Arzneimittel und Therapie

Diabetische Retinopathie: Wie kann man das Augenlicht retten?

Nur etwa die Hälfte aller Diabetiker unterzieht sich regelmäßig einer Untersuchung des Augenhintergrundes. Solche Untersuchungen sind jedoch erforderlich, um Netzhautschäden frühzeitig erkennen und behandeln zu können. Durch eine gute Blutzuckereinstellung lassen sich diabetesbedingte Netzhautschäden weitgehend verhindern. Aber auch eine bereits eingetretene fortschreitende diabetische Netzhauterkrankung kann behandelt werden: Mit Lasertherapie und/oder Operation kann die Sehfähigkeit häufig erhalten werden.

Diabetiker sind gleich mehrfach gefährdet zu erblinden: durch die Folgen einer fortschreitenden Retinopathie und Makulaödeme, aber auch durch das vermehrte Auftreten von Katarakt und Glaukom. Ohne Behandlung hat ein Diabetiker mit einer proliferativen Retinopathie ein Risiko von 50%, in den nächsten fünf Jahren zu erblinden. Dieses Risiko kann durch korrekte Behandlung der Netzhauterkrankung auf unter 5% gesenkt werden. Noch sinnvoller ist es, durch eine optimale Blutzuckerkontrolle Netzhautschäden gar nicht erst entstehen zu lassen.

Was passiert an der Netzhaut?

Die Netzhautveränderungen des Diabetikers bestehen aus fünf Prozessen:

  • der Bildung von Mikroaneurysmen,
  • einer Zunahme der Gefäßdurchlässigkeit,
  • Gefäßverschlüssen,
  • Bildung neuer Blutgefäße und begleitenden Bindegewebes,
  • Zusammenziehen dieser Gefäß- und Bindegewebswucherungen und des Glaskörpers.

Mikroaneurysmen weisen auf den Beginn einer diabetischen Retinopathie hin. Kommt eine exzessive Gefäßdurchlässigkeit hinzu, so können Makulaödeme auftreten.

Makulaödeme sind Netzhautverdickungen durch Ansammlung von Flüssigkeit. Häufig gehen sie mit Lipidablagerungen in der Netzhaut einher, die zu permanentem Sehverlust führen können. Die Lipidablagerungen eines Diabetikers sind um so ausgedehnter, je höher seine Lipid-Serumkonzentration ist.

Mikroaneurysmen, mit oder ohne Netzhautödeme, bezeichnet man als leichte nichtproliferative diabetische Retinopathie. Von mäßiger oder schwerer nichtproliferativer diabetischer Retinopathie spricht man, wenn neben Anomalien der kleinen Gefäße auch Netzhautblutungen und Erweiterungen von Netzhautvenen auftreten. Sind auf der Oberfläche der Netzhaut oder auf der Papille neue Gefäße entstanden, ist es bereits zur proliferativen diabetischen Retinopathie gekommen.

Eine besonders schlechte Prognose hat die Gefäßneubildung in der Nähe der Papille. Letztendlich entsteht durch Zusammenziehung des Glaskörpers, die beim Diabetiker rascher als im normalen Alterungsprozess eintritt, Spannung an den neuen Gefäßen. Es kommt zu Blutungen in das Augeninnere und eventuell zur Netzhautablösung. Wiederholte Blutungen und der Zug, der auf die Netzhaut einwirkt, führen zu schweren Sehverlusten.

Intensive Diabetes-Behandlung beugt vor

Eine intensive Behandlung des Typ-I-Diabetes senkt die Entstehungsrate und verzögert das Fortschreiten der diabetischen Retinopathie. Dies ergab die DCCT-Studie (Diabetes Control and Complications Trial) mit 1441 Typ-I-Diabetikern. Weitere randomisierte Studien bestätigten die präventive Wirkung einer guten Blutzuckereinstellung auch für Typ-II-Diabetiker. Allerdings kann das Risiko eines Diabetikers für Netzhautschäden so nicht vollständig eliminiert werden.

Das Risiko kann vermutlich durch folgende zusätzliche Behandlungsmaßnahmen weiter reduziert werden:

  • Blutdrucksenkung, zum Beispiel mit einem ACE-Hemmer,
  • Senkung erhöhter Blutfettwerte.

In klinischen Studien werden derzeit Angiogenese-Hemmer und Hemmstoffe der Protein-Glykosylierung für die Prävention der diabetischen Retinopathie geprüft.

Photokoagulation mit Laserstrahl

Seit mehreren Jahrzehnten nutzt man den Effekt einer ausgedehnten Lasertherapie der Netzhaut (Photokoagulation) auf die Gefäßneubildungen und Makulaödeme. Eine fünfjährige Studie an Patienten mit schwerer nichtproliferativer oder mit proliferativer Retinopathie über fünf Jahre zeigte, dass die Photokoagulation die Häufigkeit schwerer Sehverluste halbierte. Allerdings birgt die Photokoagulation auch Gefahren: Sie kann zu einer Verkleinerung des Gesichtsfeldes und zur Abnahme der Sehschärfe führen. Wegen ihrer geringeren Nebenwirkungsrate sollte die Photokoagulation mit dem Argon-Laser dem Xenon-Laser vorgezogen werden. Die direkte Bestrahlung in der Nähe der Papille wurde aufgrund des erhöhten Blutungsrisikos aufgegeben. Die derzeitige Datenlage spricht für eine Photokoagulation bei schwerer nichtproliferativer oder früher proliferativer diabetischer Retinopathie.

Von der Photokoagulation profitieren besonders diejenigen, die das höchste Erblindungsrisiko haben: Patienten mit Gefäßneubildungen plus Blutungen in den Glaskörper und Patienten mit Gefäßneubildungen in Papillennähe. Die Vitrektomie kann die Sehkraft von Patienten mit schweren Blutungen in den Glaskörper oder sehr schwerer Gefäßneubildung, auch ohne schwere Blutungen, deutlich verbessern. Vitrektomie und Photokoagulation können gleichzeitig durchgeführt werden.

Durch eine gute Blutzuckereinstellung lassen sich diabetesbedingte Netzhautschäden weitgehend verhindern. Aber auch eine bereits eingetretene fortschreitende diabetische Netzhauterkrankung kann behandelt werden: Mit Lasertherapie und/oder Operation kann die Sehfähigkeit häufig erhalten werden.

Kleines Glossar

  • Glaukom: grüner Star, Augenerkrankung mit zeitweise oder dauernd erhöhtem Augeninnendruck
  • Katarakt: grauer Star, alle Formen des Durchsichtigkeits-Verlustes der Augenlinse oder ihrer Kapsel
  • Makulaödeme: Flüssigkeitsansammlungen im gelben Fleck der Netzhaut, der Stelle des schärfsten Sehens
  • Mikroaneurysmen: kleine Arterien-Erweiterungen
  • Papille: Sehnerveintritt
  • Photokoagulation: gezielte Koagulation am Augenhintergrund mit Hilfe eines konzentrierten Lichtbündels
  • (Proliferative) Retinopathie: (fortschreitende) Netzhauterkrankung
  • Vitrektomie: operative Teilentfernung des Glaskörpers
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