künstliche Intelligenz in der Diabetestherapie

„Alexa, wie viel Insulin soll ich spritzen?“

Stuttgart - 10.01.2024, 09:15 Uhr

Mit dem Smart Speaker über den Blutzuckerspiegel reden, der einem eine Insulin-Dosierung empfiehlt – klingt futuristisch, wurde aber kürzlich in den USA untersucht. (Foto: Vadim Pastuh/AdobeStock)

Mit dem Smart Speaker über den Blutzuckerspiegel reden, der einem eine Insulin-Dosierung empfiehlt – klingt futuristisch, wurde aber kürzlich in den USA untersucht. (Foto: Vadim Pastuh/AdobeStock)


Den Blutzuckerspiegel einzustellen, gestaltet sich für viele Insulin-pflichtige Typ-2-Diabetiker schwierig. Insbesondere die Dosierung des Basal-Insulins anzupassen, kann herausfordernd sein. Ob dabei eine sprachgesteuerte künstliche Intelligenz helfen kann, haben US-amerikanische Wissenschaftler untersucht.

Wie können Typ-2-Diabetiker bei der Titration von Basal-Insulin unterstützt werden, um möglichst schnell eine glykämische Kontrolle zu erreichen? Forscher der Stanford-Universität haben dazu in einer klinischen Studie den Effekt von sprachgesteuerter künstlicher Intelligenz (KI) untersucht. Sie erhoffen sich, dadurch auch Patienten zu erreichen, die im Umgang mit moderner Technologie nur wenig Erfahrung haben.32 Typ-2-Diabetiker (mittleres Alter 55 Jahre), bei denen die Dosierung des Basal-Insulins neu eingestellt oder angepasst werden sollte, wurden in die Studie aufgenommen und über acht Wochen beobachtet. 1:1 wurden sie zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt, eine mit sprachgesteuerter Assistenz durch künstliche Intelligenz und eine Vergleichsgruppe.

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Die Intervention der Studie erinnert an Science-Fiction-Szenarien: Die Patienten sprachen morgens mit einer Lautsprecherbox mit Spracherkennung und teilten ihren Nüchternglucose-Spiegel und bisher injizierte Insulin-Dosierungen mit. Daraufhin schallten aus der Box Empfehlungen für die künftige Insulin-Dosierung. Es wurden Sprachboxen mit dem Sprachassistenten „Alexa“ von Amazon genutzt. Das für die Studie nötige Softwaremodul wurde jedoch unabhängig von dem Großkonzern entwickelt. Dabei konnte die künstliche Intelligenz nicht eigenständig entscheiden, welche Insulin-Dosierung verabreicht werden sollte. Das Therapieschema wurde vom behandelnden Heilberufler hinterlegt. Dieser konnte in Echtzeit die vom Patienten berichteten Daten einsehen und im Bedarfsfall das Schema ferngesteuert anpassen. Die Intelligenz der Anwendung lag darin, auf Basis des Therapieschemas und der vom Patienten berichteten Daten in Gesprächsform Dosierungsanweisungen zu geben. Die Teilnehmer der Vergleichsgruppe erhielten dagegen nur Informationen von ihrem Arzt, wie sie ihre Insulin-Therapie selbstständig einstellen können. Um auch ihre Daten zu erheben, sollten sie ebenfalls täglich ihre Blutzuckerwerte und Insulin-Dosierungen über die Sprachbox mitteilen.

Mittels KI schneller zur optimalen Insulin-Dosierung

Den Studienergebnissen nach scheint die sprachgesteuerte Unterstützung für Typ-2-Diabetiker vorteilhaft zu sein. Die von der künstlichen Intelligenz unterstützten Probanden waren im Median bereits nach 15 Tagen auf die für sie optimale Insulin-Dosierung eingestellt. Dieses Ziel konnte der Großteil der Studienteilnehmer in der Vergleichsgruppe während des achtwöchigen Studienzeitraums nicht erreichen. Im Schnitt wurden in der Interventionsgruppe 7,3 und in der Vergleichsgruppe 1,6 Dosisanpassungen pro Teilnehmer vorgenommen. Die Adhärenz zur Insulin-Therapie war mit durchschnittlich 83 % in der Interventionsgruppe wesentlich höher als in der Vergleichsgruppe (50 %). Nüchternblutglucose-Werte unter 130mg/dl wiesen nach acht Wochen 81 % der Probanden auf, die durch die KI unterstützt wurden, und 25 % der Probanden ohne diese Hilfe. Zusätzlich wurden die Teilnehmer zu Beginn und nach Studienende befragt, wie sie emotionalen Stress im Zusammenhang mit ihrer Diabetes-Erkrankung wahrnehmen. Für die Probanden in der Interventionsgruppe war der emotionale Stress zum Studienende tendenziell geringer, in der Vergleichsgruppe nahm er eher zu.

Was passiert mit den Daten?

Die Autoren bekräftigen, dass Amazon weder finanziell involviert war, noch dabei geholfen hat, das Softwaremodul zu entwickeln. Trotzdem wurden die Daten, wenn auch anonymisiert, über Server des amerikanischen Großkonzerns verarbeitet. Da der Konzern sich auch auf dem Gesundheitsmarkt stetig ausweitet, können solche Daten in vielerlei Hinsicht von großem Wert sein. Sollten sprachgesteuerte Gesundheitsanwendungen in der Praxis etabliert werden, muss auch kritisch hinterfragt werden, was mit den Patientendaten passiert.

Mehr über die Insulin-Therapie sprechen

Wie die Autoren erläutern, hat die Studie mehrere Grenzen, wie die geringe Teilnehmerzahl und Studiendauer. Aufgrund letzterer wurde z. B. nur der Nüchternblutglucose-Spiegel, nicht jedoch der HbA1C-Wert betrachtet, der für die dauerhafte Blutzuckereinstellung der aussagekräftigere Parameter ist. Auch ist nicht klar, wie verlässlich die selbstberichteten Daten sind und ob Patienten bei unvollständigen Angaben non-adhärent waren. Um besser technologieferne Patienten zu erreichen, wurde in der Studie anstelle einer Smartphone-Applikation eine sprachgesteuerte Anwendung entwickelt. Dabei stellt sich die Frage, ob der eigentliche Effekt der Intervention durch das Gespräch als solches erzielt wurde. Vielleicht wäre es auch effektiv, öfter und intensiver mit Patienten über ihre Insulin-Therapie zu sprechen und mit ihnen den praktischen Umgang mit Spritzschemata zu üben.

Literatur

Nayak A et al. Use of Voice-Based Conversational Artificial Intelligence for Basal Insulin Prescription Management Among Patients With Type 2 Diabetes: A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open 2023;6(12):e2340232, doi: 10.1001/jamanetworkopen.2023.40232


Simon Siuts, Apotheker
redaktion@daz.online


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