Per Luftpost ins hessische Hinterland

Pilotprojekt zur Drohnenlieferung von Arzneimitteln

Berlin - 18.01.2024, 10:00 Uhr

Im Odenwald sollen jetzt Arzneimittel von Drohnen geliefert werden. (Foto: Wingcopter)

Im Odenwald sollen jetzt Arzneimittel von Drohnen geliefert werden. (Foto: Wingcopter)


In einem Feldversuch sollen kleine Ortschaften im hessischen Odenwald seit diesem Mittwoch mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln per Drohne beliefert werden. Die Entwickler wollen damit die Nahversorgung in entlegenen Landesteilen verbessern.

Seit diesem Mittwoch bietet die Bären Apotheke im hessischen Erbach die Lieferung von OTC-Arzneimitteln aus der Luft an, wie das Drohnen-Unternehmen Wingcopter mitteilte. Bereits seit dem 5. Oktober 2023 können sich die Bewohner:innen von Rehbach und Würzberg im Umkreis von Michelstadt Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs per Drohne und Lastenrad liefern lassen – ohne klimaschädliche Emissionen, jedoch bisher auch ohne Möglichkeit zur Kühlung und bis zu einer Last von 4 Kilogramm.

Die Bären Apotheke aus Erbach hat sich dem LieferMichel-Netzwerk angeschlossen. Ihr Inhaber, Frank Buffleb erkennt die Vorteile für seine Kundschaft: „Hier im ländlichen Raum stellen die langen Wege kranke Menschen oft vor Schwierigkeiten, schnell an ihre Medikamente zu kommen. Von daher sind wir sehr froh, im Rahmen des LieferMichel-Projekts erste Erfahrungen mit drohnenbasierten Lieferungen zu machen“.

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) fördert LieferMichel mit insgesamt rund 430.000 Euro. Das zunächst nur bis Ende 2023 bewilligte Pilotprojekt wurde nun bis März dieses Jahres verlängert. Bisher konnten die Lieferdrohnen im Rahmen des Pilotversuchs im Raum Michelsberg bereits etwa 2.000 Kilometer absolvieren.

Erste Versuche zeigen Potenzial

Testversuche zur Arzneimittelzustellung per Drohne wurden auch in anderen Regionen Deutschlands durchgeführt. In Sachsen-Anhalt wurde im Juli 2023 in Einzelversuchen erfolgreich getestet, wie autonom fliegende Drohnen in Wohngebieten operieren können und welche Einflüsse Bäume und Wind haben. Auch im Raum Bayreuth wurden seit Oktober 2022 erste Testflüge absolviert.

Die Lieferung von medizinischen Gütern ist in einigen afrikanischen Ländern bereits erprobte Realität. In Ruanda und Ghana werden bereits seit 2018 Blutkonserven und Arzneimittel per Drohne in schwer zugängliche Regionen transportiert. In den USA testet Amazon seit Ende 2022 den Güterversand per Drohne, seit Oktober 2023 auch die Belieferung mit Arzneimitteln. Hier können die Bestellungen – anders als aktuell im Kreis Michelstadt – direkt bis in den Hinterhof der Endverbraucher geliefert werden. Amazon will bis Ende 2024 seinen Drohnenlieferdienst „Prime Air“ auch in Großbritannien und Italien anbieten.

Herausforderungen für Drohnenlieferung

Bisher können die Drohnen aufgrund rechtlicher Beschränkungen nicht bis zur Haustür liefern. Um im unbeschränkten Luftraum außerhalb der Sichtweite des Piloten fliegen zu dürfen, wird eine Zertifizierung durch das Luftfahrtbundesamt benötigt. Die derzeitige Genehmigung für „LieferMichel“ ist auf den Luftraum über unbewohnten Gebieten beschränkt, perspektivisch wird jedoch eine unbeschränkte Zertifizierung angestrebt, teilte die Betreiberfirma Wingcopter mit. Aktuell werden die Lieferungen noch an der Ortsgrenze von der Drohne an ein Lastenrad übergeben.

Ein Vorteil gegenüber herkömmlichen Lieferdiensten besteht darin, dass die Drohnen von Hindernissen im Straßenverkehr unabhängig sind. Andererseits sind sie anfällig für witterungsbedingte Störungen. So können gegenwärtig im Odenwald aufgrund von Schneefällen und Eisregen keine LieferMichel-Drohnen starten, teilte Thomas Dreiling von Wingcopter auf Anfrage der DAZ mit.

Pilotprojekt liefert wichtige Daten

„LieferMichel“ entstand aus einer Kooperation von Wingcopter, einem hessischen Startup, und der Frankfurt University of Applied Sciences. In dem Pilotprojekt sollen Daten und Erfahrungen gesammelt werden, die für die geplante Ausweitung des Projektes in andere Regionen von Bedeutung sind. Zu klären sind beispielsweise Fragen der Flugsicherheit, sowie die technische Funktionsfähigkeit der Drohnen bei extremen Wetterlagen, wie jetzt im Winter. Aber auch die tatsächliche Nachfrage unter den Landbewohnern muss noch ermittelt werden.

Ansgar Kadura, Mitbegründer und Chef Service Officer von Wingcopter, sieht insbesondere im Bereich der medizinischen Versorgung großes Potenzial: „Das Liefern von Medikamenten ist Teil unserer DNA bei Wingcopter. Bisher haben wir in vielen Projekten Krankenhäuser angeflogen, Medizin geliefert und Laborproben von dort abgeholt. Nun liefern wir erstmals Medikamente direkt zum Endkunden. Das ist eine spannende Lernerfahrung und ein wichtiger Meilenstein dieses Projekts.“


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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