Interview mit Verbandschef Francke

„CardLink wird nicht der entscheidende Faktor im Markt werden“

Berlin - 23.04.2024, 07:00 Uhr

Jan-Niklas Francke will für Entlastung in den Apotheken sorgen. (Foto: Gerald Fuest / LAV-RP) 

Jan-Niklas Francke will für Entlastung in den Apotheken sorgen. (Foto: Gerald Fuest / LAV-RP) 


Personalrochade in Rheinland-Pfalz: Der bisherige Verbandschef Andreas Hott und sein Zweiter Vorsitzender Jan-Niklas Francke tauschten Mitte April die Plätze. Damit läutet der Verband einen Generationenwechsel ein – Francke ist 45 Jahre alt und zählt somit zu den Jüngeren unter den Vorsitzenden. Der Zeitpunkt ist günstig, denn der Apotheker aus Emmelshausen gilt in Bezug auf die Digitalisierung als besonders versiert. Welche Ziele sich Francke für seine Amtszeit gesteckt hat, erläutert er im Gespräch mit der DAZ.

DAZ: Herr Francke, den kürzlich vollzogenen Positionswechsel mit Ihrem Amtsvorgänger Andreas Hott darf man wohl als ungewöhnlich bezeichnen. Aus welchen Gründen haben Sie beide sich dafür entschieden, sich in dieser Konstellation zur Wahl zu stellen?

Francke: Andreas Hott und ich sitzen bereits seit April 2012 gemeinsam im LAV-Vorstand. Wir haben stets Seite an Seite gearbeitet mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Er ist eher der politische Netzwerker und ich habe versucht, vor allem den technischen Part abzudecken. Der Apothekenmarkt digitalisiert sich seit einigen Jahren schnell und neue Strukturen entstehen, sodass Andreas Hott diesen Wechsel vorgeschlagen hat. Auf diese Weise leiten wir einerseits einen Generationenwechsel ein, andererseits bleibt uns seine politische Erfahrung erhalten. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Dass er mir seine Unterstützung zugesichert hat, war für mich ein wichtiger Faktor, um jetzt diesen Schritt zu wagen. Und ganz besonders haben wir uns über das einstimmige Wahlergebnis gefreut – ich hoffe, dass wir die Erwartungen, die nun an uns gestellt werden, erfüllen können.

Was haben Sie sich konkret vorgenommen für Ihre Amtszeit?

Ich habe lange überlegt, was ich unseren Mitgliedern anbieten kann. Es ist eine schwierige Zeit, in der sich innerhalb des Berufsstands spürbar Frust breit macht. Neben existenziellen Sorgen und Personalnot fragen sich viele auch, welche Rolle Apotheken künftig einnehmen sollen und können. Mein Ansatz ist, zunächst für Entlastung zu sorgen, insbesondere im Backoffice. Ich will mich dafür einsetzen, die bürokratischen Anforderungen auf ein vernünftiges Maß zu begrenzen, so wie es uns zuletzt mit der Präqualifizierung gelungen ist. An den Verhandlungen durfte ich für den DAV mitwirken und habe den Eindruck gewonnen, dass auch der GKV-Spitzenverband davon überzeugt ist, dass wir die Heilberufler künftig in der Fläche am Patienten brauchen. Darauf kann man aufbauen. Wir müssen es zudem schaffen, die Apotheken wirtschaftlich zu stabilisieren und den Trend zu stoppen, dass so viele Betriebe schließen wie nie zuvor. Denn wir brauchen das flächendeckende Apothekennetz. Danach können wir in einem zweiten Schritt neue heilberufliche Tätigkeitsfelder erschließen, etwa im Bereich Prävention, und uns verstärkt der interprofessionellen Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen widmen.

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Zur Person

Dr. Jan-Niklas Francke ist 45 Jahre alt und betreibt zusammen mit seiner Frau Dr. Nadine Francke als OHG zwei Apotheken in Emmelshausen. Er sitzt seit der Gründung im Jahr 2021 im ABDA-Digitalhub, der die ABDA in allen Fragen rund um das Thema Digitalisierung berät. Am 10. April 2024 wurde er von der Delegiertenversammlung des Landesapothekerverbands (LAV) Rheinland-Pfalz einstimmig zum Ersten Vorsitzenden gewählt.

In den Eckpunkten zur Apothekenreform ist bereits vorgesehen, dass Apotheken künftig bestimmte Präventionsangebote machen sollen. Stimmt Sie das zuversichtlich?

Dass Apotheken unter anderem in die Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingebunden werden könnten, ist für mich tatsächlich ein Lichtblick im Eckpunktepapier. Leider halte ich viele andere Vorhaben nicht für zielführend. Der Begriff Telepharmazie wird darin zum Beispiel eigenartig interpretiert. Es ist nach meinem Verständnis keine Telepharmazie, wenn man in leerstehenden Apotheken eine Art Annahmestelle für E-Rezepte aufbaut und bei Bedarf einen Apotheker per Video zuschaltet. Davon halte ich gar nichts. Für mich bedeutet telepharmazeutische und telemedizinische Betreuung, dass wir Patienten in ihrem häuslichen Umfeld Zugang zu heilberuflicher Beratung ermöglichen, wenn diese Menschen nicht regelmäßig in der Apotheke oder Praxis sein können. Das sollte eine Ergänzung sein zum persönlichen Kontakt zwischen Heilberufler und Patient, kein Ersatz.

Sie gelten als technisch versiert und bringen Ihre Expertise auch in den ABDA-Digitalhub ein. Wie bewerten Sie als Apotheker und Fachmann aktuell die Einführung des E-Rezepts?

