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Kettenkonzerne an der Macht

Peter Ditzel

Über den Deal wurde schon seit Längerem spekuliert, in dieser Woche fiel der Hammer. Der britische Konzern Alliance Boots war zwar bereits an der Anzag mit 29,99% beteiligt, hatte aber schon seit Längerem ein Auge auf eine Mehrheitsbeteiligung bei Deutschlands drittgrößtem Pharmahändler geworfen. Für den britischen Konzern mit dem US-amerikanischen Finanzinvestor KKR im Hintergrund war Anzag schon lange ein Kaufkandidat – nicht zuletzt eine geschickte Gelegenheit, im deutschen Pharmamarkt richtig Fuß zu fassen.

Nun haben Celesio, Phoenix und Sanacorp ihre Anzag-Anteile verkauft. Alliance Boots stockt mit dem Abschluss dieses Geschäfts seine Beteiligung an der Anzag auf 81,6% auf. Und das könnte noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Für die restlichen Aktien, die sich in Händen der Noweda, dem niederländischen Pharmahändler Mediq und in Streubesitz befinden, will Alliance Boots ein Übernahmeangebot unterbreiten. Mediq steht dem Verkauf seiner Anteile offen gegenüber, Noweda wollte sich dazu nicht äußern.

Dabei soll es dem Vernehmen nach noch eine Chance gegeben haben, die Übernahme von Anzag durch Alliance Boots zu verhindern. Als die Pläne des britischen Konzerns bekannt wurden, fanden sich andere Interessenten (die für die inhabergeführte Apotheke kämpfen), die zum Verkauf stehenden Anteile von Celesio und Phoenix zu übernehmen. Die Apobank, zwei private Investoren aus der Schweiz, einer aus Österreich und die Noweda hatten sich bereit erklärt, Anteile zu übernehmen bzw. ihre Anteile aufzustocken. Die Sanacorp hatte auf die beiden Aktienpakete ein Vorkaufsrecht und ohne Zustimmung der Sanacorp hätten Celesio und Phoenix nicht verkaufen können. Hätte die Sanacorp ihr Vorkaufsrecht ausgeübt, wäre die Mehrheit der Anzag-Anteile in den Händen von Apothekern geblieben. Doch die Sanacorp überlegte es sich anders – sie verkaufte ihre gesamten Anteile an Alliance Boots. Damit war die Hoffnung geplatzt, einen weiteren Kettenkonzern vom deutschen Markt fernzuhalten. Ob es wirtschaftliche oder andere Beweggründe waren, warum die Sanacorp ihre gesamten Anteile verkaufte – darüber war nichts zu erfahren.

Wie geht es nun weiter? Zunächst ändert sich der Eigentümer eines früher einmal relativ genossenschaftsnahen Unternehmens. Die Anzag, die sich mit ihrem Vorsitzenden Dr. Thomas Trümper immer für die inhabergeführte Apotheke stark gemacht hat, wird sich kurzfristig wohl nicht verändern oder von heute auf morgen eine andere Richtung einschlagen. Anzag-Chef Trümper meinte gegenüber der DAZ, dass sich die Anzag auch weiterhin für die inhabergeführte Apotheke einsetzen werde – auch mit dem neuen Eigentümer. Gegenüber Stefano Pessina, Chef von Alliance Boots, habe Trümper deutlich gemacht, dass er nicht für eine Trendwende bei der Anzag zu haben sei. Wie sich die Anzag – eingebunden in den britischen Großkonzern – allerdings mittel- bis langfristig entwickeln wird, lässt sich heute nicht vorhersagen. Für die Anzag mag es durch den neuen Eigentümer auch den einen oder anderen Vorteil geben, beispielsweise auf der Beziehungsebene zu Lieferanten oder auf der Ebene des Wissensaustausches. Die bisherige Konstellation, Konkurrenten als Mitaktionäre zu haben, muss auch nicht immer einfach gewesen sein.

Die Struktur des Großhandelsmarkts in Deutschland hat sich mit diesem Aktiengeschäft allerdings über Nacht grundlegend verändert. Man sollte sich vor Augen halten: Der deutsche Pharmahandelsmarkt wird nun von drei Unternehmen dominiert, die sich mehr oder weniger offen dazu bekennen, in Richtung Apothekenkette zu marschieren – wenn es die gesetzliche Lage in Deutschland zuließe. Noch hält gegen die Trias von Celesio, Phoenix und Alliance Boots der Schutzschild des EU-Richterspruchs. Dass aber solche Konzerne versuchen werden, jede nur erdenkliche Gelegenheit zu nutzen, um die Stellschrauben auf dem deutschen Pharmahandelsmarkt in ihre Richtung zu verdrehen, liegt auf der Hand.

Gemunkelt wird, dass beispielsweise die mit dem Suchen von Anzag-Käufern beauftragte Bank Morgan Stanley alle Interessenten abgewimmelt haben soll und nur den jetzt zum Zuge gekommenen Käufer zugelassen habe. Wurden hier im Hintergrund von interessierten Kettenkreisen schon Fäden gezogen, die den Spielausgang in eine bestimmte Richtung lenkten? Haben hier Kettenbetreiber versucht, den deutschen Markt in eine ihnen genehme Richtung zu lenken?

Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands in der "Financial Times Deutschland": "Es droht eine oligopolartige Vermachtung wie bei den Energieversorgern", der Druck auf die Apotheken könnte noch größer werden. Fakt ist: Mit der neuen Situation, die sich auf dem Großhandelsmarkt abzeichnet, befinden sich 60% des deutschen Großhandels vom Umsatz her gesehen in den Händen von Kettenbetreibern, die überall dort, wo es möglich ist, Apothekenketten aufbauen und betreiben.

Was bleibt als Resümee? Jeder Konzern ist abhängig von Kunden, die bei ihm kaufen. Die Apotheker können selbst entscheiden, bei welchem Konzern sie kaufen, welches Unternehmen sie unterstützen. Wir haben in Deutschland zwar eine oligopolartige Struktur, aber kein Monopol. Es gibt Alternativen zu Kettenkonzernen.


Peter Ditzel

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