Autoantikörper nach Erkrankung

Warum SARS-CoV-2 Autoimmunerkrankungen auslöst und was das mit Long COVID zu tun hat

Schladming - 16.01.2024, 15:15 Uhr

Professor Rolf Marschalek aus Frankfurt erläuterte die immunologischen Folgen von SARS-CoV-2. (Foto: DAZ)

Professor Rolf Marschalek aus Frankfurt erläuterte die immunologischen Folgen von SARS-CoV-2. (Foto: DAZ)


Seit nunmehr vier Jahren beschäftigt sich die Welt mit SARS-CoV-2. Mittlerweile weiß man auch so einiges über das Virus. Zum Beispiel, dass SARS-CoV-2 Autoimmunerkrankungen auslösen kann. Welcher immunologische Mechanismus dahintersteckt und was das wiederum mit Long COVID zu tun hat, erklärte Professor Rolf Marschalek aus Frankfurt im Rahmen seines Vortrags beim Pharmacon.

SARS-CoV-2 unterscheidet sich in mancherlei Hinsicht von anderen Viren, das machte der Molekularbiologe Professor Rolf Marschalek beim Pharmacon in Schladming 2024 deutlich. So hat es beispielsweise negative Auswirkungen auf die Immunantwort. Das Virus verschlechtert dramatisch die humorale Immunantwort aufgrund der systemischen Inflammation. Zudem kann die Omikron-Variante selektiv CD8+-Zellen eliminieren und führt so zu einer Immunsuppression bei den Betroffenen. Ein weiterer Unterschied zu vielen anderen humanpathogenen Viren ist, dass SARS-CoV-2 über zwei virale Proteasen verfügt und nicht nur über eine. Proteasen spielen eine wichtige Rolle bei der Virusreplikation, indem sie die viralen Vorläuferproteine schneiden. Sie schneiden jeweils an bestimmten Aminosäuresequenzen, den sogenannten Konsensussequenzen. Diese Sequenzen kommen aber nicht nur bei viralen, sondern auch bei körpereigenen Proteinen vor, welche auch von den viralen Proteasen geschnitten werden können, was zur Entstehung sogenannter Neoantigene führt. Diese werden vom Immunsystem möglicherweise als fremd identifiziert. Die Folge ist die Bildung von Autoantikörpern.

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Das ist grundsätzlich bei allen Viren möglich. SARS-CoV-2 schneidet aber mit seinen Proteasen besonders viele körpereigene Proteine – über 6000. Zum Vergleich: Latent in der Bevölkerung persistierende Viren wie Varizella Zoster oder Herpes simplex schneiden weniger als zehn körpereigene Proteine. Somit entstehen bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 im Vergleich vielmehr Neoantigene und somit auch Autoantikörper. Bei der großen Mehrheit der Menschen, die eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, sind Autoantikörper nachweisebar. In vielen Fällen bleibt das ohne spürbare Folgen, aber eben nicht immer. Das hängt jeweils vom individuellen Immunsystem ab, eine entscheidende Rolle spielen dabei die jeweiligen MHC-Kompositionen. Die Autoantikörper können sich gegen verschiedenste Strukturen richten, zum Beispiel gegen Interferon, was zu einer Hyperinflammation und einem Versagen des Immunsystems führt, oder gegen bestimmte Organe, was den Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns erklärt.

Long COVID ist eine Autoimmunerkrankung

Zudem weiß man Marschalek zufolge mittlerweile auch, dass hinter Long COVID ebenfalls ein autoimmunes Geschehen steckt. Hier richten sich die Antikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Sie sind mit mehr als 800 verschiedenen Mitgliedern die größte Proteinsuperfamilie und kommen überall im Körper vor, was die Symptomvielfalt von Long COVID erklärt. Nach bisherigen Erkenntnissen, so Marschalek, steigt mit der Anzahl und dem Schweregrad der Infektionen das Risiko für Long COVID. Impfungen hingegen senken es.

Heilung durch Neutralisation der Autoantikörper?