Wenn das E-Rezept erst einmal stabil läuft, dann kann es ein echter Gewinn für die Versorgung sein. Ich hatte an Ostern Notdienst und habe eine Verordnung erhalten über ein Medikament, das nicht lieferbar war. Nach einem kurzen Telefonat hat die Ärztin das E-Rezept gelöscht, ein neues ausgestellt und ich konnte den Patienten versorgen. Allerdings sind wir in den Apotheken derzeit stark abhängig von unserer IT-Ausstattung. Wenn ein Anbieter Probleme hat, wie es etwa bei Medisign der Fall war, ist es einfach Pech oder Glück, ob die individuelle Apotheke betroffen ist oder nicht. Es müssen sich jetzt alle Beteiligten schnellstens darauf verständigen, dass es sich bei der TI um ein hochsensibles Netzwerk handelt, das stabil laufen muss. Sonst riskieren wir einen Vertrauensverlust nicht nur unter den Heilberuflern, sondern auch in der Bevölkerung.

Mit CardLink wird es schon bald einen vierten Einlöseweg für das E-Rezept geben. Sehen Sie darin eher Chancen oder Gefahren für die Präsenzapotheken?

Ich gehe davon aus, dass CardLink eine Übergangstechnologie sein wird. Das Verfahren nutzt die bestehende Struktur mit Konnektoren, Kartenterminals und anderen Komponenten und verlängert diese in das Smartphone der Anwender. Wenn die TI 2.0 kommt, die mit digitalen Identitäten und ohne die Hardware funktioniert, die wir aktuell noch verwenden, brauchen wir CardLink nicht mehr. Natürlich ist es für die Versender von Vorteil, dass es bei ihnen nur eine Kombination von TI-Komponenten, Apothekenverwaltungssystem und App gibt. Aber das bedeutet nicht, dass der gesamte Markt der öffentlichen Apotheken abgehängt ist. Auch wir werden zeitnah entsprechende Angebote machen können.

Sie setzen also auf das Angebot der standeseigene Digitalgesellschaft Gedisa, die ebenfalls ein CardLink-Verfahren bei der Gematik zur Zulassung eingereicht hat?

Ich setze auf alle aus der öffentlichen Apotheke heraus entwickelten Lösungen, die CardLink in unsere Webshops und Apps integrieren. Und natürlich ist die Gedisa ganz vorne mit dabei. Aber ich sehe kein großes Wettrennen um CardLink, wie es von den Medien gern dargestellt wird. Die Menschen, die wir Apotheken über Jahre an uns gebunden haben, werden nicht innerhalb von zwei, drei Monaten zum Versender wechseln, nur weil es da eine neue Technologie gibt. Meine Einschätzung ist: CardLink wird nicht der entscheidende Faktor im Markt werden. Dass Versender jetzt versuchen, CardLink als den Gamechanger zu verkaufen, der alles verändern wird, ist für mich eher ein Hilferuf. Das ist völlig übertrieben und wird so nicht kommen.

Bleiben wir kurz bei der Gedisa. Teilen Sie die kritische Sicht vieler Kolleginnen und Kollegen auf das Angebot, dass die Digitalgesellschaft ihnen macht?

Die Kriterien, anhand derer die Leistung der Gedisa beurteilt wird, greifen zu kurz. In der Debatte fällt völlig vom Tisch, was sie im Bereich Infrastruktur und Datensicherheit leistet. Der Berufsstand braucht ein Ökosystem, das eine Kommunikation der Heilberufler untereinander, aber auch mit den Patienten möglich macht. Dafür bietet Gedisa mit dem Apothekenportal die Grundlage. Vielleicht hat sie noch nicht alles erreicht, was sie sich vorgenommen hat. Aber das Fundament ist gelegt.

Kommen wir jetzt von der Digitalisierung zurück zur Standespolitik. Derzeit geht der Trend dahin, dass immer mehr vergleichsweise junge Kolleginnen und Kollegen berufspolitisch in Erscheinung treten – auch Sie zählen dazu. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Wir müssen als Berufsstand jetzt Angebote machen, wie wir die Gesundheitsversorgung der Menschen künftig gestalten wollen. Und das sollten am besten diejenigen tun, die es tatsächlich betrifft, also die in 10 bis 20 Jahren noch am Patienten arbeiten werden. Gleichzeitig dürfen wir auf die Erfahrung der Kolleginnen und Kollegen, die schon länger dabei sind, nicht verzichten – bestimmte Denkweisen sollten wir aber aufgeben und stattdessen gemeinsam mit allen anderen Heilberuflern überlegen, wie wir die Versorgung aufrechterhalten können. Wichtiger als das Alter ist also die Bereitschaft, sich neuen Ideen zu öffnen. Denn nur zu meckern, hilft nicht.

Was braucht der Berufsstand jetzt von der Politik, um für die Zukunft gerüstet zu sein?

Zuerst brauchen wir ein klares Bekenntnis zur Freiberuflichkeit und zu ethischem Handeln im Gesundheitswesen. Das wünsche ich mir sehr von der Politik. Und im zweiten Schritt müssen dafür die wirtschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden.

Sie sprechen von einer Anpassung des Apothekenhonorars. Unterstützen Sie die Forderung der ABDA nach einem Fixum in Höhe von 12 Euro?

Ich glaube, wir alle stehen hinter der Forderung der ABDA, unser Honorar anzupassen. Wie genau diese zu formulieren ist, sollten wir in die Hände unserer Spitzenorganisation legen. Ich halte nichts davon, parallel mehrere Forderungen in die Welt zu setzen, die voneinander abweichen. In den Medien werden jetzt Beträge in Höhe von 12 oder 14 Euro diskutiert. Das finde ich nicht besonders glücklich. Sich da festzulegen, sollten wir der ABDA überlassen und als Berufsstand mit einer Stimme sprechen.

Herr Francke, vielen Dank für das Gespräch!


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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