Arzneimittelversorgung in Zeiten von Engpässen

Bayern und BaWü wollen mehr Flexibilität für Apotheken

Berlin - 06.03.2024, 15:15 Uhr

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat im Bundesrat einen Antrag eingereicht, der die Regierung zu mehr Aktion gegen Engpässe auffordert. (Foto: imago images / Political-Moments)

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat im Bundesrat einen Antrag eingereicht, der die Regierung zu mehr Aktion gegen Engpässe auffordert. (Foto: imago images / Political-Moments)


Bayern und Baden-Württemberg geben sich mit den bislang vom Bund initiierten Maßnahmen gegen Arzneimittellieferengpässe nicht zufrieden. Über den Bundesrat wollen sie die Bundesregierung unter anderem dazu bewegen, dass Apotheken per Einzelimport bezogene Arzneimittel für eine gewisse Zeit vorrätig halten können. Zudem sollen sie bei Engpässen wieder flexibler austauschen dürfen.

Die Bundesländer werden nicht müde, von der Bundesregierung weitere Anstrengungen im Kampf gegen Arzneimittellieferengpässe einzufordern. Nun sind Bayern und Baden-Württemberg erneut über den Bundesrat aktiv geworden und haben einen Antrag mit dem Titel „Verbesserung der Arzneimittelversorgung“ auf den Weg gebracht. Ihr Ziel: Das Bundesratsplenum soll diesen als Entschließungsantrag beschließen.

Darin konstatieren die beiden Länder zunächst, dass die Maßnahmen, die Bundesregierung nach den Erfahrungen mit knappen Kinderarzneimitteln im Winter 2022/2023 initiiert hat, nicht ausreichen. Einige, wie die sogenannte Dringlichkeitsliste, setzten nur an den Symptomen an, andere seien so angelegt, dass sie ihre Wirkung – wenn überhaupt – erst in mehreren Jahren entfalten könnten.

Ihre Vorschläge, um die Situation schneller und nachhaltiger zu verbessern, setzen an verschiedenen Punkten an: bei den Importregelungen und den behördlichen Handlungsmöglichkeiten im Fall von Versorgungsmängeln, den Möglichkeiten für Apotheken (Austausch, Eigenherstellung), der Bevorratung sowie Anreizen für die Pharmaindustrie.

Mehr Möglichkeiten nach festgestelltem Versorgungsmangel

Konkret fordern die beiden Südländer Anpassungen in § 79 Abs. 5 Arzneimittelgesetz (AMG) – also der Norm, nach der Behörden im Falle eines vom Bund festgestellten Versorgungsmangels mit Arzneimitteln gegen „lebens- bedrohliche Erkrankungen“ und „bedrohliche übertragbare Krankheiten“ im Einzelfall Importe von in Deutschland nicht zugelassenen oder registrierten Arzneimitteln gestatten können. Hier müsse auch der Import weiterer nicht verfügbarer, aber dringend notwendiger Arzneimittel ermöglicht werden. Zudem müssten die Behörden in diesen Fällen von weiteren rechtlichen Vorgaben, als denen des Arzneimittelgesetzes abweichen können – etwa von der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV), der Arzneimittelhandelsverordnung (AM-HandelsV), dem Apothekengesetz (ApoG) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO).

Zudem müsse geregelt werden, dass die Restbestände von nach einem festgestellten Versorgungsmangel eingeführten Arzneimitteln auch nach dessen Beendigung noch für einen gewissen Zeitraum abverkauft und von Apotheken abgegeben werden dürfen. Um dabei die gesetzliche Krankenversicherung nicht zu überfordern, müsse allerdings sichergestellt sein, dass nur eine bedarfsgerechte Bevorratung in den Genuss dieser Privilegierung gelange.

Einzelimport: Auch öffentliche Apotheken sollen sich begrenzt bevorraten können

Und auch den Einzelimport nach 73 Abs. 3 AMG wollen Bayern und Baden-Württemberg modifizieren. Ein solcher ist nur nach strengen Voraussetzungen zulässig, die kumulativ vorliegen müssen. Unter anderem darf stets nur für den akuten Bedarfsfall einer einzelnen Person bestellt werden (Ausnahme: Krankenhausapotheken und krankenhausversorgenden Apotheken ist ein vorübergehender Vorrat im angemessenen Umfang gestattet). Die Südländer finden: „Eine Erweiterung dieser Regelung auf öffentliche Apotheken, damit diese für dringend notwendige, in Deutschland nicht verfügbare Arzneimittel die in § 15 ApBetrO vorgeschriebene Vorratshaltung für den Bedarf von einer Woche (bzw. vier Wochen für bestimmte Wirkstoffe) erfüllen können, sollte zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung ermöglicht werden.“