Auf Basis dieser Erkenntnisse werden auch mögliche Heilungsansätze erforscht. So wurde ein Aptamer aus 15 Nukleotiden entwickelt, das den Namen BC007 trägt. Es bindet und neutralisiert konzentrationsabhängig fast alle Autoantikörper, die gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren gerichtet sind. Marschalek hält das für einen spannenden und vielversprechenden Ansatz. Auch schon angewandte Behandlungsansätze bei Long COVID, zum Beispiel eine Plasmapharese oder die Behandlung mit Antikörper-Cocktails zielen auf den autoimmunen Prozess ab und erzielen auch teilweise Erfolge.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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8 Kommentare

Warum SARS-CoV-2 Autoimmunerkrankungen auslöst und was das mit Long COVID zu tun hat

von BSCHERER am 02.02.2024 um 14:04 Uhr

Interessant für eine betroffene Pflegefachkraft zu lesen.

11/2022 Erstinfektion SAR Cov 2

Der Verdacht einer Autoimmunerkrankung besteht seit 06/2023 .

Findet sich kein entsprechender Facharzt,! Nächst möglicher Termin 04/2025 wurde bestätigt.







» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ich vermissen einen Punkt

von Christian Wiechering am 17.01.2024 um 12:07 Uhr

Wenn ich Publikationen lese, in denen das Wort Autoimmunerkrankungen in der Überschrift steht, dann verstehe ich nicht, warum das Thema Vitamin-D in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wird.

Bei vielen Long Covid Erkrankten hat sich das Epstein Barr Virus reaktiviert,das eng mit Autoimmunerkrankungen
verbunden ist.

Eine Reaktivierung des EB-Virus lässt sich aber durch einen genügend hohen Vitamin-D Spiegel im Blut verhindern.
"...Des Weiteren konnte durch tägliche oder wöchentliche Vitamin-D-Gabe eine latente Reaktivierung des
Epstein-Barr-Virus verhindert werden, und zwar umso besser je höher der 25(OH)D-Spiegel unter Vitamin-D-Gabe lag"
https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0035-1552694.pdf

Da nach einer Covid Infektion sehr häufig ein schwerer Vitamin-D Mangel auftritt, ist es somit naheliegend,
dass dieser Mangel der Grund für die Reaktivierung des EB-Virus ist.

Dabei wird üblichweise nicht daran gedacht, dass ein schwerer Mangel erst während einer Infektion auftreten kann, weil Vitamin-D ein "negative acute phase reactant" ist, was nicht anderes heißt, als das während einer Infektion mehr Vitamin-D verbraucht wird als üblich.

In Grafik 3 dieser Studie wird gezeigt, das der 25(OH)D Wert an einem Tag um 2,5ng/ml fallen kann
https://www.mdpi.com/2072-6643/14/12/2362

Dadurch kann es mit einen durchschnittlichen Vitamin-D Spiegel im Winter von 22ng/ml schon am 4ten Infektionstag zu einem schweren Mangel(<12ng/ml) kommen, im Sommer(32ng/ml) am 8ten Tag.

Wenn man also berücksichtigt, dass Vitamin-D ein "negative acute phase reactant" ist, und durch Supplemmentation dafür sorgt, dass
der 25(OH)D Wert während einer Infektion nicht in den Bereich des schweren Mangel sinkt, lassen sich dadurch Autoimmunkrankuen weitgehend verhindern.

Wie hoch die Dosierungen dafür sein muss, kann man in der Publikation eines Arztes nachlesen dem schon 2020 bewußt war, das der 25(OH)D Wert während einer Infektion sinkt.
https://dr-kersten.com/wp-content/uploads/2021/07/NEU-Covid-Artikel.-Juli-2021.pdf

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Lächerlich

von Daniel am 24.01.2024 um 3:46 Uhr

Es ist für alle Betroffenen geradezu lächerlich, Vitamin D als Patentrezept gegen Autoimmunerkrankungen zu bezeichnen.

Einen solchen Unfug sollte man direkt löschen.

AW: Ich vermissen einen Punkt

von Christian Wiechering am 25.01.2024 um 17:22 Uhr

Der Meinung, dass Vitamin-D nicht bei Autoimmunerkrankungen hilft, sind wahrscheinlich auch immer noch viele Ärzte, weil sie die Entwicklung der letzten Jahre nicht mitbekommen haben.

Selbst die Charité hat inzwischen eine Studie gestartet, in der die Wirkung hoher Vitamin-D Dosen auf Autoimmunerkrankungen untersucht wird.

https://www.mdr.de/ratgeber/gesundheit/vitamin-d-coimbraprotokoll-behandlung-autoimmunerkrankung-100.html

Es ist ja schön wenn man Antikörper aus dem Blut herausfiltern kann, aber damit werkelt man nur am Symptom herum anstatt an der Ursache.

