Sauerstoff zur Neovaskularisation. Die retinalen Gefäße proliferieren, angetrieben vom Wachstumsfaktor VEGF, und beeinträchtigen die Funktion der Netzhaut. Zudem können sie in den Glaskörper einwachsen und dort platzen. Es kommt zu Einblutungen und verschwommenem Sehen. Die diabetische Makulopathie mit einem klinisch signifikanten Makulaödem kann in jedem Stadium der diabetischen Retinopathie, aber auch singulär auftreten. Sie ist der häufigste Grund für eine Visusverminderung.

Im Vordergrund der Therapie steht bei Veränderungen der Retina die Laserkoagulation. Die Kunst dabei ist es, den richtigen Zeitpunkt für den Eingriff zu finden. "Man darf nicht zu viel und nicht zu wenig machen", so Pervanidis. Bei der Entscheidung müsse man auch die Nebenwirkungen im Blick behalten, wie Gesichtsfeldeinengung, Schwierigkeiten bei der Dunkeladaptation oder Veränderungen in der Farbwahrnehmung. Laut Praxisleitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft ist eine Laserbehandlung bei milder und mäßiger nicht-proliferativer Retinopathie nicht indiziert, bei schwerer NPDR nur bei Risikopatienten. Befürwortet wird der Eingriff bei der proliferativen Retinopathie. Bei Glaskörperblutung oder Netzhautablösung kommt eine Vitrektomie in Betracht. Auch beim klinisch signifikanten Makulaödem ist eine gezielte Lasertherapie indiziert.

Zur medikamentösen Therapie einer Visusbeeinträchtigung infolge eines diabetischen Makulaödems ist der VEGF-Inhibitor Ranibizumab (Lucentis®) indiziert, der auch für die Therapie der feuchten altersabhängigen Makuladegeneration zugelassen ist. Ranibizumab wird monatlich intravitreal appliziert, und zwar so lange, bis der maximale Visus erreicht ist, sprich er bei drei aufeinanderfolgenden Kontrollen stabil ist. Anschließend sollte der Visus des Patienten monatlich kontrolliert werden. Kommt es zu einem Verlust der Sehschärfe, kann die Behandlung wieder begonnen werden. Stellt sich allerdings nach den ersten drei Injektionen keine Verbesserung ein, wird eine Weiterbehandlung nicht empfohlen.


Quelle

Hammes HP et al.: Praxisleitlinie "Diabetische Retinopathie" der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Diabetologie 2010; 5: 117 – S121.

Nentwich MM et al.: Stadieneinteilung und Therapie der diabetischen Retinopathie und Makulopathie, Z prakt Augenheilkd 2010; 31:499.

Fachinformation Lucentis® , Stand Dezember 2011.


Apothekerin Dr. Beate Fessler



DAZ 2012, Nr. 24, S. 36

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