Austausch der Darreichungsform nicht nur für „Listen-Arznei“

Eine weitere sehr apothekenrelevante Forderung betrifft die Austauschregeln. Die äußerst flexiblen Möglichkeiten, die in Zeiten der Corona-Pandemie eingeführt wurden, sind bekanntlich mittlerweile deutlich gestutzt in § 129 Sozialgesetzbuch V aufgenommen worden. Dies geschah zunächst im Zuge des Engpassgesetzes ALBVVG, dann schob der Gesetzgeber Ende vergangenen Jahres im Rahmen des Pflegestudiumstärkungsgesetzes nochmals spezielle Regelungen zu Kinderarzneimittel nach. 

Bayern und Baden-Württemberg fordern jedoch mehr Spielraum: Es müsse auch unabhängig von einer Listung („Dringlichkeitliste“) von der Darreichungsform und nach dokumentierter, mindestens telefonischer Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin von einem nicht auf der Substitutionsausschlussliste aufgeführten Wirkstoff abgewichen werden dürfen. „Der hierfür erforderliche Sachverstand ist in den Apotheken vorhanden und sollte zum Nutzen einer besseren Patientenversorgung auch genutzt werden“, heißt es in dem Antrag.

Standardzulassungen für Kinder-Fiebersäfte und -zäpfchen

Zudem erneuern die Länder nochmals ihren Vorschlag, Paracetamol- und Ibuprofen-haltige Arzneimittel in für Kinder geeigneten Darreichungsformen auf Grundlage einer Standardzulassung von der Pflicht zur Zulassung freizustellen. Dazu soll das Bundesgesundheitsministerium in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte entsprechende Monographien in Kraft setzen. Die Antragsteller versprechen sich davon, dass Arzneimittelhersteller oder Apotheken, die über entsprechende Produktionskapazitäten verfügen, auf unbürokratische Weise Fiebersäfte und -zäpfchen herstellen und in Verkehr bringen, um einen steigenden Bedarf zu decken.

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Auch in Sachen Bevorratung wünschen sich Bayern und Baden-Württemberg mehr Aktion von der Regierung. Angesichts der Ankündigung der EU-Kommission, künftig auf EU-Ebene gemeinsame Beschaffungen von Arzneimitteln vorzunehmen, sollte eine nationale Strategie für die Bevorratung entwickelt werden, die mit diesen Plänen kompatibel ist.

Leitplanken und Rabattverträge

Überdies plädiert der Antrag für eine Weiterentwicklung des AMNOG-Verfahrens mit Blick auf die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingeführten „Leitplanken“. Sie sollten dahingehend angepasst werden, „dass die Entwicklung von Schrittinnovationen, die maßgeblich zu einer hochwirksamen und am Patientenwohl ausgerichteten Arzneimittelversorgung beitragen, nicht verhindert, sondern vielmehr gefördert wird“.

Zuletzt wünschen die Länder noch mehr Anreize für pharmazeutische Unternehmen: Die Bundesregierung möge die Rabattvertragsregelungen so anpassen, „dass die Produktion von Arzneimitteln und Wirkstoffen in Deutschland und Europa wieder lohnend gestaltet werden kann und somit die Lieferketten diversifiziert und die Abhängigkeiten von Drittstaaten verringert werden“. Dabei sei auch zu diskutieren, ob eine Verlängerung der Laufzeit von Rabattverträgen hierzu beitragen könnte.

Die beiden Bundesländer wollen nun, dass ihr Antrag am 22. März auf die Tagesordnung des Bundesrates gesetzt wird. Anschließend soll er den Ausschüssen zur Beratung zugewiesen werden. Selbst wenn die Länder am Ende einen entsprechenden Entschließungsantrag beschließen: Die Bundesregierung kann ihn als Anregung mitnehmen, zu mehr ist sie jedoch nicht verpflichtet.


Kirsten Sucker-Sket
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Kretschmann-Initiative

von Roland Mückschel am 06.03.2024 um 17:00 Uhr

Lassen sie es gut sein.
Wenn’s nichts mehr gibt dann gibt es halt nichts mehr.
Das ist dann sparen in Reinkultur.
Das müsste er als Schwabe doch gut verstehen.
Und wenn wir importieren sollen muss die Menge bestimmt werden und natürlich die Finanzierung.
Die Sicherstellung der AM-Versorgung obliegt dem Staat.
Die ehemaligen Partner sind zum Abschuss freigegeben.
Am besten Kretschmann du machst es selber.
Selbst ist der Ministerpräsident.

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