Die Antikörper werden üblicherweise von Zellen hergestellt die von Viren befallen sind. Wenn man die Ursache beseitigen möchte, dann müssen die von Viren befallen Zellen Eliminiert werden.

Dazu gibt es einen Vorgang in den Zellen der sich Apoptose (natürlicher Zelltod) nennt, und der viel mit Vitamin-D zu tun hat.
Suchen sie nach "Vitamin-D induzierter Zelltod"

Zellen die von Viren befallen sind, benötigen zum Selbstmord eine ausreichende Menge Vitamin-D, ansonsten können sich nicht selbst Eleminieren.

Diesen Effekt nutzt z.B. das Ebstein-Barr Virus aus, das nach dem Eintritt in eine Zelle die Vitamin-D Rezeptoren blockiert.
Dadurch kommt es in der Zelle zu einem Vitamin-D Mangel, der eine Apoptose verhindert, wodurch das EB-Virus weiteres Unheil anrichten kann.

Um doch genug Vitamin-D in die Zelle für eine Apoptose zu bekommen, ist logischerweise ein hoher Vitamin-D Spiegel im Blut hilfreich, deswegen erhöhen Ärzte, die Patienten mit Autoimmunerkrankungen behandeln,
den 25(OH)D Wert auf 80-100ng/ml
Zusätzlich helfen Nahrungsergänzungsmittel, wie Curcuma und Quercetin um die Vitamin-D Rezeptoren wieder zu aktivieren.

Nach Studienlage sieht es so aus, das wichtigste Faktor für den Verlauf einer Infektion, den man selbst beeinflussen kann, der Vitamin-D Spiegel ist.
In einer Studie aus Israel, in der die dortige Gesundheitsdatenbank nach Risikofaktoren für den Verlauf einer COVID-19 Infektion durchsucht wurde, wurden als Hauptfaktoren nur das Alter und der Vitamin-D Spiegel gefunden, und als Nebenfaktoren noch Diabetes und COPD.
https://overton-magazin.de/krass-konkret/israelische-studie-vitamin-d-scheint-vor-schweren-covid-19-erkrankungen-und-tod-zu-schuetzen/

Hätte es andere relevante Vitalstoffe, Blutwerte usw. gegeben, hätte man die dort gefunden.

Aus dem Ergebnis kann man folgern, dass es in den meisten Fällen ausreicht nur einen Vitamin-D Spiegel von über 20ng/ml zu halten, um ein Eindringen von Viren in Zellen (Stichwort Zellschutz) zu verhindern.
https://gesundheitscheck.de/glossar/vitamin-d-mangel

Aber um die Viren durch einen Zelltod zu Eleminieren, ist nicht nur ein höherer 25(OH)D Wert notwendig, sondern auch andere Vitalstoffe.

Da es bisher kein Medikament gegen Autoimmunerkrankungen gibt, und diese somit als unheilbar gelten, verstehe ich nicht, warum einige aufschreien, wenn sie nur das Wort "Vitamin" hören, ohne sich zuvor darüber zu informieren, warum es genannt wird.


Schlimmer als HIV

von Stefan Siebert am 16.01.2024 um 22:49 Uhr

Er sagte auch, das SARS-COV-2 schlimmer als HIV in seinen Anfangsjahren sein wird und er es nicht versteht, dass nur noch 2 Prozent in Deutschland geimpft sind.
Seine Prognose war katastrophal. Das Virus zerstört die T-Zellen und unterdrückt T-Zellen. Es ist keine Immunität durch Infektion zu erwarten. Autoimmunkrankheiten werden dadurch in den nächszen Jahren explodieren. Ich hoffe, er hat sich getäuscht, sonst gute Nacht...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Schlimmer als HIV

von Stefan Siebert am 16.01.2024 um 22:51 Uhr

Unterdrückt B-Zellen.

Sehr gelungen

von S. Ehrlich am 16.01.2024 um 20:35 Uhr

Danke für den spannenden und aufschlussreichen Artikel. Ich hoffe, dass wir Patienten mit LongCovid bald Therapien anbieten können.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Es gibt ein Medikament

von Daniel am 25.01.2024 um 1:34 Uhr

Es gibt seit 2,5 Jahren ein viel versprechendes Medikament: BC007.

Den Sterbenden wird es vorenthalten, um eine nichtssagende Studie durchzuführen.

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